Abmahnoffensive wegen Streaming bei Sexseiten

Das LG Köln hat deutlich gemacht, dass durch die verfügte Auskunftserteilung Rechte der Abgemahnten verletzt wurden und entsprechenden Beschwerden abgeholfen wird. Auch die Staatsanwaltschaft Köln ist aktiv wegen der Anwaltskanzlei, die ihre Abmahnpraxis auf das „Streaming“ ausdehnte: Wurde zwecks Adressengewinnung für die Abmahnungen das Gericht getäuscht? Läge darin ein gewerbsmäßiger Betrug? Immer deutlicher kippt der Fall, der User als Freiwild für Goldgräber vorführte. Wie steht es um die Zulassung der Abmahner?

Mittlerweile prüft die Staatsanwaltschaft Köln die Einleitung von Ermittlungen wegen der umstrittenen Abmahnungen. Es geht um ein mögliches Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen falscher Versicherung an Eidesstatt gegenüber dem Landgericht Köln.

Im strafrechtlichen Raum steht die Frage, ob die Regensburger Anwaltskanzlei U + C gegenüber dem Landgericht Köln falsche Angaben gemacht habe, um an Nutzerdaten  für Abmahnungen zu kommen.

Landgericht Köln distanziert sich

In einer offiziellen Stellungnahme des Gerichts  haben die verantwortlichen Richter sich nun von ihren Beschlüssen distanziert und die Hintergründe erläutert.

Mit endgültigen Entscheidungen sei erst im Januar zu rechnen. Allerdings hätten einige Kammern, bei denen Beschwerden eingegangen seien, bereits in Hinweisen signalisiert, dass sie an ihrer Entscheidung nicht festhalten wollen. Beschwerden gegen die Beschlüsse könnten abgeholfen bzw. es könnte ausgesprochen werden, dass die betroffenen Anschlussinhaber durch diese in ihren Rechten verletzt wurden.

Großes Abmahnrad gedreht - illegal?

Nach Schätzungen der Tageszeitung „Rheinische Post“ hat die Regensburger Kanzlei Urmann & Collegen 10-20.000 User abgemahnt, die sich Videos auf der Pornoseite “Redtube“ angeschaut haben. Rechteinhaber ist das Schweizer Unternehmen „The Archive AG“. Doch mittlerweile steht der Verdacht im Raum, dass hinter der Abmahnwelle eine extra dafür vorgenommene, rechtlicht fragwürdige  Neugründung zu Abmahnzwecken steckt.

Auf Scham der User spekulieren?

In den Massenabmahnungen steckt eine Menge Einschüchterungspotenzial. Die Anwaltskanzlei scheint darauf zu spekulieren, dass einige User schon deshalb zahlen werden, um sich weitere Peinlichkeiten zu ersparen. Der Schachzug ist perfide und sicher häufig wirkungsvoll: Wer bespricht schon gerne diesen Rechtsfall in familiärer Kaffeerunde? Doch der Widerstand gegen diese Abmahnwelle kommt von vielen Seiten.

Anti-Abmahn-Allianz? Marke Redtube kommt aus der Deckung

Nachdem Anwälte und Internet-Blogs schnell auf dem Plan waren, kommt nun auch Redtube aus der Deckung und seiner "Tabuzone" heraus. Man stellt sich vor seine Kunden. Das Unternehmen betont über Alex Taylor, seinen Vizepräsidenten, dass keinerlei personenbezogene Daten an irgendeine Anwaltskanzlei, Behörde oder andere Organisation herausgegeben wurden. Es sei sehr wahrscheinlich, dass die Daten unter Verwendung unlauterer Methoden erlangt worden sein, man gehe bei Redtube mit personenbezogenen Daten sehr sorgsam um und tue regelmäßig alles dafür, Besuchern die höchsten Datenschutzstandards zu bieten. Man will die Verursacher zur Rechenschaft ziehen und sieht die eigenen Nutzer zu Unrecht abgemahnt.

Gucken erlaubt - eigentlich: Hohe rechtliche Anforderungen an die User

Grundlage der rechtlichen Beurteilung ist § 53 UrhG. Nach dieser Vorschrift sind Downloads zum privaten Gebrauch zulässig, wenn zur Vervielfältigung nicht eine „offensichtlich rechtswidrig hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte Vorlage verwendet wird“. Das bedeutet für den User, dass er grundsätzlich zum Anschauen von Videos zum privaten Gebrauch berechtigt ist, wenn es sich nicht um eine offensichtlich rechtswidrige Vorlage handelt. Als offensichtlich rechtswidrig werden Internetvorlagen dann angesehen, wenn dem unbefangenen User Zweifel an der Rechtmäßigkeit kommen müssen. Dies wird in der Regel verneint, wenn beispielsweise eine einzelne Musikaufnahme eines Künstlers angeboten wird. Bejaht wird die offensichtliche Rechtswidrigkeit, wenn eine Tauschbörse sämtliche Musikstücke eines bekannten Künstlers gleichzeitig anbietet.

