
Der BGH hat neue Anforderungen für Rechtsanwälte aufgestellt, die für das Ehrenamt als Mitglied des Kammervorstands kandidieren: Es müssen nun fünf Jahre anwaltlicher Tätigkeit nachgewiesen werden - etwa durch Falllisten, unabhängig davon, ob es sich bei den Kandidaten um Syndikusanwälte handelt oder nicht. Dies könnte für Kammern weniger Kandidaten, erheblichen Mehraufwand und häufigere Wahlanfechtungen zur Folge haben.
In dem vor dem BGH nun mit Vergleich beendetem Fall hatten zwei Rechtsanwälte die Wirksamkeit der Vorstandswahl der Rechtsanwaltskammer (RAK) Berlin im Jahr 2015 als unwirksam erachtet und Anfechtungsklage vor dem Anwaltsgerichtshof erhoben.
Wahl von 8 Syndikusanwälten zum Kammervorstand angefochten
Die beiden Rechtsanwälte beantragten,
- die Wahl von acht Syndikusanwälten,
- hilfsweise die Wahl aller 14 Vorstandsmitglieder
- für ungültig zu erklären.
Sie vertraten die Auffassung, dass die Syndikusanwälte nach dem damals geltendem Recht keine Rechtsanwälte nach § 65 Nr. 2 BRAO und damit auch nicht wählbar gewesen seien. Die Klage wurde im Oktober 2016 vom AGH abgewiesen.
Voraussetzungen der Wählbarkeit ins Ehrenamt war höchstrichterlich zu klären
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hatte Erfolg, da die entscheidungserhebliche Rechtsfrage,
- ob Mitglieder einer Rechtsanwaltskammer,
- deren Tätigkeit als Syndikusanwalt für ein Unternehmen den Mittelpunkt ihrer beruflichen Tätigkeit darstellt,
- die Voraussetzungen der Wählbarkeit zum Mitglied des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer gem. § 65 Nr. 2 BRAO erfüllen,
durch die höchstrichterliche Rechtsprechung bisher nicht geklärt und angesichts ihrer unterschiedlichen Beantwortung in Rechtsprechung und Schrifttum klärungsbedürftig sei, so der BGH.
Alle Rechtsanwälte müssen künftig Nachweis über ihre anwaltliche Tätigkeit erbringen
Am 15.10.2018 hatten sich die Parteien nun im Hinblick auf die anstehenden Kammerwahlen im März 2019 auf einen Vergleich geeinigt: Das Verfahren wurde für erledigt erklärt, ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse verneint. Die Kosten trugen die Parteien und die Beigeladenen selbst.
- Der Senat für Anwaltssachen stellte dabei jedoch klar, dass sowohl die beigeladenen Syndikusanwälte
- als auch die anderen gewählten Rechtsanwälte
- darlegen müssten, seit mindestens fünf Jahren tatsächlich eine anwaltliche Tätigkeit ausgeübt zu haben.
Auch Syndizi müssten daher die anwaltliche Tätigkeit nachweisen. Gelingt dies, so sei dies auch für die Zeit vor dem Inkrafttreten des Syndikusreform- Gesetzes 2016 ausreichend, wenn die damals erforderlichen vier Kriterien erfüllt waren, so der Senat für Anwaltssachen.
Anwaltliche Zulassung nicht ausreichend
Eine bloße Zulassung zur Anwaltschaft sei im Hinblick auf das vom Gesetzgeber angestrebte Ziel einer notwendigen Mindesterfahrung an praktischer Expertise hingegen nicht ausreichend.
Die Auffassung in der Literatur, dass die anwaltliche Tätigkeit der Mittelpunkt der Tätigkeit darstellen müsse, lehnte der BGH ebenfalls ausdrücklich ab. Bei Zweifeln über die praktische Tätigkeit müssten die Kammern daher entsprechende Nachweise verlangen.
Dies könnte durch Vorlage von Falllisten – ähnlich denen für Fachanwaltstitel- erreicht werden, was für die Kammern und für die Vorstandskandidaten jedoch zu erheblichem Mehraufwand führen würde. Zumindest müsste derzeit eine Erklärung, evtl. sogar eine eidesstattliche Versicherung eingeholt werden, so die Kölner Rechtsanwaltskammer.
(BGH, AnwZ (BrfG) 2/17).
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Hintergrund:
Der Vorstand repräsentiert die Rechtsanwaltskammer. Die Mitglieder des Vorstandes werden für vier Jahre durch die Kammerversammlung gewählt und sind neben ihrer anwaltlichen Berufstätigkeit ehrenamtlich tätig.
Die Vorstandsmitglieder überwachen u.a. die Einhaltung der Berufspflichten im Kammerbezirk und der Kammervorstand vertritt die Interessen der Anwaltschaft in seinem Kammerbezirk nach außen.