Autofahren mit Corona-Maske oder Niqab ist nicht verkehrssicher

Freie Sicht für und auf freie Bürger: Autofahrer dürfen aus Gründen der Erkennbarkeit und der Verkehrssicherheit ihr Gesicht nicht verhüllen, weder mit einer Corona-Maske noch mit einem Niqab. Dies sehen die Gerichte deutschlandweit - anders als einige Landesverordnungen - ähnlich. Weder Religionsfreiheit noch Corona-Schutz überwiegen die Verkehrssicherheit.

Ob Corona-Maske zum Gesundheitsschutz oder Vollverschleierung aus religiösen Gründen, beides sehen deutsche Gerichte nicht gerne und erklären diese Formen der Unkenntlichmachung des Gesichts bei Autofahrern im Zweifel für unzulässig. Im Widerspruch hierzu schreiben die Coronaschutzverordnungen einiger Bundesländer in bestimmten Fällen das Tragen eines Mundnasenschutzes für Autofahrer vor.

Rechtsanwalt will ohne Gesichtsmaske zum Gericht fahren

Auf Antrag eines Rechtsanwalts hat erst kürzlich das OVG Lüneburg die niedersächsische CoronaSchVO insoweit vorläufig außer Vollzug gesetzt, als diese bei beruflichen Fahrgemeinschaften für die Führer von Kraftfahrzeugen das Tragen einer Mundnasenbedeckung angeordnet hat. Der antragstellende Rechtsanwalt hatte beanstandet, dass er durch die Verordnung gezwungen wird, bei gemeinsam mit seinen Mandanten durchgeführten Fahrten zu Gerichtsterminen eine Mundnasenbedeckung zu tragen. Hierdurch fühle er sich daran gehindert, das Fahrzeug ausreichend sicher zu führen.

Maskenpflicht für Autofahrer steht im Widerspruch zur StVO

Das OVG gab dem Anwalt recht. Die Verpflichtung eines Autofahrers, im Rahmen einer beruflichen Fahrgemeinschaft eine Gesichtsmaske zu tragen, sei keine notwendige Maßnahme des Infektionsschutzes. Zwar stelle die Maskenpflicht nur einen geringen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des Kfz-Führers gemäß Art. 2 Abs. 1 GG dar, jedoch stehe die landesrechtliche Pflicht zum Tragen einer Mundnasenbedeckung in Widerspruch zu den Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung.

Coronamaske stört die Rundumsicht und beim Blitzen

Gemäß § 23 Abs. 4 Satz 1 StVO darf der Führer eines Kraftfahrzeugs sein Gesicht nicht so verhüllen oder verdecken, dass er nicht mehr erkennbar ist. Dies dient nach der Bewertung des OVG einerseits den Erfordernissen einer effektiven Verkehrsüberwachung (Blitzfoto), andererseits der Gewährleistung eines uneingeschränkten Gesichtsfeldes des Fahrers und diene damit der Verkehrssicherheit. Durch die Verdeckung wesentlicher Teile des Gesichts könne die uneingeschränkte Rundumsicht des Fahrers gestört werden. Dies werde besonders deutlich, wenn der Fahrer eine Brille tragen müsse und diese infolge der Maske ständig beschlage.

Verordnungsgebot der Maskenpflicht wurde außer Vollzug gesetzt

Mit dieser Begründung setzte das OVG die vom Antragsteller beanstandete Bestimmung des § 3 Abs. 1 Satz 3 der niedersächsischen CoronaSchVO im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorläufig außer Vollzug  (OVG Niedersachsen, Beschluss v. 16.4.2021, 13 MN 158/21)

Muslima will Niqab beim Autofahren tragen - oder umgekehrt

In einem umgekehrt gelagerten Fall stellte das OVG Münster ähnliche Grundsätze wie das niedersächsische OVG auf. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren hatte eine muslimische Antragstellerin beantragt, die Straßenverkehrsbehörde zu verpflichten, ihrem Antrag auf Genehmigung zum Tragen eines Niqabs beim Führen eines Kraftfahrzeugs im gesamten Bundesgebiet stattzugeben.

Antrag auf Niqab-Fahrerlaubnis abgewiesen

Sowohl das erstinstanzlich zuständige VG als auch in zweiter Instanz das OVG Münster wiesen ihren Antrag zurück. Nach Auffassung der Gerichte lagen die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung vom grundsätzlichen Verhüllungsverbot beim Autofahren nicht vor. Eine solche Ausnahmegenehmigung ist gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 StVO durch die zuständigen obersten Landesbehörden in bestimmten begründeten Einzelfällen möglich.

