Colours of law: „Alter Mann“ ist keine Beleidigung

Nach einer Entscheidung des OLG Hamm bedeutet die Bezeichnung „Alter Mann“ keine Herabwürdigung, mit welcher dem so Bezeichneten sein personaler oder sozialer Geltungswert abgesprochen und seine Minderwertigkeit zum Ausdruck gebracht wird.

Dieser Tenor einer Entscheidung des 1. Strafsenats des OLG Hamm betrifft einen gemeingefährlichen Täter, der sein männliches Opfer auf brutale Weise verprügelt hatte, den am Boden Liegenden mit den Arbeitsschuhen getreten und seinem Opfer Prellungen am gesamten Oberkörper beigebracht hatte. Nach den Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts hatte der Angeklagte die Schläge und Tritte in den Rippenbereich auf den am Boden Liegenden fortgesetzt, bis ein auf seinem Balkon befindlicher Nachbar dem Angeklagten drohte, die Polizei zu verständigen. Der Täter bezeichnete sein Opfer dann noch als „Opa“ bzw. als „Alter Mann“ und ließ schließlich von ihm ab.

AG sieht einen Willen des Täters zur Herabwürdigung seines Opfers

Erstinstanzlich wurde der Angeklagte wegen dieser Taten mit einer Einzelstrafe von 8 Monaten Freiheitsstrafe belegt. Die Verurteilung erfolgte wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 StGB in Tateinheit mit Beleidigung (§ 185 StGB), wobei dem Angeklagten im Wege der Wahlfeststellung lediglich die Bezeichnung „Alter Mann“ (nicht: „Opa“) zugerechnet wurde. Das AG bewertete diese Äußerung erstinstanzlich als eine Beleidigung im untersten Bereich denkbarer beleidigender Äußerungen. Die Äußerung beinhalte zwar auch eine Tatsachenfeststellung hinsichtlich des Alters des Opfers, lasse im Gesamtzusammenhang aller auch den Willen des Täters erkennen, sein Opfer verächtlich zu machen und herabzuwürdigen.

Beleidigung nur bei abwertender Konnotation

Der Täter akzeptierte seine Verurteilung nicht und legte gegen das Urteil Berufung ein. Den Verwerfungsbeschluss des LG focht der Verurteilte schließlich mit der Revision an und rügte insbesondere die Verurteilung wegen des Beleidigungstatbestandes. Tatsächlich hielt das OLG die Revision insoweit für begründet. Nach Auffassung des Senats ist die Bezeichnung als „Alter Mann“ grundsätzlich als Tatsachenbehauptung zu werten, die in ihrem allgemeinen Verständnis wertneutral sei. Als Beleidigung könne eine solche Bezeichnung nur dann qualifiziert werden, wenn eine über die bloße Kennzeichnung hinausgehende abwertende Konnotation hinzu komme. Als Beispiel hierfür verwies der Senat auf die Bezeichnung „Homosexueller“, die für sich genommen ebenfalls keine Beleidigung sei. Anders verhalte es sich dagegen mit der Titulierung als „Warmer Bruder“, die ein abwertendes Element beinhalte.

„Alter Mann“ bedeutet keine Minderwertigkeit

Auf der Grundlage dieser Differenzierung kam der Senat zu dem Ergebnis, dass die Bezeichnung „Alter Mann“ im Hinblick auf das tatsächlich fortgeschrittene Lebensalter des Opfers für sich noch keine persönliche Herabsetzung des Opfers bedeute und ihm durch diese Bezeichnung auch der soziale Geltungswert nicht abgesprochen werde. In Anbetracht der Gesamtumstände liege die Titulierung als „Alter Mann“ zwar an der Grenze zur Herabstufung des Opfers als minderwertige Person, da keine weiteren abwertende Äußerung hinzugekommen sei, sei diese Grenze im konkreten Fall aber nicht überschritten worden. Weitere Umstände, die den abwertenden Charakter der Äußerung begründen könnten, seien nicht ersichtlich.

Revision teilweise erfolgreich

Im Ergebnis änderte der Senat mit dieser Argumentation den erstinstanzlichen Schuldspruch im Hinblick auf die Verurteilung wegen Beleidigung. Allerdings: Der Täter hatte hiervon im Ergebnis rein gar nichts. Nach Auffassung des Senats ließ der Wegfall der tateinheitlichen Verurteilung wegen Beleidigung den Einzelstrafenausspruch von 8 Monaten Freiheitsstrafe unberührt, da diese ohnehin bereits am unteren Rand des Strafrahmens des § 224 Abs. 1 StGB (Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 10 Jahren) angesiedelt sei. Auch im Hinblick darauf, dass der Täter die Tat während einer laufenden Bewährungszeit begangen habe, sei für eine Herabsetzung der Strafe keinen Raum.

Keine Gründe für eine Herabsetzung der Strafe

Das OLG warf dem Verurteilten vor, in seiner Tatbegehung besonders brutal und unnachgiebig gewesen zu sein und selbst auf die Zurufe des Nachbarn zunächst nicht reagiert und seine Tritte gegen das am Boden liegende Opfer fortgesetzt zu haben, bis der Nachbar drohte, er werde die Polizei verständigen. Angesichts dessen sei die von der Vorinstanz verhängte Strafe als äußerst niedrig zu bewerten. Der Senat veränderte daher die verhängte Strafe nicht.

Die Kosten trägt der Angeklagte

Darüber hinaus blieb der Verurteilte auch komplett auf seinen Kosten sitzen. Nach Auffassung des Senats war der Erfolg der Revision so geringfügig, dass es trotz des teilweisen Erfolgs der Revision unangemessen gewesen wäre, den Staat einen Anteil der Kosten des Rechtsmittels tragen zu lassen.

 

Fazit: Außer Spesen nichts gewesen! Nicht immer bringt der formale Erfolg eines Rechtsmittels auch praktischen Gewinn. Und: Wer von der Justiz für die Begehung gemeingefährlicher Straftaten so milde bestraft wird wie im vorliegenden Fall, der sollte die formalen Möglichkeiten, Rechtsmittel einzulegen, nicht überziehen. Zwischen den Zeilen lässt der Beschluss des OLG deutlich erkennen: Hätte sich die StA dem Rechtsmittel angeschlossen, wäre durchaus auch eine deutliche Verschärfung der als sehr milde empfundenen erstinstanzlichen Strafe denkbar gewesen.

 

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