Auch Medienriesen wie "Bild" und Google sind nicht unbesiegbar

Bild darf nicht weiter über private Nacktfotos der Sängerin Lena Meyer-Landrut berichten, Bild darf 25 Jahre danach nicht mehr den Sedlmayr-Mörder in die Öffentlichkeit zerren und Google darf keine unrichtigen Angaben mehr zu Wartezeiten im Braustüberl Tegernsee machen. Drei sehr unterscheidliche Beispiele dafür, dass der Kampf gegen Medienriesen nicht immer chancenlos ist.

Die Bild-Zeitung ist bekannt dafür, dass sie oft und gewissenlos im Privatleben von (prominenten) Menschen herumpfuscht, sie für ihre Schlagzeilen hypt und versenkt, ohne Rücksicht auf menschliche Verluste. Doch ab und an hat jemand die Ausdauer, die Wut und die Ressourcen, hier zumindest vorübergehend einen Riegel vorzuschieben.

Auch die mitunter fatale Maschinerie von Google, die sich auf Existenzen negativ auswirken kann, wird gelegentlich mit beachtenswerter Energie und Ausdauer gestoppt.

Beides sind allerdings eher Einzelfälle.

Beispiel 1:

Unbekannte Täter waren in den Besitz eines Laptops gelangt, der private Aufnahmen der Sängerin und Eurovision Song-Contest-Gewinnerin Lena Meyer-Landrut in wenig oder nicht bekleidetem Zustand enthielt. Nach Berichten diverser Medien, unter anderem der Bild-Zeitung, forderten die Täter von der Sängerin die Zahlung einer hohen Geldsumme, wenn sie die Veröffentlichung der Fotos verhindern wolle.

"Bild" weist den Weg zu den Nacktfotos

Der Popstar ließ sich nicht erpressen, was schließlich zur Veröffentlichung der Fotos führte. Bild berichtete darauf unter Namensnennung der Sängerin „mit Nackt-Fotos erpresst!“ über „pikante Fotos des Popstars“, auf denen sie nackt oder nur mit Unterwäsche bekleidet zu sehen sei. Dazu gebe es persönliche Liebesbotschaften an ihren Freund. Bild wies ausdrücklich darauf hin,

mit ein paar Klicks kann jeder die Dateien sehen“.

Bild zitierte darüber hinaus teilweise wörtlich aus Erklärungen der Erpresser. Die Sängerin lebe deshalb seit zwei Jahren mit der „Nacktfoto-Angst“. Die Bilder selbst veröffentlichte Bild allerdings nicht.

Lena klagt bis zum BGH - mit Erfolg

Der Forderung des Popstars, die Berichterstattung über diese Umstände sofort zu beenden, erfüllte Bild nicht. Darauf klagte die Sängerin bis zum BGH und erhielt dort recht. Der BGH bejahte einen Unterlassungsanspruch der Sängerin analog  § 1004 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 823 Abs. 1 BGB. Nach Auffassung des BGH war Bild bei der Berichterstattung zu weit gegangen. Der BGH störte sich u.a. an den mannigfachen Hinweisen auf die Pikanterie der Aufnahmen und die zu ausführliche Beschreibung der Fotos, die die Sängerin ausdrücklich nur für ihren Freund zugänglich machen wollte.

Privatsphäre der Sängerin in ihrem innersten Bereich verletzt

Der BGH stellte klar, dass die unbefugte Verbreitung privater Fotos im Internet und die damit verbundenen Gefahren in den elektronischen Medien ein Thema sind, das die Öffentlichkeit insgesamt berührt. Die Darstellung der damit verbundenen Gefahren stünden aber nicht im Vordergrund der Berichterstattung von Bild. Insbesondere der Hinweis, dass jeder mit wenigen Klicks zu den Bildern gelangen könne, zeige eine eher voyeuristische Richtung der Berichterstattung. Diese erzeuge eine Anlockwirkung für die User und berge die Gefahr, dass die User aufgrund der Berichte gezielt nach den Nacktfotos suchen. Hierdurch würde die Privatsphäre der Sängerin in ihrem innersten Bereich verletzt.

Ärgernis „Sex-Leaks“

Der Schutz des Persönlichkeitsrechts einer Person des öffentlichen Lebens könne zwar eingeschränkt sein, wenn diese sich in der Öffentlichkeit berufsbedingt selbst gerne - wie Lena gelegentlich auch mit freizügigen Fotos - präsentiert (BGH, Urteil v. 29.11. 2016, VI ZR 382/15), solche Beschränkungen kämen aber nicht für den unantastbaren Kern des Persönlichkeitsrechts in Betracht (BGH, Urteil v. 13.10.2005, VI ZR 271/14).

