Colours of law: Postmortale Rechte - es ist noch nicht vorbei

Ein Novemberthema: Recht und Tod. In der vergangenen Woche hat der Bundestag sich in der Sterbehilfedebatte mit dem Recht auf einen würdigen Tod befasst. Aber was kommt nach dem Tod? Hat der Mensch Rechte, die über den Tod hinaus Bestand haben? Auch wenn der Tod düstere Farben trägt, soll er hier nicht übergangen werden.

Der November ist der Monat, in dem der Toten gedacht wird. Dies hat einerseits religiöse Gründe, passt aber auch zur Jahreszeit. Aktuelle juristische Debatten über den Tod befassen sich im Kern mit den Rechten der Lebenden. Was aber ist mit den Rechten der Toten?

Kann ein Toter Rechtsträger sein?

Kann ein Toter überhaupt Rechtsträger sein, wenn doch die Subjektqualität des Menschen mit dem letzten Atemzug verloren geht? Kann ein Toter Rechtspositionen innehaben, die durch andere verletzt werden können? Und wie ist mit dem Leichnam umzugehen? Sind diesem juristisch noch Rechtsträgereigenschaften zuzuordnen oder handelt es sich lediglich um eine Sache?

Menschliche Würde geht über den Tod hinaus

Die Antwort der Juristen ist äußerst differenziert. In dem grundlegenden so genannten „Mephisto-Urteil“ hat das Bundesverfassungsgericht postuliert, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 GG die Subjektqualität eines lebenden Menschen voraussetzt, d.h. mit dem Tod erlöschen die sich hieraus ergebenden Rechtspositionen.

Anders verhält es sich dagegen mit der grundgesetzlich garantierten Würde des Menschen gemäß Art. 1 GG. Diese besteht nach Auffassung der Verfassungsrichter über den Tod hinaus. Aus dem Würdebegriff des Art. 1 lassen sich laut Bundesverfassungsgericht dann wiederum besondere postmortale Persönlichkeitsrechte herleiten (BVerfG, Urteil v. 24.2.1971, 1 BvR 435/68).

Einfachgesetzliche Rechtspositionen auch nach dem Tod

Spezielle postmortale Persönlichkeitsrechte haben in einzelnen, einfachgesetzlichen Vorschriften ihren Niederschlag gefunden. So schützt § 22 KUG das Recht am eigenen Bild über den Tod hinaus. Im Falle einer Verletzung des Rechts am eigenen Bild, werden den Erben Ansprüche auf Unterlassung und auf Schadensersatz zugewiesen.

In der so genannten „Marlene-Dietrich-Entscheidung“ hat der BGH darüber hinaus bestätigt, dass eine Bildmarke, die die Umrisse einer verstorbenen bekannten Persönlichkeit (Marlene Dietrich) wiedergibt, grundsätzlich nach den allgemeinen Vorschriften eintragungsfähig ist (BGH, Urteil v. 24.04.2008, ZB 21/06). Als Ausdruck der Wahrung des Persönlichkeitsrechts eines Toten stellt § 189 StGB die Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener unter Strafe.

Spektakuläre Einzelfälle

Berühmt geworden ist der Fall des 1991 verstorbenen Schauspielers Klaus Kinski. 18 Jahre nach dessen Tod wurden dessen Krankenakten publik. So wurde bekannt, dass ein medizinischer Gutachter bei dem verstorbenen Künstler eine schwere Geisteskrankheit festgestellt hatte und den Schauspieler für „allgemeingefährlich“ hielt.

Der Sohn, Nikolai Kinski, klagte wegen Verletzung des informellen Persönlichkeitsrechts. Der Prozess endete vor dem Berliner Verwaltungsgericht mit einem Vergleich, nachdem der Vorsitzende Richter darauf hingewiesen hatte, dass das aus dem Recht auf Menschenwürde abgeleitete Persönlichkeitsrecht längere Zeit nach dem Tod schwächer wird und möglicherweise das öffentliche Interesse an der Publizierung überwiegen könnte.

