Berichterstattung über Spahns Villenkauf war rechtmäßig

Bundesgesundheitsminister Spahn muss die Berichterstattung über seinen teuren Kauf einer Villa in Berlin Dahlem durch den „Tagesspiegel“ laut Entscheidung des OLG Hamburg hinnehmen: Die Öffentlichkeit habe ein berechtigtes Interesse an Informationen über den Erwerb einer ungewöhnlich teuren Immobilie. 

Der Bundesgesundheitsminister hat vor Gericht eine juristische Schlappe einstecken müssen. Die Berichterstattung der Tageszeitung „Tagesspiegel“ über den Kauf seiner Villa ist laut OLG nicht zu beanstanden.

Kritische Berichterstattung über Spahns Villenkauf und dessen Finanzierung

Der „Tagesspiegel“ hatte ausführlich über den Kauf einer Villa in einem Berliner Nobelviertel durch den Gesundheitsminister und seinen Ehepartner berichtet. Nach den Berichten der Zeitung hatte der Gesundheitsminister den Kaufpreis von ca. 4 Millionen EUR weitgehend über Kredite der „Sparkasse Westmünsterland“ finanziert. In den Jahren 2009-2015 war Spahn Mitglied im Verwaltungsrat der Sparkasse. Zum Zeitpunkt der Darlehensaufnahme stand nach Berichten des „Tagesspiegel“ der Sparkasse ein CDU-Parteikollege vor.

Spahn verlangte beim Grundbuchamt Nennung der recherchierenden Journalisten

Die Berichterstattung war dem Bundesgesundheitsminister ein Dorn im Auge. Er forschte unter anderem beim Grundbuchamt nach und verlangte vom zuständigen Grundbuchamt, ihm die Namen der Journalisten zu nennen, die zu seinem Immobiliengeschäft recherchiert hatten. Spahn wollte wohl auch wissen, welche Fragen von den Journalisten gestellt wurden.

Spahn forderte vom „Tagesspiegel“ Unterlassung der Berichterstattung

Gegen diese nach seiner Auffassung unzulässige Berichterstattung hatte der Minister gegen den Tagesspiegel eine einstweilige Verfügung beantragt. Die Berichterstattung war nach seiner Auffassung unzulässig, weil sie eine rein privatrechtliche Tätigkeit betraf, an der kein öffentliches Interesse bestehe und die deshalb dem Schutz seiner Intimsphäre unterliege.

Verletzte die Berichterstattung die Privatsphäre des Ministers?

Das erstinstanzlich mit der Sache befasste LG teilte diese Sicht des Bundesgesundheitsministers. Es untersagte die Berichterstattung als unzulässigen Eingriff in die Privatsphäre und als nicht gerechtfertigten „Blick in das Portemonnaie“ des Ministers.

Spahn muss drei Viertel der Verfahrenskosten tragen

Das zweitinstanzlich mit der Sache befasste OLG hatte am Ende nur noch über die Kostentragungspflicht zu entscheiden. Die Entscheidung fiel in Höhe von drei Viertel der entstandenen Gerichts- und Anwaltskosten zu Ungunsten des Ministers aus. Das Gericht begründete die weitgehende Auferlegung der Kosten auf Jens Spahn damit, dass der Antrag des Ministers gegen den „Tagesspiegel“ auf Unterlassung im wesentlichen nicht begründet gewesen sei.

Ungewöhnlich hoher Kaufpreis auch für einen Minister

Entgegen der Auffassung des Ministers habe die Öffentlichkeit sehr wohl ein Interesse an Informationen über den Erwerb einer ungewöhnlich teuren Immobilie für ca. 4 Millionen EUR durch einen Politiker. Dieser Kaufpreis sei auch für einen Bundesminister ein sehr hoher Betrag. Außerdem könne ein solcher Kaufpreis Anlass für Diskussionen über das generelle Preisgefüge am Immobilienmarkt sein.

Villenkauf hat auch eine politische Dimension

Das OLG betonte auch die politische Dimension eines solchen Kaufvorgangs. Spahn besitze eine überragende Bekanntheit als einer der profiliertesten deutschen Politiker. Das Gericht erinnerte an eine ältere Äußerung des Bundesgesundheitsministers, wonach Hartz IV noch keine Armut bedeute. In diesem Zusammenhang seien die finanziellen Umstände des Villenkaufs auch von politischem Interesse.

Für die politische Meinungsbildung sei durchaus von Bedeutung, unter welchen finanziellen Verhältnissen Politiker leben, insbesondere wenn sie eine dezidiert konservative Position zu Sozialleistungen des Staates vertreten.

Minister muss kritische Berichterstattung aushalten können

Finanzierung und Kauf einer solchen Immobilie können nach Auffassung des Senats Rückschlüsse auf die politische Unabhängigkeit eines Politikers, auf seinen Geschäftssinn, aber auch auf die politische Ausrichtung insgesamt ermöglichen. Politische Führungspersonen müssten sich als Repräsentanten des Staates grundsätzlich eine kritische Befassung mit ihren finanziellen Verhältnissen gefallen lassen.

Auch der Ehepartner muss Berichterstattung dulden

Der Ehepartner muss eine solche Berichterstattung nach Auffassung des Senats ebenfalls hinnehmen. Dies sei ein nicht zu vermeidender Reflex des berechtigten öffentlichen Interesses an dem Verhalten des Ministers, zumal der Ehepartner sich in der Vergangenheit immer wieder mit dem Minister in der Öffentlichkeit gezeigt habe.

Berechtigtes Interesse der Presse an Informationen durch das Grundbuchamt

Schließlich bewertete das OLG die Herausgabe der Informationen zum Kaufpreis durch das Grundbuchamt als gerechtfertigt. Diese Informationen an die Presse seien durch das Grundrecht der Pressefreiheit gerechtfertigt.

(OLG Hamburg, Beschluss v. 26.4.2021, 7 U 16/21).

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Hintergrund: BGH zur Berichterstattung über Prominenter

Die Bekanntheit einer Person im öffentlichen Leben kann ein besonderes Informationsinteresse der Öffentlichkeit begründen, das es rechtfertigen kann, über bestimmte Verhaltensweisen dieser Person auch mit Namensnennung und Abbildung zu berichten (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss v. 13. 6. 2006, 1 BvR 565/06, NJW 2006, 2835 Tz. 11; BGH, Urteil v. 15. 11. 2005  VI ZR 286/04, GRUR 2006, 257 Tz. 22 = WRP 2006, 261).

Einer Berichterstattung mit Namensnennung und Abbildung über solche Ereignisse von gesellschaftlicher Relevanz steht auch nicht der Schutz der Privatsphäre nach Art. 8 EMRK (vgl. dazu EGMR GRUR 2004, 1051 Tz. 76 – von Hannover/Deutschland) entgegen (BVerfG NJW 2006, 2835 Tz. 14 f.; BGH GRUR 2006, 257 Tz. 26; BGH GRUR 2007, 902 Tz. 9).

(BGH, Urteil v. 5. 6. 2008, I ZR 96/07).