Bei der Abwägung des durch Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK geschützten Rechts auf Meinungsfreiheit schlage das Pendel eindeutig gegen das allgemeine Ärgernis der unbefugten Verbreitung von Nacktfotos im Internet („Sex-Leaks“) und den Hinweis von Bild auf deren Erreichbarkeit durch wenige Klicks zugunsten der Intimsphäre der Sängerin aus, die die Aufnahmen ausschließlich für ihren Freund bestimmt habe.

(BGH, Urteil v. 30.4.2019, VI ZR 360/18)

Beispiel 2:

Erst kürzlich hatte Bild in einem weiteren Fall der Verletzung des Persönlichkeitsrechts den Kürzeren gezogen, und zwar gegen einen der beiden Sedlmayr-Mörder.

Das Persönlichkeitsrecht schützt auch verurteilte Mörder

Der bayerische Schauspieler Walter Sedlmayr wurde im Juli 1990 von zwei Männern getötet. 25 Jahre nach der Tat berichtete „Bild.de“ erneut über den Mord und veröffentlichte zahlreiche Details vom Tatort, Fotos der Täter und deren Namen. Einer der Täter zog vor Gericht und klagte auf Unterlassung. Das OLG Köln gab ihm recht. Das Gericht rügte, 25 Jahre nach der Tat sei das öffentliche Interesse an der Berichterstattung deutlich in den Hintergrund getreten, während der Täter auch unter dem Gesichtspunkt der Resozialisierung ein schützenswertes Interesse daran habe, dass seine Tat nicht wieder in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gezerrt würde, nachdem er seine Strafe verbüßt, im Jahr 2008 auf Bewährung entlassen und sämtliche Bewährungsauflagen erfüllt habe (OLG Köln, Urteil v. 22.6.2017, 15 U 171/16).

Der BGH hatte anschließend die Beschwerde von Bild gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgewiesen, so dass das Urteil des OLG rechtskräftig geworden ist

(BGH, Beschluss v. 23.7.2019, VI ZR 291/17).

Kein Recht auf Vergessen einer Straftat

Eine Klage beider Sedlmayr-Mörder auf Entfernung der Berichterstattung über den Mord aus sämtlichen Onlinearchiven war im vergangenen Jahr vor dem EGMR gescheitert. Ein Recht auf völliges Vergessenwerden einer Straftat hat der EGMR verneint (EGMR, Urteil v. 28.6.2018, 60798/10).

Beispiel 3:

Das bayerische „Bräustüberl Tegernsee“ ist bekannt für sein wohlschmeckendes Bier und seine leckeren Speisen und deshalb ein beliebter Ausflugsort am Tegernsee. Auch Google weist im Netz ausdrücklich auf die Braustube hin, die Google Bewertungen sind durchweg positiv. Zugleich machte Google auf der Internetseite aber auf häufig lange Wartezeiten für ankommende Gäste aufmerksam. Unter der Woche warte man häufig 15 Minuten, an Wochenenden auch mal eineinhalb Stunden.

Das Braustüberl Tegernsee zwingt Google in die Knie

Der Wirt des Bräustüberls war mit diesen Hinweisen auf die angeblichen Wartezeiten gar nicht einverstanden und nahm Google auf Unterlassung in Anspruch. Der Gastwirt bestreitet das Auftreten solch langer Wartezeiten. Lediglich bei seltenem, besonders hohen Besucherandrang kämen geringfügige Wartezeiten von einigen Minuten in Betracht, aber nicht mehr. Da Google auf entsprechende Aufforderung des Gastwirtes nicht bereit war, die Seite zu verändern, nahm dieser Google auf Unterlassung in Anspruch.

Kurz vor der auf den 28.8.2019 angesetzt mündlichen Verhandlung erkannte Google außergerichtlich den Unterlassungsanspruch an, so dass die Gerichtsverhandlung sich erübrigte und demnächst wohl ein Anerkenntnisurteil ergehen wird (LG München I, 25 O 13925/18).

Manchmal siegt David gegen Medienriesen / Goliath

Die drei unterschiedlichen Fälle sind Beispiele dafür, dass Medienriesen auch heute noch durchaus von Einzelpersonen in die Knie gezwungen werden können, wenn sie die Persönlichkeitsrechte oder die wirtschaftlichen Interessen des Einzelnen durch überzogene oder unrichtige Berichterstattung beeinträchtigen.