Colours of law: Blasphemie - auch heute noch mit Strafe bedroht!

Nicht nur der Straftatbestand der Majestätsbeleidigung ist antiquiert, auch der immer noch existente Straftatbestand der Blasphemie mutet heute etwas angestaubt an. Die Verunglimpfung einer Religionsgemeinschaft oder des Papstes sind aber auch heute noch strafbar.

Ein pensionierter Lehrer wurde vor einigen Wochen wegen Blasphemie von einem Strafgericht verurteilt. Hoch war die Strafe allerdings nicht. Eine Verwarnung mit der Auflage, 500 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zu zahlen, das Ganze verbunden mit einer Geldstrafe in Höhe von 3.000 Euro, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Majestätsbeleidigung in aller Munde

In Zeiten, in denen der Straftatbestand der Majestätsbeleidigung wegen des durch den türkischen Staatspräsidenten Erdogan gestellten Strafverlangens in aller Munde ist und heiß diskutiert wird, ein bemerkenswertes Urteil, das Anlass zu der Frage gibt, ob denn der Blasphemieparagraph noch zeitgemäß ist.

Cooles Spruchtaxi, um den Papst zu ärgern

Der verurteilte pensionierte Lehrer hatte im Laufe seines Lebens mehr und mehr Aggressionspotenzial gegen die katholische Kirche entwickelt. An seiner angestauten Wut wollte er seine Umwelt teilhaben lassen und entschloss sich, sein privates Kfz zu einem „Spruchtaxi“ umzufunktionieren. In regelmäßigen Abständen von vier Wochen versah er sein Fahrzeug mit wechselnden kritischen Sprüchen über Papst und Kirche und fand es irgendwie cool.

Die „Papstsau Franz“ umbringen

Bei der Auswahl der Sprüche war der ehemalige Lehrer allerdings nicht zimperlich. Einem Passanten und zwei Polizisten waren besonders zwei Sprüche ein Dorn im Auge: „Wir pilgern mit Martin Luther, auf nach Rom. Die Papstsau Franz umbringen. Reformation ist geil – Papst umbringen“ und „Kirche sucht moderne Werbeideen. Ich helfe. Unser Lieblingskünstler: Jesus – 2000 Jahre rumhängen. Und noch immer kein Krampf!“.

Religionsgemeinschaften genießen besonderen Schutz

Die beiden Polizisten und der Passant erstatteten Strafanzeige wegen Verunglimpfung der christlichen Religion und des katholischen Kirchenoberhaupts. Damit gelangt man von der Diskussion um den angestaubten Majestätsbeleidigungsparagraphen 103 StGB unweigerlich zum ebenfalls nicht besonders modernen Blasphemieparagraphen 166 StGB.

Hiernach wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer, eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgemeinschaft in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Die Störung des öffentlichen Friedens ist hier eine zusätzliche Hürde für eine Bestrafung, die im  Majestätsbeleidigungsparagraphen fehlt.

Ein Frontalangriff auf das Bekenntnis der Gläubigen

Nur selten ist der Blasphemieparagraph in den letzten Jahren zur Anwendung gekommen. Das AG Lüdinghausen hat sich aber nun auf diese Vorschrift besonnen und den pensionierten Lehrer für seine Kfz-Parolen wegen Blasphemie verurteilt. Das AG sah in dem Verhalten des ehemaligen Lehrers eine Beschimpfung der christlichen Kirche.

Die Amtsrichterin hielt dem Angeklagten vor: „Was Sie taten, ist strafbar, das hätten Sie wissen können. Gerade der Papst und das Kreuz sind zentrale Elemente des katholischen Glaubens.“ Der Angriff auf diese zentralen Punkte war nach Auffassung der Amtsrichterin auch geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören. Gläubige hätten einen Anspruch auf gesellschaftliche Toleranz und auf Respekt vor dem Bekenntnis, von dessen Richtigkeit sie überzeugt sind. Demgegenüber habe der Angeklagte dem Kirchenoberhaupt das „Lebensrecht aberkannt“ und damit das Vertrauen der Gläubigen auf den Schutz ihrer Religion und deren Vertreter massiv verletzt.

Amtsgericht lehnt Kunstprivileg bei Blasphemie ab

Die Amtsrichterin zeigte auch kein Verständnis für die Einlassung des Angeklagten, er habe die Öffentlichkeit auf Missstände in der Kirche hinweisen wollen. Dies habe er in der kunstvollen Form von besonderen Sprüchen getan, mit denen er sich im übrigen an überlieferte Äußerungen Martin Luthers angelehnt habe.

