Colours of law: Schleuser vor Gericht

Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand - so lautet eine oft bemühte juristische Weisheit. Auf Schleuser vor Gericht trifft sie in besonderer Weise zu. Die Urteile bilden zwischen verständnisvoller Milde und unnachgiebiger Härte ein weites juristisches Farbspektrum ab.


Angesichts der weiter im wesentlichen ungebremst nach Deutschland drängenden Flüchtlingsströme und der damit einher gehenden häufigen illegalen Hilfe durch so genannte Fluchthelfer oder Schleuser hat die Justiz diese Personengruppe besonders auf dem Kicker. Und dies ist gerechtfertigt sowohl angesichts der horrenden Preise, die auch völlig unvermögenden Fluchtwilligen abverlangt werden, als auch im Hinblick auf die Lebensgefahr, in die die Flüchtlinge auf viel zu kleinen Booten oder in viel zu großer Zahl eingepfercht in enge Liefer- oder Lastwagen durch unverantwortliches Handeln der Schleuser gebracht werden.

Kriminelle Schleusernetzwerke mit verheerenden Folgen

Im Rahmen einer groß angelegten Razzia ließ die Bundespolizei Anfang November einen internationalen Schleuserring aufliegen. Sieben Beschuldigte wurden festgenommen. Sie hatten Libanesen und Syrer gegen Zahlung von 10.000 Euro pro Person mit gefälschten Pässen und gefälschten Aufenthaltserlaubnissen für die Einreise nach Deutschland ausgestattet. Die Zahl der kriminellen Netzwerke, die sich um das Schleusertum gebildet haben, ist nicht mehr zu überschauen.

Grenznahe Gerichte mit Schleuserprozessen total überlastet

Kumuliert treten die Probleme in grenznahen Gebieten in Bayern auf. Weit über 100 Haftbefehle gegen Schleuser ergingen beim im unmittelbar an der deutsch-österreichischen Grenze gelegenen AG Laufen allein im August diesen Jahres. Amtsrichter Hippler vom örtlichen AG berichtet in „Focus-online“, er leite inzwischen überwiegend Schleuserprozesse. Er fälle die Urteile im Akkord. Länger als 90 Minuten dauerten die Verhandlungen in der Regel nicht. Die Ausreden der Schleuser seien immer die gleichen. Fahrer von Lieferwagen hätten die Ladefläche voll mit Menschen geladen und behaupteten regelmäßig, die Personen hätten sich unbemerkt auf die Ladefläche geschlichen, was natürlich eine hanebüchene Ausrede sei. Bewährung gibt es bei Richter Hippler in der Regel nicht. Die verhängten Strafen liegen meist zwischen anderthalb und drei Jahren Haft - ohne Bewährung.

Willkommenskultur als Begründung für besondere Milde

Da kommen Schleuser beim AG Passau schon mal glimpflicher davon. Das AG Passau hat am 6.11.2015 einen Schleuser mit einer Bewährungsstrafe belegt. Begründung des Richters: Angesichts der Zustände an den Grenzen sei die Rechtsordnung von der deutschen Politik außer Kraft gesetzt worden. Asylsuchende würden von der deutschen Bundeskanzlerin regelrecht ermuntert, nach Deutschland zu kommen. Dies müsse man auch Schleusern zu Gute halten, da die Äußerungen höchster deutscher Politiker sie zum Schleusen regelrecht ermuntere. Vor diesem Hintergrund sei eine unbedingte Haftstrafe nicht angemessen.

Schleusungsrouten professionell durchorganisiert

Ähnlich milde - allerdings mit anderer Begründung - urteilte in einigen Fällen das AG München. Ein Schleusertrio, das gewerbsmäßig gemeinsam eine ganze Reihe von Ausländern rechtswidrig nach Deutschland geschleust hatte, kam in München äußerst glimpflich davon. Der Haupttäter verwaltete in München die Finanzen und organisierte die Reisen von Fluchtwilligen nach Deutschland. Die Durchführung der Reise wurde allerdings vom Eingang des Schleuserentgeltes auf einem Münchner Konto abhängig gemacht. Der zweite Angeklagte mietete als Fahrer die erforderlichen Fahrzeuge, um die Ausländer an ihre Bestimmungsorte zu verbringen.

Ein Dritter vermittelte den Kontakt zwischen den Auftraggebern und dem Haupttäter, der insbesondere das Entgelt mit den Flüchtlingen aushandelte. So ging es vor dem AG um den Fall von drei Syrern, die mit Hilfe der Angeklagten über Ungarn nach Deutschland geschleust wurden. Drei weitere Syrer wurden über die Türkei und Griechenland, Mazedonien, Serbien, Ungarn und Österreich nach Deutschland geschleust, vier weitere Syrer über Mazedonien nach Serbien und dann über Wien nach Deutschland. Bei einigen der „Transporte“ traten Schwierigkeiten durch unerwartete Kontrollen auf, einmal sogar eine zeitweise Inhaftierung in Budapest.

Milde Strafen auch in München

Trotz des bandenmäßigen, gemeinschaftlich verabredeten und gewerbsmäßigen Handelns verurteilte das AG München den Haupttäter lediglich zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten, den Fahrer zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten und den Vermittler zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten. Sämtliche verhängten Haftstrafen setzte das AG zur Bewährung aus mit der Begründung, die Angeklagten seien vorher noch nicht straffällig geworden.  (AG München, Urteil v. 31.3.2015 , 853 Ds 380 Js 205341/13). Das Urteil ist rechtskräftig.

Das Bild der Justiz könnte sich verfinstern

Die Höhe der verhängten Strafen bei den unterschiedlichen Gerichten zeigt, dass die Justiz ebenso wie die Politik bisher noch keine klare Linie bei der Beurteilung von Straftaten im Kontext der Flüchtlingsströme gefunden hat. Insbesondere die Begründung des Urteils des AG Passau unter Hinweis auf die Äußerungen der Bundeskanzlerin zeigt, dass die Grenze zwischen unabhängiger Justiz und politischer Einstellung zu verschwimmen droht.

Praxis einiger Richter, massenhaft Beweisanträge abzulehnen

Die Praxis einiger Richter, massenhaft Beweisanträge abzulehnen, weil die Sachlage ohnehin klar sei, erscheint als nicht weniger bedenklich. Bleibt zu hoffen, dass die Justiz durch das Erfordernis massenhafter Abarbeitung von durch die Flüchtlingsströme bedingten Fällen nicht blind für die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls wird und Angeklagte sich tatsächlich - wie auf hoher See -verloren vorkommen.

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