Bundesjustizminister beklagt Personalmangel in der Justiz

Der Gesetzgeber verabschiedet ein Sicherheitspaket nach dem anderen, um aktuellen Terrorismusgefahren, Cyberkriminalität und den überbordenden Einbruchsdelikten  entgegen zu steuern. Gleichzeitig fehlen in den Ländern Polizisten, Staatsanwälte und Richter, um die verschärften Bestimmungen umzusetzen.

In einem Gastbeitrag für die Zeitschrift „Wirtschaftswoche“ beklagte der Justizminister die fehlende Mitarbeit der Länder bei der Umsetzung der Sicherheitsgesetze. Das deutsche Strafrecht sei im Bereich Terrorismusbekämpfung inzwischen eines der schärfsten Strafrechte der Welt. Die Umsetzung obliege aber den Ländern, die nicht genug Stellen für Richter und Staatsanwälte schaffen würden, um die Gesetze auch effektiv anzuwenden.

Der Rechtsstaat darf nicht kaputt gespart werden

Der Bundesjustizminister fordert seine Länderkollegen auf, ihre Zurückhaltung bei der Schaffung neuer Stellen aufzugeben und vehement um mehr Haushaltsmittel für Planstellen zu kämpfen. Die besten Gesetze nützten nichts, wenn der Staat nicht der Lage sei, daraus Rechtwirklichkeit herzustellen und der Rechtsstaat stattdessen kaputt gespart werde.

DRB hält die Defizite für dramatisch

Der Deutsche Richterbund (DRB) bestätigt die Analyse des Ministers. Nach seinen Berechnungen fehlen in der Bundesrepublik ca. 2.000 Richter und Staatsanwälte. Die Überlastungssituation ist nach Auffassung der Richter dermaßen exorbitant, dass eine effektive Umsetzung der Gesetze häufig an fehlenden Planstellen scheitert. Sonderbelastungen wie durch die Flüchtlingskrise führten darüber hinaus zu besonderen Problemen in einzelnen Bundesländern.

12.000 Richter und Staatsanwälte demnächst im Ruhestand

Der DRB warnt vor einer zusätzlichen Verschärfung der prekären Situation durch die Tatsache, dass von den derzeit tätigen ca. 28.000 Richtern und Staatsanwälten in den nächsten 15 Jahren ca. 12.000 in den Ruhestand gehen. Die Rekrutierung von geeignetem Nachwuchs müsse daher ganz nach oben auf die Agenda. Die Rekrutierung scheitere aber oft auch daran, dass qualifizierte Juristen in der Privatwirtschaft deutlich mehr verdienten als in der Justiz.

DRB will den politischen Druck erhöhen

Der DRB drängt darauf, den politischen Druck zu erhöhen. Die Personaldefizite führten bereits jetzt dazu, dass die Strafjustiz sich im Kampf gegen Terrorismus, organisiertes Verbrechen und auch gegen die Alltagskriminalität immer mehr zum Nadelöhr entwickelt, an dem die Umsetzung der Gesetze empfindlich ins Stocken gerate.

Gefährliche Sicherheitslücken durch fehlende Wachtmeister

Der DRB-Landesverband Sachsen-Anhalt hat im vergangenen Jahr auch Sicherheitslücken durch fehlende Wachtmeisterstellen beklagt. In Sachsen-Anhalt seien bei den Amtsgerichten flächendeckende Einlasskontrollen nicht mehr möglich. „Da können Sie rein- und rausgehen wie Sie wollen“, erklärte der Vorsitzende des DRB-Landesverbandes. Außerdem zögen sich durch die fehlenden Stellen viele Verfahren so in die Länge, dass Untersuchungshäftlinge allein wegen der Verfahrensdauer freigesetzt werden müssten.

Lösung noch nicht in Sicht

Der Justizminister von Hamburg, Till Steffen, weist die Kritik des Bundesjustizministers und des DRB zurück. Steffen verweist darauf, dass in Hamburg speziell im Jahr 2015 ein durchgreifender Personalaufbau bei Polizei und Justiz geleistet worden sei, dies in einer Größenordnung wie seit 20 Jahren nicht. Ähnlich äußern sich die Justizministerien in Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg. Die Meinungen sind also geteilt. Eine durchgreifende Lösung der in den einzelnen Bundesländern - sicherlich in unterschiedlicher Intensität - bestehenden Probleme dürfte also noch auf sich warten lassen.

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