Verkehrssicherheit rechtfertigt Verschleierungsverbot

Nach Auffassung der Gerichte verstößt das Gesichtsverhüllungs- und Verdeckungsverbot des § 23 Abs. 4 Satz 1 StVO nicht gegen die durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG geschützte Religionsfreiheit und ist von der Antragstellerin nach summarischer Prüfung im einstweiligen Anordnungsverfahren hinzunehmen. Der legitime Zweck des Gesetzgebers sowohl die Verkehrssicherheit zu schützen als auch die Identifikation und Verfolgbarkeit eines Fahrers im Fall eines Verkehrsverstoßes zu sichern, rechtfertige das nur vorübergehend für die Zeit des Führens eines Kraftfahrzeugs geltende - und damit auch dem Verhältnismäßigkeitsgebot genügende - Verbot der Gesichtsverschleierung.

Verkehrssicherheit als Gemeinschaftswert von Verfassungsrang

Dieses Ergebnis wird nach Auffassung des OVG auch nicht dadurch infrage gestellt, dass Art. 4 Abs. 1 und 2 GG keinen Gesetzesvorbehalt enthalten. Im Rahmen der verfassungsimmanenten Schranken rechtfertigten Gemeinschaftswerte von Verfassungsrang, zu denen auch die Verkehrssicherheit gehöre, die Einschränkung auch vorbehaltlos gewährter Grundrechte (BVerfG, Beschlüsse v. 14.1.2020, 2 BvR 1333/17 und v. 26.2.2028, 1 BvQ 6/18).

Der Corona-Gesetzgeber hat Verschleierungsverbot nicht angetastet

Schließlich zog das OVG Münster auch eine Verbindung zu der Entscheidung des niedersächsischen OVG zur coronabedingten Gesichtsmaske. Das niedersächsische OVG räume den Erfordernissen der Verkehrssicherheit den Vorrang vor Schutzmaßnahmen im Rahmen der Coronabekämpfung ein. Auch der Bundesgesetzgeber habe in seiner Corona-gesetzgebung die Vorschrift des § 23 Abs. 4 Satz 1 StVO bewusst nicht infrage gestellt, weil er das Verschleierungsverbot für Kraftfahrzeugführer als wesentliches Element der Verkehrssicherheit betrachte.

Zur Not aufs Autofahren verzichten

Schließlich konnte das OVG auch keine besondere Dringlichkeit für die beantragte einstweilige Anordnung erkennen. Die Antragstellerin habe nicht dargelegt, dass es ihr unzumutbar sei, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Insbesondere habe sie keine aus ihren individuellen Lebensumständen begründete besondere Angewiesenheit auf die Nutzung eines privaten PKW glaubhaft gemacht. Im Gegenteil sei sie als Bewohnerin einer Stadtwohnung sehr gut an den ÖPNV angebunden.

Mit diesen Argumenten lehnte das OVG die beantragte einstweilige Anordnung ab. Der Beschluss ist unanfechtbar.

(OVG NRW, Beschluss v. 20.5.2021, 8 B 1967/20)

Hintergrund: Coronaschutzverordnungen zu Maskenpflicht führen in die Irre

Berlin, Hamburg, das Saarland und Sachsen schreiben in ihrem Coronaschutzverordnungen die Maskenpflicht im Auto generell vor. Ausnahme: Im Fahrzeug befinden sich ausschließlich Angehörige eines Haushalts. Nach der Entscheidung des OVG Lüneburg ist dies mit § 23 Abs. 1 Satz 1 StVO nicht vereinbar.

Kann der Fahrer aufgrund der Gesichtsmaske nicht ermittelt werden, droht bei Befolgung in diesen Ländern ein Bußgeld von 60 Euro bzw. die Auflage eines Fahrtenbuches. Die Behörden sind dort allerdings angewiesen, in diesen Fällen nach dem Opportunitätsprinzip flexibel bei der Verhängung von Bußgeldern zu verfahren. Rechtlich gilt der Grundsatz, dass Landesverordnungen Bundesrecht nicht aushebeln können. Für die Autofahrer ist diese widersprüchliche Rechtslage äußerst unbefriedigend.

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