anwaltskammer durfte Mitglieder für #unteilbar-Demo mobilisieren

Politisches Engagement ist nicht das, was man unbedingt von einer Rechtsanwaltskammer erwartet. Doch wenn die verfolgten Inhalte der Demonstranten auf eine offene, demokratische und freiheitliche Gesellschaft abzielen, was auch die Arbeit der Anwaltschaft schützt, geht ein Demo-Aufruf durch die Anwaltskammer in Ordnung.

Für Menschenrechte und damit auch das Grundgesetz darf auch die Rechtsanwaltskammer "mobil machen".

"#unteilbar" steht für Freiheit, Gleichheit und Solidarität

"#unteilbar" ist eine Bewegung, die sich für die Gleichheit aller Menschen und soziale Rechte einsetzt. Offener Rassismus, Hetze und Menschenverachtung gefährden aus ihrer Sicht die Demokratie und deren grundlegende Werte. Sie setzt sich für eine offene und solidarische Gesellschaft ein, in der Menschenrechte unteilbar und vielfältige, selbstbestimmte Lebensentwürfe selbstverständlich sind.

Vielschichtige Teilnahme an #unteilbar-Groß-Demo 2018 in Berlin

Am 13.10.2018 hat #unteilbar eine Demonstration auf dem Berliner Alexanderplatz auf die Beine gestellt, an der mehr als 240.000 Menschen teilgenommen haben. Auch Juristenvereine waren mit von der Partie. Der Vorsitzende der Strafverteidiger-Vereinigung z.B. hielt bei der Auftaktveranstaltung eine Rede.

Kammermitglieder wurden zur Demonstrationsteilnahme angehalten

Zur Teilnahme an dieser Demonstration hatte u.a. die Rechtsanwaltskammer (RAK) Berlin aufgerufen. Deren Vorstand versandte im Vorfeld E-Mails an alle seine Mitglieder und warb auf der Homepage für die Veranstaltung mit der Anmerkung ihres Präsidenten, dass „für unsere Berufsausübung eine offene, demokratische und freiheitliche Gesellschaft unabdingbar“ sei.

Einem Kammermitglied ging der Demo-Aufruf zu weit

Ein Kammermitglied fühlte sich hierdurch bevormundet bzw. in seiner Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) beschnitten. Der Anwalt sah in dem Aufruf des Vorstands zudem eine Kompetenz-Überschreitung in Form eines ihm nicht zustehenden „allgemeinpolitischen Mandats“, das vom Aufgabenkatalog des § 73 BRAO nicht gedeckt sei.

Schutz der Anwälte vor künftigen Gefahren ebenfalls Aufgabe der RAK

Diesen Streit hat der Anwaltsgerichtshof Berlin zugunsten der RAK entschieden. Diese hat, so der AGH, nicht nur die in § 73 BRAO explizit und als beispielhafte Auswahl aufgeführten Aufgaben, sondern auch allgemein öffentliche Aufgaben. Zu diesen gehört es,

  • die grundsätzliche freie Berufsausübung der Rechtsanwälte zu wahren und
  • Anwaltschaft und Rechtspflege vor zukünftigen Gefahren zu schützen.

Gefahr für freiheitliche Demokratie bedroht auch Anwaltschaft

Die Berliner Anwaltschaft, die durch die RAK vertreten wird, ist Teil der demokratischen-rechtsstaatlichen Gesellschaft und darf sich deshalb auch für eine freiheitliche Demokratie stark machen und offen nach außen vertreten, dass sie dieses wichtige Grundverständnis stützt.

Teilnahme an der Demonstration auf freiwilliger Basis

Zudem wurde niemand zur Teilnahme an der Demo gezwungen. Die Formulierung des Aufrufs war sachlich und so gewählt, dass die Teilnahme an der Demonstration nur angeregt wurde, nicht als Muss zu verstehen war. So konnte jedes Kammermitglied für sich entscheiden, ob es hingeht oder nicht.

(AGH Berlin, Urteil v. 19.2.2020, II AGH 19/18).

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