Colours of law: Haarige Entscheidungen

Wenn der Friseur mit Schere und Chemikalien hantiert, ahnt der vertrauensvolle Kunde oft nichts von den drohenden Gefahren. Tatsächlich passieren bei der Arbeit am Kopf schlimme Unfälle bis hin zu lebenslanger Entstellung. Nicht selten landet das Ganze dann vor dem Kadi.

Eine gelungene Frisur hat für die meisten Menschen enorme Bedeutung. Das zeigt sich erst richtig, wenn die Frisur komplett misslingt und das Selbstbewusstsein des/der verunstalteten Person nachhaltig gestört ist. Ein Teenager – und nicht nur der - kann schon mal einige Tränen vergießen, wenn das schöne lange Haar entgegen den Vorstellungen viel zu stark gekürzt ist oder die Haarfarbe eine völlig andere ist, als geplant.

Der Friseur hat regelmäßig ein Recht zur Nachbesserung

Wie bei anderen Dienstleistungen gilt auch bei der Frisur: Entspricht das Ergebnis nicht den vereinbarten Leistungen, muss der Kunde dem Friseur die Möglichkeit geben, die Frisur nachzubessern - und das möglichst zeitnah. Ist die Frisur aber dermaßen verpfuscht, dass eine Nachbesserung nicht mehr möglich ist oder ist die Nachbesserung fehlgeschlagen, so sind Ansprüche auf Schmerzensgeld und Schadensersatz durchaus nicht ausgeschlossen. Nicht selten enden solche Fälle dann vor Gericht. Die in der Rechtsprechung entschiedenen Fälle sind vielfältig; nicht immer lässt sich eine klare Linie erkennen. Allerdings ist die Tendenz erkennbar, dass die Gerichte über die Jahre mit der Zuerkennung von Schmerzensgeld deutlich großzügiger geworden sind.

Kein Schmerzensgeld bei Verunstaltung einer Perücke

Eine Kundin war gezwungen, wegen einer total missglückten Dauerwelle eine Perücke zu tragen. Darauf verunstaltete der Friseur nach Einschätzung der Kundin auch noch die Perücke, so dass die Kundin sich über mehrere Tage nicht mehr aus dem Haus traute.

Für die psychische Belastung verlangte sie vom Friseur ein Schmerzensgeld, dass ihr das AG verweigerte. Begründung: Die Verunstaltung der Perücke sei kein Schaden am Körper der Kundin, sondern eben nur an der Perücke, so dass hierfür ein Schmerzensgeld nicht gerechtfertigt sei (AG Koblenz, Urteil v. 25.5.1990, 43 C 479/90).

Depressive Verstimmungen wegen missratenen Dauerwellen

Eine andere Kundin hatte einige Jahre später beim AG Hannover mehr Glück. Wegen einer missratenen Dauerwelle verurteilte das AG den Friseur zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 500 Euro. Das Gericht war der Auffassung, die Kundin habe wegen extrem kurz geschnittener Haare eine reaktive depressive Verstimmung erlitten. Angesichts des strapazierten und porösen Haares der Kundin hätte der Friseur diese nach Auffassung des Gerichts darauf hinweisen müssen, dass bei einer Dauerwellenbehandlung Haare vernichtet werden könnten (AG Hannover, Urteil v. 26.5.1994, 510 C 705/94).

Ähnlich urteilte das OLG Köln im Falle einer Dreifachbehandlung durch den Friseur. Dieser hatte eine Kundin eine Haarverlängerung empfohlen. Wegen der durch vorherige Dauerwellen und Färben stark strapazierten Haare, brach ein Großteil der Haare durch die infolge der Haarverlängerung entstandenen Belastungen ab, so dass der Kopf der Kundin nach der Behandlung praktisch kahl war. Sie musste monatelang eine Perücke tragen und litt psychisch erheblich unter der Verunstaltung. Das OLG sprach ihr ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.500 Euro zu (OLG Köln, Urteil v. 7.1.2000, 19 U 62/99)

