Colours of law: Examensklausuren vorab verkauft

Manche Richter haben zwar eine weiße Krawatte, aber keine weiße Weste. Ergebnis war in einem Fall eine spektakuläre Verhaftung in einem Mailänder Nobelhotel: Eine junge Rumänin, 30.000 Euro - wohl aus dem Verkauf von Klausurlösungen - und eine Pistole hatte der 48-jährige Richter, Unidozent und Referatsleiter des Niedersächsischen Justizministeriums bei der Festnahme in Italien bei sich. Jetzt zittern seine Kunden.

Habe studiert Juristerei und einen bösen Pakt geschlossen. Rückblende: Erste Verdachtsmomente tauchten im Jahr 2013 auf. Ein Wiederholer des zweiten juristischen Staatsexamens erbrachte in einer Klausur fulminante Leistungen, die sich völlig von seinem sonstigen Leistungsstand abhoben. Die darauf eingeleiteten Ermittlungen wurden jedoch wieder eingestellt.

Examensklausur zum Kauf angeboten

Im Januar 2014 meldete sich eine Referendarin telefonisch im Landesjustizministerium in Niedersachsen und teilte mit, ihr sei eine Examensklausur zum Kauf angeboten worden. Hierauf nahm die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen wieder auf.

Verdächtiger war Festredner bei Examensfeiern

Die Geheimhaltung von Examensklausuren unterliegt in etwa einem gleich strengen Maßstab wie Staatsgeheimnisse. Nur wenige Personen haben vor dem Examenstermin Zugang zu den Klausurtexten. Der hierdurch sehr begrenzte in Frage kommende Personenkreis führte schnell zur Verdächtigung eines 48-jährigen Referatsleiters, der früher als Repetitor tätig war, dann als Richter am Amtsgericht Dannenberg und schließlich als Referatsleiter im Landesjustizprüfungsamt in Celle. Pointe: Der Richter war als sehr guter Redner bekannt, der gerne die Festreden bei Examensfeiern hielt.

Klausuren gegen Bares

Der derzeitige Verdacht geht dahin, dass der Richter speziell Examenswiederholern Klausuren zum Kauf angeboten hat und hierfür keineswegs nur Kleingeld sondern für eine Klausur mehrere Tausend Euro verlangt hat. Der Anruf der Referendarin deutet im übrigen darauf hin, dass in den Verkauf noch ein Repetitor eingeschaltet war, gegen den ebenfalls ermittelt wird. 

Wurde der Richter gewarnt?

Am 26.03.2014 durchsuchte die Staatsanwaltschaft die von dem Richter benutzten Büroräume, ein Tag später erging Haftbefehl. Wiederum ein Tag später befand sich der Richter bereits auf der Flucht. Nachdem zunächst spekuliert wurde, der Richter sei aus dem Ministerium gewarnt worden, geht die Staatsanwaltschaft inzwischen davon aus, dass der Richter bei dem Anruf der Referendarin anwesend war und hierdurch von den Ermittlungen gegen ihn wusste.

Nobel geht das Amt zugrunde

Im Nobelhotel „Porta Romana“ in Mailand, in dem der Richter unter seinem richtigen Namen eingecheckt war, wurde er aufgrund internationalen Haftbefehls festgenommen.

Mehrere Bundesländer betroffen

Es ist davon auszugehen, dass von dem Korruptionsfall nicht nur niedersächsische Examina erfasst sind. Im Ringtausch hat Niedersachsen mit anderen Bundesländern Examensarbeiten getauscht, so dass mehrere Bundesländer betroffen sein können.

Allein das Justizministerium in Niedersachsen muss die Examina von ca. 2.000 Assessorexamen seit dem Jahre 2011 sichten, wobei in jedem Examen mehrere Klausuren zu prüfen sind. Hierfür hat das Justizministerium bereits eine Sonderkommission eingesetzt. 

Assessorexamen können aberkannt werden

Betroffene Prüflinge müssen fürchten, dass bei Aufdeckung eines Betrugsversuchs ihnen das komplette Staatsexamen aberkannt wird. Wenn ein Prüfling in einer von acht Klausuren getäuscht hat, so wirkt sich das nach Auffassung des Justizministeriums verzerrend auf das Gesamtergebnis aus. In einem solchen Fall werde die komplette Prüfung aberkannt. Außerdem könnte gegen den betreffenden Prüfling ein Strafverfahren wegen Bestechung eingeleitet werden.

Justizministerin in der Kritik

Der Vorsitzende des Niedersächsischen Richterbundes Andreas Kreuzer bezeichnete den Vorfall als „absoluten Einzelfall“. Etwas Vergleichbares sei ihm bisher nicht untergekommen. Die niedersächsische CDU versucht bereits politisch Kapital aus der Affäre zu ziehen. Ihr parlamentarischer Geschäftsführer Jens Nacke betrachtet die grüne Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz als „Problemfall“ für die Regierung. Sie scheue sich davor, in der Öffentlichkeit klar Stellung zu beziehen und halte sich lieber im „Hinterzimmer“ auf. Hätte sie auf Plätzen und in Straßen etwas verhindern können?

Drohende Klausurenkauf-Bonmots gegenüber frisch gebackenen Assessoren

Der Fall könnte noch weite Kreise ziehen, da zurzeit völlig unklar ist, wie viele Examina betroffen sind. Die betroffenen Assessoren können auf das Ergebnis der Ermittlungen äußerst gespannt sein.  Mit Sicherheit droht nun - nach dummen Doktor-Witzen - eine Welle von Klausurenkauf-Bonmots gegenüber frisch gebackenen Assessoren.

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