Der pensionierte Lehrer reklamierte für sich daher den verfassungsrechtlichen Schutz der Kunstfreiheit. Die Richterin erklärte hierzu nur kurz und bündig, sie könne in solchen Äußerungen keine Kunst erkennen. Der Meinungsfreiheit seien Grenzen gesetzt. Eine davon markiere § 166 StGB. Daran habe man sich zu halten. Der Lehrer will das Urteil nicht hinnehmen und hat Rechtsmittel angekündigt.

(AG Lüdinghausen, Urteil v. 25.2.2016, 9 Ds-81 Js3303/15- 174/15).

Mit der gesellschaftlichen Toleranz ist das so eine Sache

Im Hinblick auf die aktuelle Diskussion über Freiheit der Satire ist das Urteil äußerst interessant. Die Affäre Erdogan/Böhmermann zeigt, dass die Gesellschaft inzwischen einiges gewohnt ist und es in ihrer Mehrheit für tolerabel hält, wenn in einer Satire-Sendung ein Staatsoberhaupt im Zusammenhang mit Sodomie und Pädophilie genannt wird.

Allerdings ist nicht zu verkennen, dass die Gesellschaft auf die Beleidigung oder Verunglimpfung von Repräsentanten unterschiedlicher religiöser oder politischer Gemeinschaften höchst unterschiedlich reagiert. Äußerungen, die bei der katholischen Kirche hingenommen und von einigen gar beklatscht werden, könnten ganz schnell anders beurteilt werden, wenn beispielsweise Vertreter der jüdischen Religionsgemeinschaft betroffen wären.

Auch der Theologe Luther war nicht zimperlich

Aufschluss gewährt auch ein Rückblick in die Historie. Schon im Mittelalter war man verbal bei der Verunglimpfung anderer nicht gerade zimperlich. Der von dem Angeklagten ins Spiel gebrachte Theologe Martin Luther bietet ein gutes Beispiel. Den Papst beschimpfte er als leibhaftigen Teufel. Er empfahl

„dem Papst und der Kurie die Zungen hinten zum Hals heraus(zu)reißen und sie mit Siegel und den päpstlichen Bullen der Rangordnung nach an den Galgen (zu) nageln“.

Verglichen mit den Sprüchen des pensionierten Lehrers sind die Worte Luthers nicht weniger handfest . Besonders empfindsame Wesen wie der türkische Staatspräsident hätten sich in dieser Zeit wahrscheinlich nicht lange mit vergleichsweise harmlosen Beleidigungsklagen aufgehalten - da konnte man schärfere Schwerter ziehen.

Verstaubtes sollte entfernt werden

Sowohl der Majestätsbeleidigungsparagraph als auch der Blasphemieparagraph gehören eigentlich die Mottenkiste der Geschichte, wobei nicht verkannt werden soll, dass gerade § 103 StGB (Majestätsbeleidigung) erst im Jahr 1953 unter der Ägide des Bundeskanzlers Konrad Adenauer vom Parlament bewusst wieder in Kraft gesetzt wurde, um ausländische Staatsgäste und Staatslenker vor unerwünschten kritischen Presseäußerungen zu schützen.

Daher auch die ungewöhnliche, vom Gesetz der Politik überlassene Entscheidungshoheit über die Freigabe der Strafverfolgung. Die moralische Enge der Adenauerzeit ist heute aber Geschichte. Dies sollte auch für Gesetze gelten, die diesen Geist noch atmen.

Souveränität zeigt sich auch in der Unangreifbarkeit

Wer die Meinungsfreiheit als besonders wichtigen, demokratiestiftenden Wert propagiert, muss in der Lage sein, auch mal eine abschätzige Bemerkung auszuhalten, auch wenn die Äußerung geschmacklich in die Schmuddelecke  gehört. Geschmäcker sind nun mal verschieden und Bewertungen sind es ebenso - und die Demokratie lebt nun mal von der Verschiedenartigkeit.

Wer innerlich und äußerlich souverän ist - sei es nun ein einfacher Politiker, ein Staatsoberhaupt oder gar der Papst -, an dem sollten Schmuddelkritiken abprallen, ohne gravierende Spuren zu hinterlassen.

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