Reklamationen spätestens am Folgetag

Eine Kundin, die sich erst knapp zwei Wochen nach der erfolgten Haarbehandlung bei ihrem Friseur beschwerte, weil die Frisur schon kurz nach der Dauerwelle zusammengefallen sei und außerdem die Farbe nicht dem Wunsch der Kundin entsprach, hatte bei Gericht kein Glück. Das AG war der Auffassung, dass im Fall einer fehlerhaften Frisur der Kunde spätestens am Folgetag reklamieren müsse, weil später das Verschulden des Friseurs nicht mehr hinreichend zu klären sei. Das AG wies die Klage auf Schmerzensgeld ab (AG Köln, Urteil v. 12.12.1995, 136 C 57/95).

Noch strenger urteilte das AG München hinsichtlich der Rügefrist. Das AG wies die Schmerzensgeldklage einer Frau ab, die wegen eines missratenen Haarschnitt seelische Schäden geltend machte. Der Friseur habe ihre Deckhaare viel zu kurz abgeschnitten. Das AG rügte, dass die Kundin den gesamten Schneidevorgang beobachtet und während dieser Prozedur nicht reklamiert habe. Ein Kunde, der beim Friseur erkenne, dass ein Schnitt in die falsche Richtung laufe, sei verpflichtet, den Friseur sofort darauf aufmerksam zu machen und die Vorgehensweise des Friseurs zu beanstanden. Wer wartet, bis der Friseur fertig ist und sich dann erst beschwert, der könne ein Schmerzensgeld nicht mehr verlangen (AG München, Urteil v. 7.10.2011, 173 C 15875/11).

Baseballmütze statt Haare

Eine fünfzehnjährige Schülerin erstritt wegen einer fehlerhaften Frisur ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.000 Euro. Sie hatte in dem Friseursalon ein Praktikum gemacht und erhielt als Belohnung eine Farbbehandlung. Anschließend fielen auf einer Fläche von 15 cm² die Haare aus. Ein Gutachter stellte fest, dass auf der gesamten Fläche keine Haare mehr nachwachsen würden. Das Gericht kam zu der Auffassung, der Friseur habe zu aggressive Farbmittel verwendet.

Außerdem stufte der Richter den Vorschlag des Friseurs, die Minderjährige solle in Zukunft dauerhaft eine Baseballmütze, als eine Verhöhnung der Schülerin ein, die er zum Anlass für eine Erhöhung des Schmerzensgeldes nahm (AG Erkelenz, Urteil v. 5.1.1994, 6 C 509/93). Darüber hinaus seien auch Folgeschäden wie Gutachterkosten, Reisekosten sowie die Kosten für einen weiteren Friseur zu ersetzen (AG Erkelenz, Urteil v. 7.5.2009, 8 C 351/08).

Kopfhaut nach Blondierung ruiniert

Das höchste bisher bekannt gewordene Schmerzensgeld nach einem Friseurbesuch erstritt eine junge Frau vor dem OLG Koblenz. Ein zu aggressives Haarfärbemittel und dessen fehlerhafte Anwendung führte zu einem partiellen Absterben der Kopfhaut einer Schülerin. Hierdurch entstanden kahle Stellen auf der Kopfhaut, die ein Leben lang bleiben. Die psychische Belastung der Schülerin und die schwere Beeinträchtigung ihres Persönlichkeitsrechts waren dem Gericht ein Schmerzensgeld in Höhe von 18.000 Euro wert (OLG Koblenz, Urteil v. 22.7.2013, 12 U 71/13).

Fazit: Augen auf beim Friseurbesuch! Dem Friseur auf die Finger schauen lohnt sich. Bei fehlerhaften Entwicklungen ist es sinnvoll, die Vorgehensweise des Friseurs sofort zu beanstanden. Führen Chemikalien zu dauerhaften Verletzungen, ist es selbstverständlich,auf Schmerzensgeld und gegebenenfalls auf Schadenersatz zu bestehen