Ausländische Straßenmaut über deutsche Gerichte durchsetzbar

Ungarnreisende sollten sich nicht der Mautpflicht auf ungarischen Autobahnen entziehen. Nach einer Entscheidung des BGH können ungarische Inkassogesellschaften nicht entrichtete Maut in Deutschland nachträglich vom Fahrzeughalter eintreiben.

Nach der Entscheidung des BGH kann es für deutsche Mautmuffel nach Nutzung ungarischer Autobahnen unter Umgehung der Mautpflicht richtig teuer werden. Nicht nur die Maut ist nachzuentrichten, vielmehr werden darüber hinaus erhebliche Strafgebühren fällig. Die BGH-Entscheidung dürfte nicht nur für die ungarische Maut, sondern auch für die Mautregelungen anderer EU-Staaten relevant sein.

Ungarische Inkassogesellschaft klagt vor deutschem Zivilgericht auf Mautzahlung

Klägerin des vom BGH entschiedenen Verfahrens ist eine ungarische Inkassogesellschaft mit dem Geschäftszweck der Eintreibung in Ungarn nicht gezahlter Autobahnmaut. Die Inkassogesellschaft hatte gegen einen in Deutschland ansässigen Autovermieter geklagt. Vier Fahrzeuge des Beklagten hatten einen ungarischen, mautpflichtigen Autobahnabschnitt befahren, ohne dass die jeweiligen Fahrer die fällige Mautgebühr entrichtet hätten.

Nutzung ungarischer Autobahnen nur mit Vignette

Nach der ungarischen Mautverordnung ist die Autobahnmaut vor Nutzung des mautpflichtigen Straßenabschnitts durch Kauf einer virtuellen Vignette (e-Matrica) zu entrichten. Der Preis liegt bei knapp 3.000 ungarischen Forint, was ca. 7,30 Euro entspricht. Wer dagegen verstößt, zahlt nach Anlage 1 zur Mautverordnung eine Ersatzmaut in Höhe des Fünffachen des regulären Betrages, zur Zeit ca. 36,52 Euro. Bei einem Zahlungsverzug von mehr als 60 Tagen wird eine Zusatzgebühr von knapp 150 Euro fällig.

Klage in wesentlichen Punkten erfolgreich

Vor dem zuständigen AG klagte die ungarische Inkassogesellschaft gegen den Autovermieter auf Grundlage der ungarischen Mautverordnung auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 968,95 Euro nebst außergerichtlicher Inkassokosten in Höhe von etwa 410 Euro. Nach Abweisung der Klage durch das AG hat das LG der Klage im wesentlichen - unter geringfügiger Reduzierung der Inkassokosten - stattgegeben. Die hiergegen eingelegte Revision führte zur Aufhebung des landgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung durch den BGH, dies allerdings ausschließlich wegen der Nichtbeachtung von währungsrechtlichen Aspekten durch die Vorinstanz.

„Ordre public“ als Maßstab für die Anwendung ungarischen Rechts

Der BGH stellte bei seiner Entscheidung maßgeblich auf Art. 21 der Rom I-VO ab. Die im Juni 2008 von der EU beschlossene EU-VO 593/2008 (Rom I-VO) regelt die Anwendung des internationalen Privatrechts innerhalb der EU im Bereich vertraglicher Schuldverhältnisse in Zivil- und Handelssachen mit Bezug zum Recht verschiedener Mitgliedstaaten. Gemäß Art. 21 der Rom I VO darf danach die Anwendung des gültigen Rechts einzelner Mitgliedsstaaten nur versagt werden, wenn seine Anwendung mit der öffentlichen Ordnung („ordre public“) des Staates des angerufenen Gerichts offensichtlich unvereinbar ist.

Halterhaftung widerspricht nicht dem deutschen „ordre public“

Hierzu hat der BGH entschieden, dass die im ungarischen Recht vorgesehene alleinige Haftung des Fahrzeugalters für die Umgehung der Mautvorschriften dem deutschen „ordre public“ nicht grundsätzlich widerspricht. Die Anknüpfung von Einstandspflichten an die Haltereigenschaft sei dem deutschen Recht nicht grundsätzlich fremd. Die öffentlich-rechtlich ausgestaltete Bundesfernstraßenmaut sehe ebenfalls eine zivilrechtliche Haftung des Fahrzeugalters nach § 7 Abs. 1 StVG vor. Darüber hinaus sei auch in Deutschland in bestimmten Fällen die zivilrechtliche Haftung des Fahrzeugalters bei unberechtigt im öffentlichen Straßenraum abgestellten Fahrzeugen anerkannt. Damit verstoße die nach ungarischem Recht vorgesehene Halterhaftung im Falle der Mautgebühren nicht gegen den deutschen „ordre Public“.

Vertragsstrafen sind auch nach deutschem Recht zulässig

Diese Schlussfolgerung gilt nach Auffassung des Senats auch für die nach ungarischem Recht vorgesehene erhöhte Zusatzgebühr im Falle des Zahlungsverzugs. Hierbei handele es sich um eine Art Vertragsstrafenregelung, die dem deutschen Recht ebenfalls nicht fremd sei. So sei Deutschland eine Vertragsstrafe beispielsweise in Gestalt eines erhöhten Beförderungsentgelts bei Nutzung des ÖPNV ohne gültigen Fahrausweis ebenfalls üblich. Die nach der ungarischen Mautverordnung vorgesehene Zusatzgebühr sei auch der Höhe nach nicht außergewöhnlich und widerspreche nicht dem in Deutschland geltenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

Fremdwährungsschulden sind i.d.R. nicht in Euro geltend zu machen

Trotz dieses Ergebnisses hob der BGH die der Klage stattgebende der Entscheidung des LG auf und verwies den Rechtstreit zur erneuten Verhandlung an die Vorinstanz zurück. Das LG habe übersehen, dass die Inkassogesellschaft mit der Klage eine Fremdwährungsschuld geltend mache. Fremdwährungsschulden könnten grundsätzlich nur als solche, d.h. in der jeweiligen Fremdwährung, nicht aber in Euro geltend gemacht werden. Dies sei nur dann anders, wenn die Inkassogesellschaft nach ungarischem Recht ausdrücklich dazu ermächtigt wäre, die rückständige Maut auch in Euro geltend zu machen. Hierzu fehlten aber die erforderlichen Feststellungen der Vorinstanz. Diesen Aspekt müsse das LG daher noch klären.

(BGH, Urteil v. 28.9.2022, XII ZR 7/22)