
Gegen das Auswahlverfahren für die Zulassung zum BGH hat ein Rechtsanwalt Verfassungsbeschwerde erhoben. Er sah sich dadurch in seiner Berufsausübungsfreiheit beeinträchtigt. Das BVerfG hat die Beschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Es hatte das Auswahlverfahren und die Zulassungsbeschränkung schon früher abgesegnet und sah keine neuen Argumente.
- Der Anwalt nahm als Bewerber am Wahlverfahren für die Zulassung als Rechtsanwalt bei dem Bundesgerichtshof teil.
- Vom zuständigen Wahlausschuss wurde er jedoch nicht auf die 16 Rangplätze umfassende Wahlliste aufgenommen,
- die dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz zur Entscheidung über die Zulassung vorgelegt wurde.
Rechtsanwalt rügt Verletzung seiner Berufsfreiheit
Zunächst erhob der Anwalt Klage gegen den Wahlausschuss beim BGH. Die wies der Bundesgerichtshof ab. Mit seiner anschließenden Verfassungsbeschwerde rügte der Anwalt insbesondere eine Verletzung seiner Berufsfreiheit.
Berufsfreiheit ist nicht tangiert
Das Wahlverfahren ist allerdings bereits mehrfach vom Bundesverfassungsgericht überprüft worden. Es wurde nun auch von dieser neuerlichen Beschwerde nicht überzeugt.
- Unter Berücksichtigung des Einschätzungs- und Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers,
- der auch für die Frage der Erforderlichkeit und der Angemessenheit einer Berufsausübungsbeschränkung gilt,
- sind nach Meinung der Bundesverfassungsrichter im vorliegenden Fall keine hinreichend substantiierten Anhaltspunkte dafür vorgetragen,
- dass das in §§ 164 ff. BRAO geregelte Wahlverfahren verfassungswidrig sein könnte.
- Auch soweit der Beschwerdeführer mit seiner Verfassungsbeschwerde die konkrete Auslegung und Anwendung der §§ 164 ff. BRAO rügt, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig. Die Möglichkeit einer Verletzung der Berufsausübungsfreiheit wurde nicht substantiiert aufgezeigt, monierte das Bundesverfassungsgericht.
Keine hinlängliche Auseinandersetzung mit der Begründung der BGH
Gelange das zuständige Gericht – hier der Bundesgerichtshof - zu einer Bestätigung der Wahl, habe das Bundesverfassungsgericht neben der verfassungsrechtlichen Prüfung der für die Wahl maßgeblichen Vorschriften lediglich nachzuprüfen, ob die Beurteilung der gerügten Wahlfehler durch das zuständige Gericht mit spezifischem Verfassungsrecht vereinbar sei.
Vorliegend fehle bereits die dafür erforderliche vertiefte Auseinandersetzung mit der Begründung des Bundesgerichtshofs und der einschlägigen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung.
Zusammensetzung des Wahlausschusses nur oberflächlich kritisiert
Die Möglichkeit eines Verstoßes gegen die anwaltliche Selbstverwaltung ist auf der Grundlage des Vortrags des Anwalts zu der konkreten Zusammensetzung des Wahlausschusses ebenfalls nicht gegeben, befanden die Karlsruher Richter.
Das alleinige Vorschlagsrecht für die zu ernennenden Rechtsanwälte bei dem Bundesgerichtshof liegt nach § 166 Abs. 2 BRAO in den Händen der Rechtsanwaltskammern.
- Die jeweilige Anzahl der Richter und Rechtsanwälte im Wahlausschuss
- ergibt sich gemäß § 165 Abs. 1 BRAO aus der jeweils aktuellen Zahl der Zivilsenate des Bundesgerichtshofs
- und der aktuellen Zusammensetzung der Präsidien der Bundesrechtsanwaltskammer und der Rechtsanwaltskammer beim Bundesgerichtshof.
Diese Zahlen sind mithin veränderlich. Warum der Umstand, dass an der konkreten Entscheidung mehr Richter als Rechtsanwälte beteiligt waren, den Beschwerdeführer in seiner Berufsfreiheit verletzen könnte, ist laut der Karlsruher Verfassungsrichter weder ausreichend dargelegt worden noch sonst ersichtlich.
(BVerfG, Beschluss vom 13.6.2017, 1 BvR 1370/16)
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Hintergrund:
Warum das BVerfG das Auswahlverfahren für zulässig hält
"Zwar hat der Gesetzgeber dem Wahlausschuss keine Vorgaben zur konkreten Bestimmung der Anzahl der bei dem Bundesgerichtshof zuzulassenden Rechtsanwälte gemacht. Die Auslegung führt mit Rücksicht auf den Gesetzeszweck aber zu dem Ergebnis, dass die angemessene Zahl der bei dem Bundesgerichtshof zuzulassenden Rechtsanwälte an den Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege auszurichten ist.
- Aufgrund der Notwendigkeit einer ausreichenden Beschäftigungsmöglichkeit beschränkt einerseits der Geschäftsanfall der Zivilsenate die Zahl der Zulassungen,
- während andererseits die sachgerechte Wahrnehmung der Interessen der Rechtsuchenden gebietet, dass für die Parteien eine hinreichende Auswahl unter mehreren Rechtsanwälten möglich ist.
Mit der Begrenzung der bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälte verfolgt der Gesetzgeber ein gewichtiges Gemeinwohlziel, das die Beschränkungen der Berufsausübung legitimiert."
- Weiterentwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Zivilsachen
"Die Regelung bezweckt eine Förderung und Weiterentwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Zivilsachen. Durch die Konzentration ihrer Tätigkeit auf die Zivilsachen bei dem Bundesgerichtshof sowie durch die Beschränkung der Zahl der zugelassenen Rechtsanwälte soll sichergestellt werden, dass die Revisionsanwälte mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der darauf beruhenden Auslegung und Fortbildung des Rechts auf das Genaueste vertraut sind.
Aufgrund dieser besonderen Kenntnisse sowie ihrer allgemein hohen juristischen Qualifikation sollen sie die Weiterentwicklung der Rechtsprechung sichern und voranbringen."
- Aussichtslose Verfahren vom Bundesgerichtshof fernhalten
"Überdies soll die höchstrichterliche Rechtsprechung durch die Filterfunktion der Revisionsanwälte gefördert werden, indem die Revisionsanwälte an sie herangetragene aussichtslose Verfahren vom Bundesgerichtshof fernhalten und auf diese Weise die richterliche Arbeitskraft nicht durch Verfahren gebunden wird, die für die eigentliche Aufgabe des Revisionsgerichts unerheblich sind. Das Auswahlverfahren und die Zulassungsbegrenzung sind auch verhältnismäßig; insbesondere ist die Zulassungskontingentierung erforderlich.
Selbst bei strengen Eignungsprüfungen lässt die Situation auf dem Anwaltsmarkt eine hohe Zahl von Zulassungen und einen hiermit verbundenen starken Konkurrenzdruck befürchten. Gerade die Effektivität der Filterwirkung der Revisionsanwälte beruht aber vor allem auf deren wirtschaftlicher Unabhängigkeit. Schließlich ist die gesetzliche Regelung auch angemessen. Die Zulassungsbeschränkung betrifft nur einen sehr kleinen Teil der anwaltlichen Berufsausübung" (Auszüge aus: BVerfG, Beschluss vom 27. Februar 2008, 1 BvR 1295/07).