Verletzungstatbestand „Filesharing“

Das Problem bei Tauschbörsen besteht darin, dass der User die Stücke regelmäßig nicht lediglich zum privaten Gebrauch herunterlädt. Durch das so genannte „Filesharing“ wird das heruntergeladene Stück automatisch auf der Festplatte gespeichert und dort über einen Teil der Festplatte anderen Usern zur weiteren Nutzung zur Verfügung gestellt. Damit dient der Download nicht bloß zum privaten Gebrauch. Folge: Der User verletzt das Urheberrecht. Weitere Folge: Jedes Jahr werden mehrere 100.000 User wegen Verletzung des Urheberrechts abgemahnt und müssen häufig zahlen.

Grauzone „Streaming“

Zurückhaltend waren die Abmahnkanzleien bisher beim sogenannten „Streaming“. Hier nutzt der User ein auf einer entsprechenden Seite angebotenes Stück, ohne dass dieses auf der Festplatte zwischengespeichert wird. Allerdings wird auch beim „Streaming“ ein Vervielfältigungsstück sekundenweise im temporären Speicher abgelegt. Dies dient dazu, das Stück in technisch einwandfreier Weise wiederzugeben. Dieser Sachverhalt hat das AG Leipzig im Rahmen eines Strafverfahrens veranlasst, auch hierin eine rechtswidrige Vervielfältigung zu sehen. Das AG verweist insoweit auf § 16 UrhG, der auch eine nur vorübergehende Vervielfältigung als Urheberrechtsverletzung definiert (AG Leipzig, Urteil v. 21.12.2011, 200 Ls 390 Js 184/11). Viele Rechtswissenschaftler halten demgegenüber diesen flüchtigen Zwischenspeicher nicht für urheberrechtsrelevant. Die Frage ist aber umstritten und höchstrichterlich bisher nicht entschieden.

Kölner Gericht von Anwälten getäuscht?

Nicht einwandfrei war wohl die Art und Weise, wie die Abmahnkanzlei an die IP-Adressen der Betroffenen gekommen ist. „The Archive“ hatte Auskunftsanträge beim LG Köln über eine Berliner Kanzlei gestellt. Grundlage einer solchen gerichtlichen Zustimmungserklärung ist § 101 Urhebergesetz. Geht das Gericht davon aus, dass eine Urheberrechtsverletzung plausibel dargelegt ist, wird die Zustimmung zur Adressermittlung erteilt.  „Durch das unbefugte öffentliche Zugänglichmachen des geschützten Werkes über eine sogenannte Tauschbörse liegt eine Rechtsverletzung des § 19 UrhG vor“, lautete der Beschluss, der die Telekom zur Herausgabe der Adressen aufforderte. Dass es sich um ein Streaming-Portal und nicht um eine Tauschbörse handelt, wird nicht erwähnt. Der Mobilfunkanbieter kam der Aufforderung nach und übergab Namen und Hausanschriften der Anschlussinhaber wie verlangt an die Anwaltskanzlei U + C. Um eine Tauschplattform handelt es sich bei Redtube allerdings nicht. Nutzer stellen auf der Webseite keine Inhalte bereit, sondern sehen sich lediglich Filme im Stream an.

Die Freigabe der Nutzerdaten beruhte daher auf falschen oder unvollständigem Sachvortrag.  Zweifelhaft ist, ob das LG in dem Zustimmungsantrag korrekt darauf hingewiesen wurde, dass es sich hier um einen Streaming-  und nicht um einen Filesharing-Fall handelt und ob das LG die Zustimmung zur Adressermittlung bei einem Streaming erteilt hätte. Damit bleibt unklar, ob die Adressermittlung legal war.

Unterlassungserklärung nicht unterschreiben!

Der Ratschlag der meisten Juristen im Fall der Regensburger Pornoabmahnungen ist, die Unterlassungserklärung nicht zu unterschreiben und auch nicht zu zahlen, vieleicht aber einen Widerspruch zu formulieren.

Wer unterschreibt und zahlt muss wissen, dass er damit einen Vergleich abschließt und daher auch keine Chance hat, sein Geld wieder zurückzuerhalten, selbst wenn sich künftig die Rechtswidrigkeit der Abmahnungen herausstellen sollte. Wer einen Anwalt einschaltet, hat zwar Chancen, die Anwaltsgebühren ersetzt zu erhalten, wird hierfür aber vermutlich vor Gericht kämpfen müssen.

Fazit: Der Abmahnwahnsinn geht in eine neue Runde, zumal noch nicht einmal alle Redtube-Abmahnungen versandt wurden, nur die, deren Adressen von der Telekom geliefert wurden.

Wachsender Trost: gegen einen der Abmahnanwälte ist mittlerweile Strafanzeige erhoben worden und das beteiligte Gericht denkt um.

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