Indirekte Unterhaltspflicht gegenüber Schwiegereltern

Eine Unterhaltspflicht gegenüber Schwiegereltern besteht zumindest direkt nicht. Indirekt kann es aber schnell zum Durchgriff auf das Einkommen von Schwiegerkindern kommen. Hat das theoretisch unterhaltspflichtige Kind ein niedrigeres oder kein Einkommen, ist sein Unterhaltsanspruch gegenüber den Ehepartner die Einflugschneise in den (Schwieger)-Elternunterhalt.

Kinder sind aufgrund der familiären Solidargemeinschaft grundsätzlich verpflichtet, im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten Unterhalt für ihre (pflege)bedürftigen Eltern zu zahlen. Oft zahlt zunächst der Sozialträger, der sich anschließend im Wege des Sozialhilferegress von den Kindern das Geld zurückholt.

Anspruch aus übergegangenem Recht

Kann ein Elternteil die Kosten seines Pflegeheimaufenthalts aus eigenem Einkommen und Vermögen nicht vollständig bestreiten und leistet das Sozialamt in diesem Fall ergänzend, geht der Unterhaltsanspruch des Elternteils gegen sein Kind gem. § 94 SGB XII auf den Sozialträger über. Für den Unterhaltsanspruch selbst gelten die allgemeinen familienrechtlichen Vorschriften.

Sozialhilferegress, wenn nur der Ehepartner des erwachsenen Kindes verdient

Einen Unterhaltsanspruch von Eltern gegen Schwiegerkinder gibt es nicht.

Allerdings kann das Sozialamt mittelbar auf das Einkommen von Schwiegersohnes/-tochter  Zugriff nehmen, wenn die unterhaltspflichtige Tochter (der Sohn) ihrerseits einen Unterhaltsanspruch gegen den eigenen Ehepartner hat.

Der BGH sieht darin keine verdeckte Haftung des besser verdienenden Ehegatten.

Schwiegerkind-Haftung über den Taschengeldanspruch

Einer Hausfrau (Hausmann) etwa steht neben dem Naturalunterhalt (Kleidung, Wohnen etc.) ein Taschengeldanspruch zu. Dieser muss grundsätzlich für Unterhaltszwecke eingesetzt werden. Verdient beispielsweise der Schwiegersohn 5.000 Euro monatlich, steht der Tochter gegen ihn ein Taschengeldanspruch von fünf Prozent zu, also 250 Euro monatlich. Davon muss sie 50 Prozent auf den Unterhalt ihrer bedürftigen Eltern verwenden.

Hat das Kind eigene Einnahmen, ergänzt dieser Anspruch seine Leistungsfähigkeit.

BGH-Konstruktion der Leistungsfähigkeit via Schwiegerkind

Zur Frage, wie sich die sog. „Leistungsfähigkeit“ des unterhaltspflichtigen Kindes errechnet und inwieweit auch die Höhe des Einkommens des Ehepartners dabei eine Rolle spielt, hat der BGH (Beschluss v. 5.2.2014, XII ZB 25/13) in folgendem Fall Stellung genommen.

Schwiegersohn zahlt für verstorbenen Schwiegervater

Nachdem der Sozialträger die Tochter daraufhin im Mai 2011 vergeblich zur Zahlung von monatlich 363 EUR Elternunterhalt aufforderte, machte er im August 2011 mit Antrag beim Familiengericht Hattingen den Unterhaltsrückstand sowie einen laufenden Unterhalt von 418 EUR monatlich ab September 2011 geltend.

Familiärer und finanzieller Hintergrund der Tochter

Die Antragsgegnerin lebte und wohnte zusammen mit Ihrem Ehemann in einer Eigentumswohnung und verfügte im Jahr 2012 über ein unterhaltsrechtlich relevantes monatliches  Nettoeinkommen von 1.657,66 EUR.  Das Einkommen des Ehemannes lag bei 3.993,99 EUR.

