BGH: Tina Turner verliert Kunsturheberrechtsstreit

Erweckt eine „Tribute-Show“ nicht den Eindruck, die Darbietung werde von der prominenten Original-Künstlerin unterstützt, so muss deren Persönlichkeitsrecht hinter dem Recht der Cover-Sängerin auf Kunstfreiheit zurücktreten.

Der BGH hat den seit Jahren ausgefochtenen Rechtsstreit zwischen der prominenten Sängerin Tina Turner und der Produzentin einer Tribute-Show, in der eine Cover-Sängerin deren größte Hits präsentiert, nun zu Ungunsten des Originals entschieden.

SIMPLY THE BEST - DIE tina turner STORY

Die beklagte Produzentin „Cofo Entertainment“ kündigte ihre Show auf Werbeplakaten mit der Headline „SIMPLY THE BEST - DIE tina turner STORY“ an. Auf den Plakaten ist die in der Show auftretende Künstlerin Dorothea Coco Fletscher abgebildet, die der Originalkünstlerin sehr ähnlich sieht.

Verletzung des Kunsturheberrechts reklamiert

Tina Turner war aufgrund dieser von ihr nicht genehmigten Plakatierung der Auffassung, sowohl ihr Publikum als auch die Betrachter insgesamt würden durch die Art der Darstellung getäuscht. Unbefangene Betrachter könnten nicht zuletzt aufgrund der Ähnlichkeit zwischen ihr und der auftretenden Künstlerin davon ausgehen, dass sie selbst in der Show auftrete. Da sie weder in die Verwendung ihres Bildnisses noch ihres Namens eingewilligt habe, verletze die Beklagte ihr Kunsturheberrecht.

Bisher kein Zuschauer getäuscht

Noch während des Verfahrens fügte die Beklagte auf den veröffentlichten Plakaten den Zusatz „Starring Dorothea Coco Fetscher“ hinzu. Damit wurde nach ihrer Auffassung jede Verwechslungsgefahr ausgeschlossen. Außerdem wandte die Beklagte ein, das Musical sei bereits hundertfach in Deutschland, Österreich und der Schweiz aufgeführt worden. Bisher habe kein Zuschauer sich dahingehend beschwert, auf der Bühne die echte Tina Turner und kein Double erwartet zu haben. Die Zuschauer seien also keiner Täuschung erlegen und hätten die Plakate zutreffend interpretiert.

LG bejahte Verwechslungsgefahr

Erstinstanzlich hatte das LG zugunsten der Klägerin entschieden und die Plakatierung als rechtswidrig bewertet. Da der Name Tina Turner auf dem Plakat großformatig herausgestellt werde und auch die Ähnlichkeit der auftretenden Künstlerin mit dem Original erheblich sei, bestehe eine hohe Verwechslungsgefahr für das Publikum. Selbst eingefleischte Fans könnten den Eindruck gewinnen, dass ihr Idol selbst in dem Musical auftrete. Das LG erkannte daher einen Anspruch der Klägerin auf Unterlassung gemäß §§ 823, 1004 BGB analog an.

Plakatierung tangiert Recht am eigenen Bild

Zweitinstanzlich kam das OLG zu dem gegenteiligen Ergebnis und wies die Klage ab. Die hiergegen eingelegte Revision der Sängerin hatte beim BGH keinen Erfolg. Hierbei kam der BGH zunächst zu dem Ergebnis, dass die Beklagte in den vermögensrechtlichen Zuweisungsgehalt des Rechts am eigenen Bild und am eigenen Namen der Klägerin eingegriffen hat, denn bei einem nicht unerheblichen Teil des angesprochenen Publikums werde der täuschend echte Eindruck erweckt, es handle sich bei der auf den Plakaten abgebildeten Künstlerin um die echte Tina Turner.

Recht am eigenen Bild nicht verletzt

Nach der Bewertung des BGH war die Verwendung des Bildnisses der Klägerin aber gemäß § 22, 23 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 KUG erlaubt. Gemäß § 22 Satz 1 KUG dürfen Bildnisse grundsätzlich nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Dies bedeutet nach Auslegung des BGH, dass in den Fällen, in denen die tatsächlich abgebildete Person nicht identisch ist mit der Person, die aus Sicht eines nicht unerheblichen Teils des angesprochenen Publikums abgebildet ist, allenfalls die tatsächlich abgebildete Person (Dorothea Coco Fetscher), nicht aber die vermeintlich abgebildete Tina Turner gegen die Veröffentlichung vorgehen kann.

Tribute-Show ist eigenständige Kunstform

Selbst wenn das Recht der Klägerin am eigenen Bild durch die Veröffentlichung tangiert wäre, käme nach Auffassung des BGH hier der Erlaubnistatbestand des § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG zum Zuge. Nach dieser Vorschrift dürfen Bildnisse, die nicht auf ausdrückliche Bestellung angefertigt wurden, verbreitet und zur Schau gestellt werden, wenn die Verbreitung einem höheren Interesse der Kunst dient. Diese Vorschrift ist nach Auffassung des Senats hier einschlägig, denn die Beklagte habe das Bildnis zur Bewerbung einer speziellen Kunstform, nämlich einer „Tribute-Show“ eingesetzt, in der das bewegte Leben der Rockikone ausgeleuchtet werde.

Abwägung zwischen Persönlichkeitsrecht und Kunstfreiheit

Der Senat stellte klar, dass eine solche Tribute-Show von der nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Kunstfreiheit erfasst wird. Im Rahmen der Abwägung zwischen dem vermögenswerten Bestandteil des Persönlichkeitsrechts der Klägerin und der Kunstfreiheit der Beklagten kommt es nach Auffassung des BGH entscheidend darauf an, ob mit der Plakatierung ein unzutreffender Eindruck erweckt werde.

Das Publikum weiß, was Tribute-Shows sind

Nach der Bewertung des BGH vermitteln die Plakate dem allgemeinen Publikum trotz der Verwechslungsgefahr keinen unrichtigen Eindruck. Die Plakate seien hinsichtlich der in der Show tatsächlich auftretenden Künstlerin nicht mehrdeutig, zumal der Name der auftretenden Künstlerin deutlich sichtbar sei. Solche Tribute-Shows seien auch nicht unüblich. Das angesprochene Publikum wisse zu großen Teilen, dass darin Cover- und nicht die Original-Künstler auftreten. Ein Anspruch auf Unterlassung sei daher im Ergebnis nicht gegeben.


(BGH, Urteil v. 24.2.2022, I ZR 2/21)