Altersdiskriminierung von Schiedsrichtern in der Bundesliga?

Der ehemalige Bundesliga-Schiedsrichter Manuel Gräfe hat den DFB wegen Altersdiskriminierung verklagt. Die DFB-Statuten lassen es nicht zu, unstreitig hochqualifizierte Schiedsrichter über das 47. Lebensjahr hinaus zu beschäftigen.

Beim DFB ist am 1. Juli eine äußerst unangenehme Klageschrift des ehemaligen Bundesliga-Schiedsrichters Manuel Gräfe wegen Altersdiskriminierung eingegangen. Obwohl er als einer der besten seines Faches gilt, musste er mit 47 Jahren gehen.

Altersgrenze 47 gilt beim DFB ausnahmslos

Nicht nur Gräfe, auch die beiden Bundesliga Schiedsrichter Guido Winkmann und Markus Schmidt mussten zeitgleich gehen, weil sie die Altersgrenze 47 Jahre erreicht hatten. Für Gräfe hatten sich wegen dessen unbestritten besonders hoher Qualifikation viele Persönlichkeiten der Bundesliga eingesetzt und um eine Verlängerung gebeten. Der DFB sah für eine Ausnahme jedoch keinen Raum. Die Statuten des DFB schreiben eine die Altersgrenze von 47 Jahren zwingend vor. Eine Ausnahme wollte der DFB wohl auch deshalb nicht riskieren, um keinen Präzedenzfall für Folgeanträge anderer Schiedrichter zu schaffen.

Klage Gräfes nicht ohne Erfolgsaussichten

Ob die Altersgrenze der DFB-Statuten den Anforderungen des AGG standhält, ist durchaus zweifelhaft. Gemäß § 4 der DFB Schiedsrichterordnung (DFB-SO) werden Schiedsrichter durch die zuständigen Schiedsrichterausschüsse nach ihrer Leistungsfähigkeit in die einzelnen Spielklassen eingeteilt. Nach § 13a DFB-SO befindet die „Schiedsrichterkommission Elite“ über die Aufnahme von Schiedsrichtern sowie deren Ausscheiden für die Lizenzligen und die 3. Liga nach fachlicher und persönlicher Eignung.

Die fachlichen und persönlichen Voraussetzungen waren gegeben

Die qualitativen und persönlichen Voraussetzungen für eine Wiedereinteilung für die Saison 2021/2022 hatte Gräfe hiernach komplett erfüllt. An seiner körperlichen und psychischen Konstitution bestanden keine Zweifel. Die Nichtaufstellung für die neue Saison beruhte allein auf der Regelung, dass im Elitebereich Schiedsrichter, die das 47. Lebensjahr vollendet haben, nicht mehr für die folgende Spielsaison aufgestellt werden.

AGG ist anwendbar

Die rigorose DFB-Altersgrenze könnte den Vorschriften des AGG widersprechen. Das AGG enthält im wesentlichen Verbote jeglicher Diskriminierung im Verhältnis zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Im konkreten Fall Gräfe dürfte das AGG anwendbar sein. Auch wenn zwischen dem DFB und seinen Schiedsrichtern kein formales Arbeitsverhältnis besteht, so genügt für die Anwendbarkeit der Vorschriften des AGG gemäß §§ 2, 6 AGG, dass Schiedsrichter durch die Vorschriften des DFB in ihrem Zugang zu der für ihren Lebensunterhalt notwendigen Erwerbstätigkeit betroffen sind.

Benachteiligung wegen Alters nur in Ausnahmefällen zulässig

Gemäß §§ 1, 3 AGG ist die Benachteiligung von Personen unter anderem aus Gründen des Alters wegen Diskriminierung grundsätzlich unzulässig. Gemäß §§ 8, 10 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters in Ausnahmefällen zulässig, wenn

  • sie objektiv angemessen und
  • durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist.

DFB verweist auf extreme körperliche und geistige Anforderungen

Hinsichtlich der Altersgrenze stützt sich der DFB auf die nach sportwissenschaftlichen Erkenntnissen regelmäßig mit Ende 40 eintretenden konditionellen Einschränkungen, den zunehmenden Verletzungsgefahren und den im Elite-Fußball ständig wachsenden Anforderungen an die körperliche und geistige Fitness von Schiedsrichtern, die häufig in Sekundenbruchteilen komplexe Entscheidungen zu treffen hätten.

Andere Fußball-Nationen verzichten auf eine Altersgrenze für Schiris

Andere Fußball-Nationen sehen das anders. Die vom DFB gezogene Altersgrenze für Schiedsrichter ist eher ungewöhnlich und in vielen anderen Ländern unbekannt. In Holland beispielsweise existiert die Altersgrenze nicht. Dort pfeifen in der Premier-League Schiedsrichter auch noch mit über 50. Die UEFA hat bei der aktuellen EM den 48 Jahre alten Niederländer Björn Kuipers im Endspiel Italien gegen England eingesetzt. Allerdings besteht auch nach den Statuten der UEFA eine Altersgrenze für Schiedsrichter, und zwar schon mit 45. Die Grenze ist jedoch nicht so starr gezogen wie beim DFB und lässt in begründeten Fällen Ausnahmen zu.

Qualifikation wichtiger als Alter

Gräfe fordert vor diesem Hintergrund, auch beim DFB bei der Schiedsrichterauswahl allein auf Leistung und Qualifikation zu setzen. Gräfe kritisiert, dass diese Kriterien im deutschen Fußball immer mehr in den Hintergrund träten. Er hält die starre Altersgrenzenregelung daher für nicht mehr zeitgemäß. Nicht zuletzt in den unteren Spielklassen habe sie gravierende Folgen, weil viele qualitativ hoch einzuschätzende Schiedsrichter schon bei Überschreitung der Altersgrenze von 25 für die Bundesliga nicht mehr in Betracht kämen und damit keine Karrierechancen mehr hätten.

Gegenmeinung: Gute Gründe, Schluss zu machen

Nicht alle Schiedsrichterkollegen begrüßen die von Gräfe eingereichte Klage. Die Bundesliga-Schiedsrichter Peter Gagelmann und Markus Merk halten die Altersgrenze in den DFB-Statuten für sinnvoll, da nach allgemeiner Erfahrung ab diesem Alter die körperliche Kondition und Schnelligkeit nachlasse. Sie verweisen darauf, dass junge Schiedsrichter nur dann angemessen nachwachsen können und eine Chance haben, wenn die älteren Kollegen ab einem bestimmten Alter ausscheiden. Der Fußball lebe davon, den nachwachsenden Generationen gute Chancen zu bieten. Dies sei nicht möglich, wenn die Älteren nicht akzeptieren wollten, dass auch mal Schluss sein muss.

Gräfe will für Ende der Altersdiskriminierung kämpfen

Gräfe selbst erklärte, er werde künftig nicht mehr als Schiedsrichter tätig sein, auch wenn seine Klage erfolgreich sein sollte. Mit seiner Klage kämpfe er dafür, dass der DFB, der sich in vielfältiger Weise gegen Rassismus und Diskriminierung einsetze, endlich auch mit der Altersdiskriminierung von Schiedsrichtern Schluss mache.

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