Colours of law: Kein Haustierprivileg für das Kamel

Dumm gelaufen: Das OLG Stuttgart spricht Kamelen in Deutschland die Anerkennung des Haus- bzw. Nutztierstatus ab. Damit ist dem Kamelhalter die Berufung auf das sogenannte Haustierprivileg verwehrt, d. h. im Falle einer Schadensverursachung durch ein Kamel haftet der Kamelhalter praktisch immer.

Beim Spaziergang oder beim Joggen in freier Wildbahn muss man schon mal mit der ein oder anderen tierischen Begegnung rechnen. Kamele stehen dabei in Deutschland eher weniger im Focus. Findet eine solche Begegnung dennoch statt, können mitgeführte Hunde schon mal laut bellend ihr Unbehagen ob des ungewöhnlichen Anblicks kundtun. Wirft dann das hierdurch wiederum aufgeschreckte Kamel seine Reiterin ab, kann dies zu einem komplizierten Haftungsgerangel führen. So geschehen bei einem Kamelausritt im Landkreis Sigmaringen am südlichen Rand der Schwäbischen Alb. Dort existiert ein hierzulande eher ungewöhnlicher Kamelhof. Dieser bietet Interessierten die Möglichkeit zu einem begleiteten Ausritt auf einem Kamel an – also Abenteuer pur in einer sonst eher beschaulichen Region.

Kamelführer führte die Kamele an der Kette

Dieses Vergnügen wollten sich eine 27 Jahre junge Ärztin und deren Tochter nicht entgehen lassen und buchten einen Ausritt unter der Führung des Inhabers des Kamelhofes. Mutter und Tochter erhielten jeweils ein Kamel zugewiesen. Schon das Besteigen des knieendem Kamels bedeutet eine kleine sportliche Herausforderung, die beide aber lässig meisterten. Nachdem die beiden Wüstenschiffe sich unter starkem Schwanken aufgerichtet hatten, nahm der Kamelführer die beiden Tiere an die Kette und begann den Gang durch die freie Natur.

Bellende Hunde bringen Kamele aus der Fassung

Der Ausflug führte die Kamele dann an einigen weiteren Naturfreunden samt deren Hunden vorbei. Da die Hunde bisher noch nicht vielen Kamelen auf freier Flur begegnet waren – jedenfalls keinen vierbeinigen -  verfielen die erschrockenen Haustiere unvermittelt ein lautes Bellkonzert. Dies wiederum führte zu einer unvermittelten Schockreaktion der beiden Kamele, sie liefen nach vorne und vollführten trotz der vom Kamelführer immer noch gehaltenen Kette eine abrupte Linkswende.

Hundegebell löste unheilvolle Kettenreaktion aus

Mit der plötzlichen Schreckreaktion des Kamels hatten wiederum die Reiterinnen nicht gerechnet mit der Folge, dass die 27-jährige Ärztin von ihrem Kamel kopfüber auf den Boden stürzte, dies immerhin aus einer Sitzhöhe von 1,87 Metern. Tragische Folge des Sturzes: Schwere Kopfverletzungen sowie damit einhergehend erhebliche Einschränkungen ihrer Erwerbstätigkeit.

Die Hunde hätten ihren Mund halten sollen

Der von der gestürzten Ärztin auf Schadenersatz und Schmerzensgeld in Anspruch genommen Kamelhofbesitzer wies jede eigene Schuld und die seiner Kamele von sich. Die Ärztin solle sich an die Hundehalter wenden. Schließlich hätten die ohne triftigen Grund bellenden Hunde seine armen Kamele derart erschreckt, dass deren körperliche Reaktion – wenn nicht menschlich – so doch tierisch verständlich gewesen sei. Ob dieser allzu sturen Verweigerung seiner Verantwortlichkeit verklagte die Ärztin den Kamelführer.

Verschuldensunabhängige Tierhalterhaftung

Das OLG Stuttgart erkannte der Klägerin in 2. Instanz ein

  • Schmerzensgeld in Höhe von 70.000 Euro zu
  • sowie Schadensersatz für den erlittenen Verdienstausfall in Höhe von rund 21.000 Euro.

Das Gericht begründet die Ansprüche der Ärztin aus dem Gesichtspunkt der Tierhalterhaftung gemäß § 833 Satz 1 BGB. Die Besonderheit dieser Vorschrift besteht darin, dass sie den Tierhalter zum Schadenersatz für durch das von ihm gehaltene Tier verursachte Personen- oder Sachschäden verpflichtet, ohne dass der Tierhalter einwenden könnte, er habe nichts falsch gemacht und den entstandenen Schaden nicht schuldhaft herbei geführt.

Haustierprivileg

Auch die Vorschrift des § 833 BGB enthält allerdings in Satz 2 einen für den Geschädigten unter Umständen unangenehmen Haken. Nach § 833 Satz 2 BGB tritt die Ersatzpflicht nämlich nicht ein,

  • wenn der Schaden durch ein Haus- oder Nutztier verursacht wurde,
  • das der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters dient und
  • der Tierhalter das Tier sorgfältig beaufsichtigt hat oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden wäre.

Keine Haftungsbefreiung für den Kamelführer

Das Haustierprivileg hätte im zu entscheidenden Fall durchaus eine Rolle spielen können, wäre ein Kamel als Haustier zu qualifizieren. Was in einigen Wüstenregionen dieser Welt der Fall sein mag, gilt nach Auffassung des OLG aber nicht auf der Schwäbischen Alb. Der Senat argumentierte:

  • Die Schwäbische Alb sei keine Wüste und Kamele pflege man in dieser Region auch nicht als Haustiere zu halten.
  • Die Haustierqualität sei unter Berücksichtigung der regionalen Gepflogenheiten zu bewerten.
  • Da es sich bei einem Kamel in Deutschland nicht um ein Haus- oder Nutztier handele, komme die Exkulpationsmöglichkeit nach § 833 Satz 2 BGB hier nicht in Betracht.
  • Deshalb könne der Kamelführer sich nicht auf das Privileg des Haustierhalters berufen und sich auch nicht durch Nachweis pflichtgemäßen Verhaltens von der Haftung zu befreien.
  • Außerdem habe der Kamelführer der Klägerin vor Antritt der Kameltour vom Tragen eines Helmes abgeraten und hierdurch letztlich auch seiner Sorgfaltspflicht nicht genügt.

Ergebnis: Der Kamelhalter muss zahlen.

(OLG Stuttgart, Urteil v. 07.06.2018, 13 U 194/17).

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Norm

§ 833 BGB Haftung des Tierhalters

  1. Wird durch ein Tier ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.
  2. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist, und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.
Schlagworte zum Thema:  Schadensersatz, Rechtsanwalt, Justiz, Juristen, Richter