Im ebenfalls entscheidungsrelevanten Zeitraum 2011 wichen diese Einkommensbeträge nur geringfügig hiervon ab. Sie besitzt zudem ein Reitpferd, für dessen Haltung sie ca. 400 EUR monatlich aufbringen muss. Für einen im April 2011 neu gekauften PKW war sie mit Kreditraten belastet.

Nachdem das Amtsgericht dem Antrag des Sozialträgers stattgegeben hatte, bestätigte auch das Oberlandesgericht Hamm im September 2012 auf die Beschwerde der Antragsgegnerin hin den angefochtenen Beschluss mit geringfügigen Änderungen. Hiergegen legte die Tochter Rechtsbeschwerde beim BGH ein. Die BGH-Richter folgten jedoch den Ausführungen des OLG und bestätigten damit den Anspruch des Sozialträgers gegen die Tochter auf Zahlung von Elternunterhalt für ihren leiblichen Vater, da der Unterhaltsanspruch gem. § 94 SGB XII auf den Sozialträger übergegangen sei.

BGH zur Elternunterhalt Berechnung incl. Schwiegerkind

Zwar ist zusätzlich neben der Bedürftigkeit des Elternteiles (§ 1602 BGB) auch die Leistungsfähigkeit des Kindes (§ 1603 BGB) erforderlich ist.

Wie die Leistungsfähigkeit verheirateter Unterhaltspflichtiger zu berechnen ist, wenn der Unterhaltspflichtige über ein höheres Einkommen verfügt als der Ehepartner, hatte der BGH bereits in einem Grundsatzurteil 2010 mit einem mittlerweile umstrittenen Berechnungsmodell entschieden (BGH, Urteil v. 28.7.2010, XII ZR 140/07):

  • „Von dem Familieneinkommen wird der Familienselbstbehalt in Abzug gebracht.
  • Das verbleibende Einkommen wird um die Haushaltsersparnis vermindert.
  • Die Hälfte des sich ergebenden Betrages kommt zuzüglich des Familienselbstbehalts dem Familienunterhalt zugute.
  • Zu dem so bemessenen individuellen Familienbedarf hat der Unterhaltspflichtige entsprechend dem Verhältnis der Einkünfte der Ehegatten beizutragen.
  • Für den Elternunterhalt kann der Unterhaltspflichtige die Differenz zwischen seinem Einkommen und seinem Anteil am individuellen Familienbedarf einsetzen.“

Berechnungsschema übertragbar auf vorliegende Fallgestaltung

Das OLG hielt an dieser Berechnungsmethode auch für den zu entscheidenden Fall fest. Die Frage allerdings, ob das Berechnungsmodell auch auf die Fälle anwendbar ist, bei denen das Einkommen des Unterhaltspflichtigen niedriger ist als das des Ehepartners, ist nicht ganz unumstritten.

Da hier der verheiratete Unterhaltspflichtige nach Abzug des für den Unterhaltszeitraum geltenden Familienselbstbehalts unter Umständen mehr bezahlen müsse, als wenn er alleinstehend wäre, gehen Kritiker von einer verdeckten Haftung des Schwiegerkindes aus.

Keine verdeckte Haftung des besser verdienenden Schwiegerkindes

Der BGH verneinte jedoch ausdrücklich eine verdeckte Haftung des Schwiegerkindes und hält die Berechnungsmethode ebenso wie das OLG für sachgerecht:

  • Die Antragsgegnerin ist verheiratet und profitiere vom höheren bereinigten Einkommen ihres Ehemannes, da ihr Anspruch auf Familienunterhalt zustehe. Dadurch erhöhe sich das verteilbare Einkommen.
  • Zwar habe schon bei gleich hohem Einkommen ein alleinstehender Unterhaltspflichtiger weniger für den Elternunterhalt aufzubringen als ein verheiratetes Kind, allerdings sei dies durch die zusätzliche Absicherung des unterhaltspflichtigen Kindes durch den Familienunterhalt gerechtfertigt.
  • Die Ermittlung des individuellen Familienbedarfs stelle jedoch sicher, dass der Elternunterhalt nur aus dem Einkommen des Unterhaltspflichtigen gespeist wird.
  • Dem unterhaltspflichtigen Kind verbleibe der Anteil, den es zum Familienbedarf beizutragen hat. Nur sein darüber hinausgehendes Einkommen sei für den Elternunterhalt einzusetzen.
  • Der besser verdienende Ehegatte müsse daher bei Inanspruchnahme auf Elternunterhalt keine weiteren Leistungen erbringen, um den Lebensstandard der Familie aufrechtzuerhalten.