Die Witwe des ehemaligen Bundeskanzlers Willy Brandt machte eine Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts geltend, als ohne ihre Zustimmung eine Münze mit der Abbildung des Kopfes des Politikers geprägt wurde. Das BVerfG nahm die Verfassungsbeschwerde der Witwe Brandts erst gar nicht zur Entscheidung an mit der Begründung, aufgrund der öffentlichen Wirksamkeit des Politikers zu Lebzeiten sei in der Abbildung der Gesichtszüge des Toten auf einer Münze keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts zu erkennen (BVerfG, Beschluss v. 25.8.2000, 1 BvR 2707/95).

Kein Eigentum an Leichen

Der menschliche Leichnam selbst wird juristisch nicht als eigenständiges Rechtssubjekt betrachtet. Der Leichnam stellt rechtlich eine Sache dar, die allerdings nicht eigentumsfähig ist. So ist zum Beispiel an einem Leichnam ein gutgläubiger Eigentumserwerb nicht möglich. Allerdings werden den Angehörigen Obhutsrechte zugesprochen, die aber nicht entgegen dem Willen des Verstorbenen ausgeübt werden können.

Zu Lebzeiten hat eine Person das Recht, über die Verwendung ihres toten Körpers zu verfügen. So kann sie diesen für medizinische Zwecke zur Verfügung stellen, sie kann auch wirksam die Einwilligung zur so genannten Plastination erteilen. Ende der Neunzigerjahre hatte der Künstler Professor Gunther von Hagens heftige Diskussionen über die postmortale Würde ausgelöst, als er menschliche Leichen als Plastinate ausstellte und damit in Kunstobjekte verwandelte.

Gehirntod als maßgebliche Größe für den Todeszeitpunkt

Heftig umstritten unter Juristen war lange Zeit, wann ein Mensch überhaupt tot ist. Bis heute existiert keine allgemein gültige Definition. Besondere Bedeutung kommt der exakten Bestimmung des Todeszeitpunktes im Transplantationsrecht. Gemäß § 3 Abs. 1, Abs. 2 TBG wird als Tod der nicht behebbare Ausfall der Funktionen von Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm (Gesamtgehirntod) angesehen. Erst nach dessen Eintritt dürfen einem Organspender Organe entnommen werden. Der Gehirntod als maßgebliche Todeszeitpunkt hat sich inzwischen insgesamt in der Jurisprudenz, besonders auch im Strafrecht, durchgesetzt.

Die namenlosen Toten

Schwer zu beantworten ist die Frage, wie die Würde unbekannter Leichen zu schützen ist. Jährlich werden in Deutschland ca. 100 Leichen aufgefunden, die nicht identifiziert werden können. Kriminologen gehen davon aus, dass es sich in der Mehrzahl der Fälle um ermordete Menschen handelt.

Wenn diese nach Jahren gefunden werden, ist der Verwesungszustand oft so weit fortgeschritten, dass durch Computervermessungen eine Identifizierung nicht mehr möglich ist. Betroffen macht die vergleichsweise hohe Zahl von Säuglingen und Kleinkindern, die sich unter den gefundenen Leichnamen befindet. Gentechnische Untersuchungen führen bei der Identifizierung häufig zu keinem Ergebnis, da mangels näherer Erkenntnisse kein Vergleichsmaterial von verwandten Personen zur Verfügung steht. Das Recht auf Würde bleibt in diesen Fällen wohl eher theoretischer Natur.

Die Friedhofsgestaltung als letzter Ausdruck der menschlichen Würde

Im übrigen findet der würdevolle Umgang der Lebenden mit den Toten Ausdruck in den Bestattungsordnungen der Länder und in der Ausgestaltung der Friedhofsordnungen in den einzelnen Kommunen. Für die Fälle der namenlosen Toten stellen die Bestattungsordnungen der Länder Mindestbedingungen für eine würdevolle Bestattung auf. Weltweit existiert kein Volk, das seine Toten nicht durch rituelle Handlungen in irgendeiner Weise würdevoll bestatten würde. Die Bewahrung eines würdigen Andenkens an die Toten erscheint so als ein menschliches Urbedürfnis, dem die Rechtsordnungen weltweit in unterschiedlicher Weise Ausdruck verleihen.

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