Colours of law: Der Fall Amanda Knox

Am Anfang stehen eine Vergewaltigung und ein grausamer Mord. Es gibt 3 Verdächtige. Die polizeilichen Ermittlungen führen zu widersprüchlichen Ergebnissen. Es folgt ein Indizienprozess. Der endet mit einer Verurteilung, die von der nächsten Instanz wieder kassiert wird. Eine traurige, eine internationale und eine endlose Geschichte aus Italien.

Das ist der Stoff, aus dem Justizthriller gemacht werden. Das ist aber auch ein Stoff, der im Leben tatsächlich passiert. Beispiel: Der Fall Amanda Knox. Am 1. November 2007 ist die britische Studentin Meredith Kercher in Umbrien in dem Städtchen Perugia brutal vergewaltigt, mit durchschnittene Kehle und 47 Stichwunden  am Körper aufgefunden worden war. Raubmord, Sexualverbrechen oder beides? Oder eine Straftat ausgelöst durch eine Auseinandersetzung unter Studentinnen? Das waren mögliche Tatvarianten.

Erst verurteilt, dann freigesprochen, dann wieder verurteilt

Amanda Knox, die Mitstudentin, die mit der Ermordeten in einer Wohngemeinschaft gelebt hatte und ihr damaliger Freund, Raffaele Sollecito, gerieten ins Visier der Ermittlungsbehörden. Die Ermittlungen endeten mit einem Schuldspruch vor dem italienischen Strafgericht.

28,5 Jahre Haft verhängten die Richter gegen die inzwischen in der Presse zu einem „Engel mit den Eisaugen“ aufgebauten junge Frau. Ihr damaliger italienischer Freund Raffaele Sollecito wurde zu 25 Jahren Haft verurteilt. Vier Jahre saß Amanda Knox im italienischen Gefängnis, bevor das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil aufhob und Sollecito und sie im Jahr 2011 freisprach. In ihrer Heimatstadt Seattle arbeitet sie inzwischen als Reporterin und hat bereits ihre Memoiren geschrieben. Nach Presseberichten soll sie hierfür 4 Millionen Dollar vom Verlag erhalten haben.

Der Freispruch hatte keinen Bestand

Das italienische Kassationsgericht hob auf Antrag der StA im Jahr 2013 die Freisprüche auf und ordnete die Durchführung eines neuen Prozesses an. Dieser Prozess endete 2014 mit einer erneuten Verurteilung von Knox und Sollecito. Über die hiergegen eingelegten Rechtsmittel verhandelt zur Zeit wieder das Kassationsgericht in Rom.

Einen Freispruch halten Beobachter für eher unwahrscheinlich. Als realistischer werden eine Bestätigung der Verurteilung durch das Kassationsgericht oder die Anordnung eines erneuten Prozesses angesehen. Das in Italien viel beachtete Justizdrama könnte also nochmals weitergehen.

Ein anderer Täter sitzt ein

Ein dritter Täter sitzt bereits seit einigen Jahren wegen der Tat. Der psychisch verwirrte Rudy Guede hatte die Tat gestanden und die Verurteilung in einem so genannten Kurzverfahren mit Strafminderung gewählt. Guede hatte kurz vor der Tat mehrere Wohnungen überfallen und befand sich zur Tatzeit am Tatort. Aufgrund seines Geständnisses und der vorliegenden Indizien wurde er vom Strafgericht wegen Tötung der Studentin zu 16 Jahren Haft verurteilt.

Vier Jahre "Italoknast" sind genug?

Amanda Knox verfolgt den Prozess aus vermeintlich sicherer Warte von Seattle aus. In der amerikanischen Presse gilt sie überwiegend als unschuldig. Sie hat auch erklärt, freiwillig nicht mehr nach Italien zu reisen, solange dort die Gefahr ihrer Inhaftierung besteht. Auf keinen Fall will sie nochmal im Italogefängnis schmoren.

Entspricht Prozessführung in Italien nicht amerikanischen Anforderungen an ein rechtstaatliches Verfahren?

Sollte das Kassationsgericht die Verurteilung bestätigen, so könnte sich ein schwieriger Rechtsstreit zwischen Italien und den USA über eine mögliche Auslieferung von Knox anschließen. Der US-Anwalt von Knox hat bereits öffentlich erklärt, dass die Prozessführung in Italien nicht den Anforderungen an ein rechtstaatliches Verfahren nach US-amerikanischem Recht entspräche. Eine Auslieferung komme deshalb nicht in Betracht. Tatsächlich liefern die USA in solchen Fällen US Bürger nur in absoluten Ausnahmefällen aus. Die Chancen, einer möglichen Inhaftierung zu entkommen, stehen für Amanda somit gut. Ihr damaliger Freund hat da schlechtere Karten. Er hat demonstrativ dem Verfahren vor dem Kassationsgericht beigewohnt. Sollte die Verurteilung bestätigt werden, so droht ihm die sofortige Haftanordnung.

Jede Menge Bücher über einen morbiden Kriminalfall

Die Familie der ermordeten Meredith Kercher hofft auf ein endgültiges Ende des langjährigen Prozesses durch Bestätigung der Verurteilung. Der Vater, John Kerscher, hat das Verfahren wie Knox zum Anlass genommen, ein Buch über die „Herzzerreißende Suche nach der Wahrheit“ zu schreiben. Auch er hat damit Geld verdient. Da konnte es nicht ausbleiben, dass auch Sollecito sich als Schriftsteller verdingte und eine Abhandlung über den „Weg in die Hölle und zurück“ geschrieben hat.

Als morbide bezeichnen Italiener Kriminalfälle, die besonders grausam ausgeführt wurden und hinter denen sich menschliche Tragödien verbergen. Eine nicht ganz unpassende Bezeichnung für einen Rechtsfall, der jedenfalls eine äußerst dunkle Seite der Beteiligten zum Vorschein bringt und in dem es dem Rechtssytem und den Gerichten nicht gelingen will, die wirklichkeitsgetreuen Farben und Konturen des Falles klar herauszuarbeiten, um der Wahrheit auf die Spur zu kommen.

Wie auch immer die Entscheidung des Kassationsgericht aussehen wird, die Spekulationen über das, was wirklich geschah am 1. November 2007 in Perugia, werden auch nach dem 5. Urteil in dem Justizthriller wohl nicht aufhören.

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