Zudem betonte der BGH, dass durch eine einheitliche Anwendung dieses Berechnungsmodells die Unterhaltspflicht für die Rechtspraxis vergleichbar und berechenbar werde.

Berechnung des Elternunterhalts der Tochter für das Jahr 2012

Für den vorliegenden Fall errechnet sich der für den Elternunterhalt aufzubringende Betrag für das Jahr 2012 wie folgt:

Einkommen der  Antragsgegnerin

1.657,66 EUR

Einkommen Ehegatte

3.993,99 EUR

Familieneinkommen

5.651,65 EUR

abzgl. Familienselbstbehalt (2012)

2.700,00 EUR

verbleiben

2.951,65 EUR

abzgl. 10 % Haushaltsersparnis

295,17 EUR

Zwischensumme

2.656,49 EUR



davon verbleiben zusätzlich ½

1.328,24 EUR

zzgl. Familienselbstbehalt (2012)

2.700,00 EUR

individueller Familienbedarf (1.328,24 + 2.700 EUR)

4.028,24 EUR

Anteil Antragsgegnerin

1.181,50 EUR



Einkommen Antragsgegnerin

1.657,66 EUR

abzgl. Anteil der Antragsgegnerin am Familienselbstbehalt

1.181,50 EUR

für Elternunterhalt einsetzbar

476,15 EUR

Eigentumswohnung: Wohnwert ist dem Einkommen zuzurechnen

Gegenstand des Urteils war neben der Berechnungsmethode auch die Berücksichtigung des Wohnvorteils aufgrund der Eigentumswohnung. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin habe das OLG richtigerweise den Wohnwert anteilig dem Einkommen der Antragsgegnerin hinzugerechnet und nicht im Rahmen des Selbstbehalts berücksichtigt. Denn die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen bestimme sich auch durch Vermögenserträge und sonstige wirtschaftliche Nutzungen. Der Wohnvorteil durch mietfreies Wohnen im Eigenheim sei als wirtschaftliche Nutzung des Vermögens unterhaltsrechtlich wie Einkommen zu behandeln.

Kosten des Reitpferds sind vom Selbstbehalt gedeckt

Der Auffassung der Antragsgegnerin, die Tierhaltungskosten von 400 EUR monatlich für das Reitpferd müssten von ihrem Einkommen abgezogen werden, vermochte auch der BGH nicht zu folgen. Diese Kosten seien bereits vom Selbstbehalt gedeckt. Der Eigenbedarf des Unterhaltspflichtigen sei immer aufgrund der konkreten Umstände und unter Berücksichtigung der besonderen Lebensverhältnisse zu ermitteln.

Der Unterhaltspflichtige brauche dabei grundsätzlich keine spürbare und dauerhafte Senkung seines Lebensstandards hinzunehmen. Schon aus diesem Grund sei aber der Selbstbehalt des unterhaltspflichtigen Kindes höher als der des unterhaltberechtigten Elternteils. Dieser Selbstbehalt steigt zudem proportional mit dem Einkommen des Unterhaltsschuldners. Die Zuordnung der Tierhaltungskosten zu den Aufwendungen des täglichen Lebens sei daher nicht unbillig.

Kreditrate für die Anschaffung eines neuen Pkw bleibt unberücksichtigt

Die Kreditraten für das neu angeschaffte Auto blieben entgegen der Auffassung der Antraggegnerin bei der Berechnung des Elternunterhalts unberücksichtigt.

