Leitsatz

Die Bestimmung eines gemeinsam zuständigen Gerichts ist nicht möglich, wenn aus Gründen der Prozessökonomie gegen einen einzigen Beklagten verschiedene Ansprüche einheitlich geltend gemacht werden sollen.

 

Normenkette

§ 23 Nr. 2 GVG; § 36 ZPO

 

Das Problem

  1. Wohnungseigentümer K macht vor dem AG Wiesbaden gegen die Bauträgerin und Verwalterin V Ansprüche geltend, in denen V teils in ihrer Eigenschaft als Bauträger, teils als Verwalterin belangt wird. Bereits in der Klageschrift begehrt K eine Gerichtsstandsbestimmung.
  2. Das AG Wiesbaden erklärt sich wegen der hohen Streitwerte der Bauträgeransprüche zum Teil für sachlich unzuständig und legt die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung über den Antrag nach § 36 ZPO vor.
 

Die Entscheidung

  1. Die Voraussetzungen für eine Gerichtsstandsbestimmung lägen nicht vor. Es bestehe eine ausschließliche örtliche und sachliche Zuständigkeit gemäß § 43 Nr. 3 WEG, § 23 Nr. 2c GVG hinsichtlich der Anträge, die sich gegen V in ihrer Eigenschaft als Verwalterin richteten. Hinsichtlich der anderen Anträge bestehe die streitwertabhängige sachliche Zuständigkeit des Landgerichts.
  2. Die Bestimmung eines für alle Ansprüche gemeinsam zuständigen Gerichts sei nur möglich, wenn die in § 36 Abs. 1 ZPO niedergelegten Voraussetzungen erfüllt sind. Dies sei hier nicht der Fall. § 36 Abs. 1 ZPO sei keine Generalklausel, wonach eine Zuständigkeitsbestimmung zulässig ist, wenn die Bestimmung eines einheitlichen Gerichtsstands aus prozessökonomischen Gründen und/oder zur Vermeidung widersprechender Entscheidungen sinnvoll erscheint. Derartige Zweckmäßigkeitserwägungen spielten zwar im Rahmen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO eine Rolle, der deswegen weit ausgelegt werde. So könne beispielsweise ein gemeinsames Gericht bestimmt werden, wenn ein Wohnungseigentümer gegen einen Miteigentümer und dessen Mieter vorgehen möchte. Eine Gerichtsstandsbestimmung komme hingegen nicht in Betracht, wenn – wie hier – lediglich gegen einen Antragsgegner vorgegangen werden solle. Denn Grundvoraussetzung sei, dass auf der Passivseite mehrere Personen beteiligt seien, wobei zwischen diesen eine Streitgenossenschaft im Sinne des § 60 ZPO bestehen müsse. Auch die anderen Alternativen des § 36 Abs. 1 ZPO griffen nicht. Soweit beide Parteien ein einheitliches Verfahren vor dem AG Wiesbaden durchführen möchten, bliebe es ihnen unbenommen, eine entsprechende Gerichtsstandsvereinbarung zu treffen. Die Unzuständigkeitserklärung des Amtsgerichts stehe dem nicht entgegen, da diese mangels gleichzeitiger Verweisung (§ 281 ZPO) keine Rechtswirkungen entfalte.
 

Kommentar

Anmerkung

Das Problem des Falls wird vom Oberlandesgericht nicht zutreffend erfasst. Ist der Bauträger zugleich der erste Verwalter, können die Wohnungseigentümer gegen den Bauträger sowohl Ansprüche aus ihren Erwerbsverträgen als auch solche Ansprüche haben, die im Wohnungseigentumsrecht oder im Verwaltervertrag wurzeln. Vorstellbar ist, dass es zur Durchsetzung dieser Ansprüche auf dieselben Rechtsfragen ankommt. Insoweit ist es nicht sinnvoll, einerseits vor dem LG gegen den Bauträger als Bauträger zu klagen und vor dem Wohnungseigentumsgericht gegen den Bauträger als Verwalter. Es wäre daher durchaus sinnvoll gewesen, entsprechend § 36 ZPO für die gegen den Bauträger gerichtete Klage einen gemeinsamen Gerichtsstand festzusetzen.

Was ist für den Verwalter wichtig?

Der Verwalter muss unter anderem dafür sorgen, dass die Ansprüche der Wohnungseigentümer gegenüber dem Bauträger nicht verjähren. Der Verwalter kann hierzu, droht Fristablauf, zwar selbst tätig werden. Ungeachtet dessen sollte der Verwalter die Wohnungseigentümer zeitig darauf hinweisen, dass ihre Mängelrechte aus den jeweiligen Erwerbsverträgen zu verjähren drohen. Problematisch ist insoweit, dass der Ablauf der Verjährung nicht für alle Wohnungseigentümer identisch ist. Jedenfalls in solchen Wohnungseigentumsanlagen, in denen das gemeinschaftliche Eigentum nicht zu einem für alle Wohnungseigentümer gültigen Zeitpunkt abgenommen wurde, kann sich der Ablauf der Verjährung wenigstens bis zu 2 Jahre zwischen den einzelnen Wohnungseigentümern unterscheiden.

 

Link zur Entscheidung

OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 17.11.2014, 11 SV 114/14

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