Berufungsbegründung muss Mindestmaß an Verständlichkeit bieten

Batsch! Eine Berufung ist als unzulässig zu verwerfen, wenn sie mit sprachlich und gedanklich wirren, der Logik nicht zugänglichen Ausführungen begründet wird. Die objektive Untergrenze einer noch nachvollziehbaren, verständlichen Argumentation darf nicht unterschritten werden.

Immer wieder hat der BGH Veranlassung, sich mit den grundsätzlichen Anforderungen an eine Berufungsbegründungsschrift auseinanderzusetzen. In einem jetzt vom BGH entschiedenen Fall war die Berufungsbegründung schlicht wirr und unverständlich.

Amtshaftungsanspruch gegen einen Notar erstinstanzlich abgewiesen

Der der Entscheidung zugrundeliegende Rechtsstreit hatte die Schadenersatzforderung eines Grundstücksverkäufers und dessen Ehefrau gegen den mit der Abwicklung eines Grundstücksgeschäfts beauftragten Notar wegen einer vom Kläger behaupteten Amtspflichtverletzung des Notars zum Gegenstand. Das LG hatte die Klage mit der Begründung abgewiesen, der beklagte Notar habe keine Amtspflichten verletzt.

Berufung als unzulässig verworfen

Die hiergegen von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers eingelegte Berufung verwarf das OLG als unzulässig mit der ungewöhnlichen Begründung, die Berufungsbegründungsschrift sei sprachlich und inhaltlich in weiten Teilen unverständlich und enthalte keine nachvollziehbaren Angriffe gegen die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils.

Verständlichkeitsgrenze unterschritten

Das OLG betonte, dass die Zulässigkeit einer Berufung weder von der Schlüssigkeit ihrer Begründung noch von der tatsächlichen oder rechtlichen Richtigkeit der Ausführungen abhänge. Allerdings existiere eine Grenze, unterhalb derer von einer Begründung im Sinne einer wenigstens versuchten Darlegung einer Kritik des angegriffenen Urteils nicht mehr gesprochen werden könne. Diese Grenze sei hier deutlich unterschritten.

BGH stellt keine hohen Anforderungen an die Berufungsbegründungsschrift

Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers hin bestätigte der BGH den Verwerfungsbeschluss des OLG. Ein Zulassungsgrund für die Rechtsbeschwerde sei nicht ersichtlich. Die Mindestanforderungen an eine Berufungsbegründung seien höchstrichterlich geklärt. Danach seien an eine Berufungsbegründung grundsätzlich keine besonderen formalen Anforderungen zu stellen.

Berufungsbegründung muss sprachlich und inhaltlich verständlich sein

Allerdings müsse eine Berufungsbegründungsschrift gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO die tatsächlichen und rechtlichen Angriffspunkte gegen das erstinstanzliche Urteil so verständlich darlegen, dass das Berufungsgericht in die Lage versetzt werde, die Sichtweise und die Ziele des Berufungsklägers zu erkennen sowie dessen Kritik an dem erstinstanzlichen Urteil zu verstehen. Diesen Anforderungen genügte nach übereinstimmender Auffassung des BGH und des OLG der Berufungsbegründungsschriftsatz im konkreten Fall nicht.

Die Gerichte rügten, die 24-seitige Berufungsbegründungsschrift sei in Teilen schon sprachlich kaum zu verstehen, einige Darlegungen seien inhaltlich schlichtweg nicht nachvollziehbar, eine gedankliche Auseinandersetzung mit der Begründung des angefochtenen Urteils sei nicht erkennbar.

Inhaltlich wirre Gedankengänge des Berufungsklägers

Wie das OLG, sah sich auch der BGH nicht in der Lage, die einzelnen Gedankengänge und Argumentationsstränge der Berufungsbegründung gedanklich nachzuvollziehen. Die 24-seitige Berufungsbegründung enthalte auf einigen Seiten

  • sprachlich unverständliche,
  • mit Tatsachenvortrag überfrachtete,
  • inhaltlich wirre Darlegungen
  • in ellenlangen Sätzen ohne Punkt und Komma und ohne ein sinnstiftendes Prädikat
  • sowie teilweise wirre Hilfsanträge.

Auch mit viel Wohlwollen keine erkennbaren Berufungsangriffe

Die Argumentation des Beschwerdeführervertreters, die Berufungsbegründung weise in einigen Passagen rechtlich bedenkenswerte Aspekte auf, überzeugte den Senat nicht. Bei einer

überüberobligationsmäßig akribischen Lektüre“

der Berufungsbegründung und bei „besonders wohlwollender Betrachtung“ könne man vielleicht aus einigen Bruchstücken des Berufungsbegründungsschriftsatzes solche rechtlich bedenkenswerten Aspekte entnehmen, jedoch lasse die Gesamtheit des dortigen Vorbringens auch dann nicht erkennen, aus welchen tatsächlichen oder rechtlichen Aspekten der Berufungskläger sachliche und/oder rechtliche Fehler in dem mit der Berufung angegriffenen landgerichtlichen Urteil rügen wolle.

Mindestanforderungen an eine Berufungsbegründung sind nicht erfüllt


Im Ergebnis entspricht die Berufungsbegründung nach Auffassung des BGH nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, wonach die Berufungsbegründung die wesentlichen Gründe, die gegen die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils sprechen, enthalten muss. Der BGH hat daher den Verwerfungsbeschluss des OLG bestätigt.

(BGH, Beschluss v. 30.7.2020, III ZB 48/19)


Hintergrund:

Der BGH hat sich in den vergangenen Jahren häufiger mit den Mindesterfordernissen an eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung befasst. Einige der vom BGH für wesentlich gehaltenen Anforderungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung muss § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 u. 3 ZPO die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung durch das Erstgericht und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben. Dazu gehört die aus sich heraus verständliche Angabe, welche konkreten Punkte des Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er dem Ersturteil entgegengesetzt (BGH, Beschluss v. 23.10.2018, III ZB 50/18).
  • Die Berufungsbegründung muss sämtliche tatsächlichen und rechtlichen Gründe, die Zweifel an der Richtigkeit der des angegriffenen Urteils begründen, aufführen (BGH, Beschluss v. 3.3.2015 VI ZB 54/19).
  • Eine zulässige Berufungsbegründung muss argumentativ auf den konkreten Streitfall zugeschnitten und darf nicht lediglich aus standardmäßig formulierten Textbausteinen ohne konkreten Sachbezug zusammengesetzt sein (BGH, Beschluss v.10.12.2015, IX ZB 35/15).
  • Die Berufungsbegründungsschrift hat sämtliche entscheidungserheblichen Aspekte, die das Urteil tragen, anzugreifen. Fehlt ein Berufungsangriff gegen einen das Urteil allein tragenden Aspekt, so ist die Berufungsbegründung ebenfalls unzureichend und die Berufung damit unzulässig (BGH, Beschluss v. 7.5. 2020, IX ZB 62/18).

Vgl. zum Thema auch:

BGH zu den inhaltlichen Anforderungen an eine Berufungsbegründung

Berufungsbegründung in Textbausteinen

Verwerfung einer Berufung wegen Abwesenheit des Angeklagten