Colours of law:  Kamelle-Risko beim Rosenmontagszug

Wenn bei den Rosenmontagszügen Kamelle und auch gewichtigere Süßigkeiten vom Himmel regnen, drohen durchaus ernste Gefahren. Wer sich dieser Unbill freiwillig aussetzt, ist jedoch selber schuld. Dies entspricht jedenfalls der gängigen Praxis gerichtlicher Entscheidungen zu diesem Thema.

Man will gar nicht glauben, was umherfliegende Kamelle oder sonstige Süßwaren, die von den Rosenmontagswagen ihren Weg durch die Luft ins Publikum nehmen, alles anrichten können. Vom blauen Auge durch den mit Wucht vom Karnevalsprinz in die Zuschauermenge geworfenen Schokoriegel bis zur aufgeplatzten Stirn durch eine mit hoher Geschwindigkeit durch die Luft herannahende scharfkantige Pralinenschachtel ist schon so manches vor Gericht gelandet.

Scharfkantige Pralinenschachtel flog wie Frisbee-Scheibe

Ein 63-jähriger Mann hatte eine schwere Platzwunde an der Stirn erlitten, als ein Mitglied der Alsdorfer Karnevalsgesellschaft eine gefüllte Pralinenschachtel mit Wucht in die jubelnde Menge geworfen hatte. Er verlangte von der Karnevalsgesellschaft die Zahlung von 1.000 Euro Schmerzensgeld. Als diese nicht zahlte, zog der Geschädigte vor Gericht und hatte – wie könnte es im Rheinland anders sein – natürlich keinen Erfolg. Das AG und in zweiter Instanz das LG ließen den Anspruchsteller im Regen stehen.

Keine kamellenfreien Schutzzonen beim Rosenmontagszug

Nach Auffassung der Gerichte entspricht es „im Rheinland dem allgemeinen Brauchtum, dass während eines Karnevalsumzuges Süßwaren unterschiedlichster Art und auch andere Gegenstände wie etwa Blumensträuße von den Wagen geworfen werden“. Der Kläger hatte zur Unterstützung seines Begehrens darauf hingewiesen, dass er sich wegen seines Alters extra weit nach hinten gestellt habe. Außerdem seien in den zurückliegenden Jahren niemals Pralinenschachteln geworfen worden, so dass er mit dieser Neuerung nicht habe rechnen müssen. Die Richter urteilten, an Karneval muss man mit allem rechnen, auf jeden Fall mit herumfliegenden Süßwaren in jeder Form. Insoweit existierten rund um die Rosenmontagszüge auch keine Schutzzonen im Sinne von kamellenfreien Räumen auf den hinteren Rängen. Wer vor solcher Unbill sicher sein wolle, der müsse an Rosenmontag zu Hause bleiben oder an die Nordsee fahren (LG Aachen, Urteil v. 1.3.2006, 5 S 316/05).

Ernsthafte Augenverletzung durch Schokoriegel

Noch etwas ernster war eine Verletzung einer Seniorin beim Kölner Rosenmontagszug. Vor einer Seniorenresidenz auf der Straße „Unter Sachsenhausen“ hatte die Seniorin sich den Rosenmontagszug angesehen. Nach ihrer Darstellung wurde sie von einem der Festwagen aus mit enormer Wucht mit zwei Schokoriegeln gezielt beworfen und von den beiden Schokoriegeln am linken Auge verletzt. Hierdurch sei ein zweimaliger stationärer Kartenhausaufenthalt von vier Tagen mit zwei Operationen unter Narkose erforderlich gewesen.

Die Vorderkammer des linken Auges sei verletzt, Zonularfasern ausgerissen und eine Linsenquellung mit erhöhtem Augendruck ausgelöst worden. Hierdurch habe sie dauerhaft 60 % ihrer Sehfähigkeit auf dem linken Auge eingebüßt. Nachdem der Veranstalter des Rosenmontagszugs zu keiner Schmerzensgeldzahlung bereit war, zog auch diese Geschädigte vor Gericht.

Kein Pardon selbst für Senioren

Sie verklagte den Veranstalter des Rosenmontagszugs. Hierzu stellte das angerufene AG fest, weder den Veranstalter noch den teilnehmenden Verein treffe in Bezug auf herumfliegende Süßigkeiten eine besondere Verkehrssicherungspflicht. Das Werfen von kleinen, leichten und  - abstrakt betrachtet - ungefährlichen Gegenständen sei eine Tradition von Karnevalsumzügen, auf die sich jeder Besucher einstellen müsse.

Sowohl seitens des Veranstalters als auch seitens der Zuschauer sei das Werfen von Süßigkeiten geradezu erwünscht und damit gewollt. Einzelne unglücklich herbeigeführte Verletzungen ließen sich dabei niemals völlig ausschließen. Auch sei vor einer Seniorenresidenz keine besondere Zurückhaltung der Werfenden gefordert. Gerade die Senioren rechneten eher mit großzügigen Würfen von Süßigkeiten aus den Wagen (AG Köln, Urteil v. 7.1. 2011, 123 C 254/10).

Ob am Rhein oder an der Mosel, keine Chance für Nörgler

Auch in älteren Entscheidungen hatten Personen, die durch Würfe von Gegenständen gelegentlich der Rosenmontagszüge verletzt wurden, vor Gericht keine Chance. So verweigerte das AG Eschweiler einem Zugbesucher die Zahlung von Schmerzensgeld, der durch eine geworfene Blume am Auge verletzt wurde (AG Eschweiler, Urteil v. 3.1.1986, 6 C 599/85). Ähnlich erging es an Rosenmontag einem Zugbesucher in Trier, dem ein Bonbon so zielgenau direkt in den geöffneten Mund geworfen wurde, dass durch die Wucht des in die Mundhöhle einfliegenden Geschosses ein Teil des vorderen Schneidezahns abbrach. Auch in der Moselmetropole hatten die Richter kein Mitleid mit dem Geschädigten und erteilten seinem Schmerzensgeldbegehren eine Abfuhr (LG Trier, Urteil v. 7.2.1995, 1 S 150/94).

Gut, wenn Kamellen die einzigen Gefahrenquellen bleiben

Fazit: Wer sich zu einem der Rosenmontagszüge begibt und sich bewusst den Gefahren durch herumfliegende Süßigkeiten aussetzt, der sollte anschließend nicht lamentieren. Angesichts der Sylvesterereignisse rund um den Kölner Hauptbahnhof erscheint das Risiko, beim Rosenmontagszug von umherfliegenden Süßigkeiten getroffen zu werden, als das deutlich geringere Übel. Man kann den Karnevalsfreunden und den Deutschen insgesamt nur wünschen, dass es zu den diesjährigen Karnevalsumzügen bei den Gefahren durch herumfliegende Kamelle und Schokoriegel bleibt.