Colours of law: Das BGB- ein bemerkenswertes Buch

Das Bürgerliche Gesetzbuch stammt aus einer Zeit, in der noch keine Autos fuhren und in der kein Mensch sich so etwas wie das Internet überhaupt vorstellen konnte. Und dennoch bestimmen die Regeln des BGB auch heute noch den kompletten modernen Rechts- und Geschäftsverkehr.

Das BGB regelt (fast) alles

Bedeutung hat das Gesetzeswerk für jedermann. Ob Hauskauf, ob Heirat oder Scheidung, ob Kindessorge, Erbfall, die Bestellung eines Computers bei eBay oder eine unerlaubte Veröffentlichung privater Fotos im Netz - bei allem spielt das BGB eine Hauptrolle und hat größte Auswirkungen bis in die privaten Lebensbereiche der Bundesbürger.

BGB diente vielen Staaten als Vorbild

Aber nicht nur für die Deutschen hat das BGB eine große Bedeutung. In Japan, in der Schweiz, in Thailand, in der Türkei (dort Kodifikation der Schweizer Vorbild), in China, in Südkorea und in den Niederlanden - in all diesen Ländern wurden Teile des BGB übernommen oder diente das BGB als Vorlage für die Kodifikation eines eigenen zivilen Gesetzbuches. Das griechische ZGB ist eine fast vollständige Übernahme des deutschen BGB.

Anfangs fehlte die Gesetzgebungskompetenz des Deutschen Reiches

Woher kommt diese Regelungskraft des deutschen Gesetzeswerks? Die Anläufe zur Schaffung eines für ganz Deutschland geltenden BGB waren durchaus holprig. Im Jahre 1874 erstellte eine „Vorcommission“ ein Gutachten „Über Plan und Methode für die Aufstellung des Entwurfs eines deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches“, nachdem unter Mühen durch eine weitreichende Verfassungsänderung am 20.12.1873 die Gesetzgebungskompetenz des Deutschen Reiches für das gesamte bürgerliche Recht, das Strafrecht und das gerichtliche Verfahren geschaffen wurde.

BGB fußt auf römischen Rechtsgrundsätzen

Die darauf eingesetzte erste Kommission zur Ausarbeitung eines Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuches bestand aus Richtern, Ministerialbeamten und Vertretern der Rechtswissenschaft. Die Kommission tagte in einem Hinterhaus der Berliner Reichskanzlei. Der Reichskanzler Otto von Bismarck hatte die hinteren Fenster zum Park zumauern lassen, damit die von ihm wenig geschätzten Rechtsgelehrten ihn nicht beim Spazierengehen beobachten konnten. Ziel der Kommission war es,

  • den Gesamtbestand des in Deutschland geltenden Privatrechts auf„Zweckmäßigkeit, innere Wahrheit und folgerichtige Durchführung“ zu untersuchen
  • und aus den gewonnenen Erkenntnissen ein neues Gesetzeswerk zu zimmern.

Zu den Vertretern der Rechtswissenschaft gehörte der berühmte Rechtswissenschaftler Bernhard Windscheid, der entscheidend dazu beitrug, dass die Kommission sich für die Übernahme des Pandektensystems Arnold Heises und auch der Lehren des im Jahre 1861 verstorbenen Rechtsgelehrten Friedrich Carl von Savigny, im Grundsatz eine Zusammenfassung römischer Rechtsgrundsätze, entschieden hat.

Dem ersten Entwurf fehlte „ein Tropfen sozialistischen Öls“

Der schließlich vorgelegte Entwurf stieß in der deutschen Öffentlichkeit auf heftige Kritik.

  • Der Rechtsgelehrte Otto von Gierke bemängelte einen zu hohen Abstraktionsgraddes Gesetzeswerks und eine fehlende Volkstümlichkeit. Er vermisste einen „Tropfen sozialistischen Öls“.
  • Die bürgerliche Frauenbewegung kritisierte die patriarchalischen Bestimmungen des Familienrechts.

Der Entwurf drohte fast in den Schubladen der Reichskanzlei zu verstauben, als der umtriebige Staatssekretär Hermann von Schelling die Einsetzung einer zweiten Kommission durchsetzte, in der nicht nur zur Abstraktion neigende Rechtsgelehrte, sondern auch angesehene Bürger wie ein Oberforstmeister und ein Gutsbesitzer mit von der Partie waren. In kürzester Zeit wurde der Entwurf umgeschrieben und insbesondere mit dem von dem Rechtsgelehrten von Gierke geforderten sozialistischen Öl versehen. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Mietrecht.

Die zunächst im Entwurf vorgesehenen Bestimmung. „Kauf bricht Miete“ verkehrte man kurzerhand in ihr Gegenteil und machte daraus „Kauf bricht nicht Miete“.

Hasendebatte im Reichstag

Später im Reichstag drohte der Entwurf an kleinlichen Auseinandersetzungen zu scheitern. Berühmt wurde die so genannte „Hasendebatte“. Die Verabschiedung des BGB wäre fast an der Frage gescheitert, ob die Haftung für durch Rehe, Hirsche und Fasane angerichtete Flurschäden auch auf Hasen ausgedehnt werden soll.

Trotz solcher kleinlicher Reibereien kam es am 14.7.1896 bei tropischer Hitze im Reichstag zur Verabschiedung von sämtlichen einzelnen 2385 Paragraphen, die im Minutentakt sämtlich einzeln abgehakt wurden.

Als das Ganze durch war, notierte das Protokoll das Entstehen einer „albernen Heiterkeit unter den Abgeordneten“. In Kraft trat das BGB über drei Jahre später am 1.1.1900, noch unter dem letzten deutschen Kaiser Wilhelm II.

Im Grundsatz hat die ursprüngliche Fassung bis heute Bestand

Die Erklärung dafür, dass ein so weitreichendes Gesetzeswerk aus der Kaiserzeit sich bis in die heutige Zeit halten konnte, sehen manche in der anfangs kritisierten Abstraktheit der Regelungen und der Verwendung einer größeren Anzahl von Generalklauseln, die das BGB so robust gegen politische, aber auch technische Veränderungen gemacht haben.

Mit einem § 138 BGB, der die Sittenwidrigkeit von Rechtsgeschäften regelt, konnte man unter der Nazidiktatur allerdings auch begründen, dass Rechtsgeschäfte mit Juden sittenwidrig sind, weil sie der allgemeinen Volksauffassung widersprechen (Karl Larenz: „Nur der Volksgenosse ist Rechtsgenosse“).

Natürlich hatte das BGB als stark von liberalen Grundideen beeinflusstes Regelwerk auch Schwächen, die später durch Zusatzgesetze wie beispielsweise das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, andere Verbraucherschutzgesetze oder die Reform des Scheidungsrechts korrigiert wurden. Gleichwohl gelten die wesentlichen Grundsätze des ursprünglichen BGB bis heute.

Alles in allem kann man den Machern eine enorme Weitsicht bei der Formulierung des Gesetzeswerks wohl nicht absprechen.

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