Verbindlichkeiten dürfen grundsätzlich nicht ohne Rücksicht auf die Interessen der Unterhaltsberechtigten eingegangen bzw. getilgt werden.

Bei der hier immer vorzunehmen umfassenden Interessenabwägung sind insbesondere der Zweck der Verbindlichkeit, der Zeitpunkt ihrer Entstehung und die Dringlichkeit der Anschaffung zu berücksichtigen.

Die Antragstellerin hätte sich im vorliegenden Fall zum Zeitpunkt der Kreditaufnahme im April 2011 bereits auf ihre Unterhaltsverpflichtung einrichten müssen. Sie hat zudem weder einen konkreten Anlass noch eine wirtschaftliche Notwendigkeit für die Neuanschaffung darlegen können.


Vgl. zum Thema Elternunterhalt:

Regressforderung des Sozialamts bei Heimunterbringung

Wenn Eltern Unterhalt von ihren Kindern brauchen

Elternunterhalt und Altersvorsorge

Elternunterhalt: das Häuschen der Kinder bleibt unangetastet


Hintergrund:

Im Falle des Sozialregresses müssen Kind und Schwiegerkind auf Anfrage des Sozialhilfeträgers Auskunft über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse erteilen. Dies verstößt, obwohl es für getrennt lebende Ehepartner oder unverheiratete Paare nicht gilt, nach einer Entscheidung des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 18.2.2016 (L 5 SO 78/15) nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz, weil ein nicht getrennt lebender Ehepartner nicht mit einem getrennt lebenden Ehegatten oder einem unverheirateten Lebenspartner vergleichbar sei.

Elternunterhalt und Heimunterbringung

Gemäß §§ 1601 BGB sind Verwandte in gerader Linie einander zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet. Es gilt das Prinzip der Gegenseitigkeit. Ausgeschlossen ist diese Unterhaltsverpflichtung nur ganz ausnahmsweise gemäß § 1611 Abs. 1 Satz 2 BGB, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten aufgrund besonderer Umstände grob unbillig wäre.

Häufiges Problem: Kosten des Pflegeheims

Mitbestimmend für die Unterhaltsverpflichtung sind die Kosten eines Pflegeheims.  Diese orientieren sich an der Lebenssituation des Unterhaltsberechtigten. Lebt dieser beispielsweise von der Grundsicherung, so ist nur die Unterbringung in einem einfachen und kostengünstigen Pflegeheim geschuldet, wobei die Unterbringung allerdings zumutbar sein muss (BGH, Urteil v. 21.11.2012, XII ZR 150/10).

Neben den Kosten für das Heim schuldet der Unterhaltsverpflichtete einen Barbetrag für den täglichen Bedarf (BGH, Urteil vom 25.06. 2003, XII ZR 63/00).

Kosten der Heimunterbringung ist nicht das einzige Auswahlkriterium

Grundsätzlich ist der sozialhilfebedürftige Unterhaltsberechtigte nicht darauf beschränkt, die Kosten der Heimunterbringung zum einzigen Auswahlkriterium zu erheben. Hat er die Wahl zwischen mehreren Heimen im unteren Preissegment, steht ihm insoweit ein Entscheidungsspielraum zu. Außerhalb dieses Preissegments hat der Unterhaltsberechtigte demgegenüber besondere Gründe vorzutragen, aus denen sich ergibt, dass die Wahl des Heims aus dem unteren Preissegment nicht zumutbar war (BGH, Beschluss v. 7.10.15, XII ZB 26/15.

Beispiel: Dies ist z. B dann der Fall, wenn der Elternteil die Heimkosten für das teurere Heim bisher selbst aufbringen konnte, dies aber nunmehr, etwa wegen Änderung der Pflegestufe nicht mehr möglich ist, der Unterhaltspflichtige bei der Auswahl des Heims mitgewirkt hat oder ein Heimplatz in dem kostengünstigen Heim nicht zur Verfügung steht.

Aus: Deutsches Anwalt Office Premium

Schlagworte zum Thema:  Elternunterhalt, Unterhalt