
Rechtsanwälte müssen sowohl die korrekte Eintragung von Fristen im Kalender kontrollieren als auch die Richtigkeit und Vollständigkeit fristwahrender Schriftsätze, die per beA versandt werden.
Der BGH hat gleich in zwei Entscheidungen die anwaltlichen Sorgfaltspflichten konkretisiert. In beiden Fällen war von einer Rechtsanwältin eine Frist versäumt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt worden. Der BGH stellt jedoch strenge Anforderungen an die Sorgfaltspflichten eines Anwalts, denn in beiden Fällen wurde der Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen.
In dem ersten Fall (BGH, Beschluss v. 15.2.2022, VI ZB 37/20) ging es um die Frage, inwieweit ein Anwalt die korrekte Fristeneintragung kontrollieren muss. Die stets zuverlässige ReNo-Mitarbeiterin wurde mündlich angewiesen, für ein ergangenes Urteil die einmonatige Berufungsfrist sowie die zweimonatige Berufungsbegründungsfrist im Kalender zu notieren. Versehentlich notierte sie jedoch nur die einmonatige Berufungsfrist, was zur Folge hatte, dass die Anwältin es versäumte, die Berufungsbegründung rechtzeitig bei Gericht einzu-reichen. Mit ihrem Wiedereinsetzungsantrag berief sie sich darauf, dass ihre langjährige und zuverlässige Mitarbeiterin mündliche Anweisungen ansonsten stets befolgen und korrekt ausführen würde. Hierzu legte sie eine eidesstattliche Versicherung der Angestellten vor.
Organisatorische Sicherungsmaßnahmen erforderlich
Der Antrag wurde gleichwohl abgewiesen wegen eigenen organisatorischen Verschuldens der Anwältin, das der Mandant sich zurechnen lassen muss. Sofern die Eintragung von Fristen dem Kanzleipersonal überlassen wird, dann muss durch die Organisation in der Anwaltskanzlei sichergestellt werden, dass die Fristen tatsächlich zuverlässig notiert werden. Gibt es überhaupt keinen Sicherungsmechanismus im Kanzleialltag, dann liegt ein schwerer Organisationsmangel vor. In dem entschiedenen Fall hatte die Anwältin nicht dargelegt, dass in ihrer Kanzlei organisatorische Sicherungsmaßnahmen bestehen für Fälle, in denen ausnahmsweise mündliche Einzelanweisungen – wie vorliegend geschehen – in Vergessenheit geraten.
In dem weiteren, vom BGH entschiedenen Fall (BGH, Beschluss v. 8.3.2022, VI ZB 78/21) wollte eine Anwältin eine Berufungsbegründung über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) bei Gericht einreichen. Vor dem Signieren und Versenden fiel ihr noch ein Schreibfehler auf der ersten Seite auf und sie wies ihre Mitarbeiterin an, den Fehler zu korrigieren. Den neu in ihrem beA zum Versand eingestellten Schriftsatz kontrollierte sie nicht noch einmal, sondern signierte ihn ungeprüft und reichte ihn so bei Gericht ein. Dort kam tatsächlich nur die erste Seite der Berufungsbegründung an, da der Mitarbeiterin beim Einstellen des korrigierten Schriftsatzes ein Fehler unterlaufen war.
Prüfung des Inhalts vor Signatur erforderlich
Auch hier ging der BGH von eigenem und somit dem Mandanten zurechenbaren Verschulden der Anwältin aus, da diese auch den korrigierten, neu eingestellten Schriftsatz vor dem Signiervorgang habe kontrollieren müssen. Bei der Übermittlung fristgebundener Schriftsätze im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs gilt nichts anderes wie bei dem Versand auf dem Postweg. Die Signierung ohne weitere Prüfung des Schriftsatzes kommt jedoch einer Blanko-Unterzeichnung gleich, die stets schuldhaft ist.
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