Leitsatz

Rechtsstreitigkeiten zwischen Wohnungseigentümern wegen Entziehung des Wohnungseigentums sind Wohnungseigentumssachen gemäß § 43 Nr. 1 bzw. Nr. 2 WEG in der seit dem 1. Juli 2007 geltenden Fassung

 

Normenkette

§§ 18, 43, 62 Abs. 2 WEG

 

Das Problem

In einer Gemeinschaft aus nur 2 Wohnungseigentümern will der Kläger im Wege der Entziehungsklage gemäß § 18 WEG erreichen, dass die Beklagte ihr Wohnungseigentum veräußern muss. Das Amtsgericht weist die Klage ab. Das Landgericht weist die Berufung des Klägers durch Beschluss zurück. Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision.

 

Entscheidung

  1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 62 Abs. 2 WEG bereits nicht statthaft. Nach § 62 Abs. 2 WEG seien die Bestimmungen über die Nichtzulassungsbeschwerde in Wohnungseigentumssachen nach § 43 Nr. 1 bis 4 WEG auf vor dem 31. Dezember 2014 verkündete Entscheidungen nicht anzuwenden.
  2. Nach nahezu einhelliger Meinung sei die Entziehungsklage gemäß § 43 Nr. 1 oder Nr. 2 WEG als wohnungseigentumsrechtliche Streitigkeit einzuordnen (Hinweis unter anderem auf OLG Köln v. 16.8.2010, 16 W 25/10, ZWE 2010 S. 461; Klein, in Bärmann, WEG, 12. Aufl. 2013, § 43 Rn. 74). Der Senat teile diese Auffassung. Rechtsstreitigkeiten zwischen Wohnungseigentümern wegen Entziehung des Wohnungseigentums seien Wohnungseigentumssachen gemäß § 43 Nr. 1 bzw. Nr. 2 WEG in der seit dem 1. Juli 2007 geltenden Fassung.
  3. Das Wohnungseigentumsgesetz in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung habe in § 43 Nr. 1 Ansprüche auf Entziehung des Wohnungseigentums (§§ 18, 19 WEG) ausdrücklich von den dort geregelten Wohnungseigentumssachen ausgenommen. Aus diesem Grund hätten Entziehungsklagen dem Verfahren nach der Zivilprozessordnung unterlegen. Dagegen sähe die seit dem 1. Juli 2007 geltende Neufassung des § 43 Nr. 1 WEG eine entsprechende Sonderregelung für das Entziehungsverfahren nicht mehr vor. Zugleich sei § 51 WEG a.F. gestrichen worden; dieser Vorschrift zufolge war das Amtsgericht für Rechtsstreitigkeiten zwischen Wohnungseigentümern wegen Entziehung des Wohnungseigentums zuständig.
  4. Entgegen der Auffassung des Klägers sei dem Gesetzgeber kein redaktionelles Versehen unterlaufen. Vielmehr ließen sowohl die Gesetzessystematik als auch die Gesetzesbegründung darauf schließen, dass für eine gesonderte Regelung des Entziehungsverfahrens deshalb kein Bedarf mehr gesehen wurde, weil es wie andere Wohnungseigentumssachen nunmehr ohnehin nach der Zivilprozessordnung zu behandeln sei (Hinweis auf BT-Drs. 16/887, S. 42 zu Nr. 17 und BGH v. 10.10.2013, V ZR 281/12, WuM 2013 S. 760). Insbesondere gäbe es keine Anhaltspunkte dafür, dass Entziehungsklagen abweichend vom früheren Recht in 1. Instanz den Landgerichten zugewiesen werden sollten; diese wären nach Streichung des § 51 WEG a.F. aber aufgrund des Streitwerts in aller Regel zuständig, wenn die Verfahren nicht zu den Wohnungseigentumssachen zählten, für die das Amtsgericht ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstands ausschließlich zuständig sei (§ 23 Nr. 2 c) GVG).
  5. Das dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer vorgelagerte sachenrechtliche Grundverhältnis sei nicht betroffen, über das in dem allgemeinen Verfahren nach der Zivilprozessordnung zu verhandeln und entscheiden wäre (Hinweis auf BGH v. 30.6.1995, V ZR 118/94, BGHZ 130 S. 159, 164 ff.). Richtig sei zwar, dass die Vollstreckung eines Entziehungsurteils, in dem die Pflicht zur Veräußerung tituliert sei, sachenrechtliche Folgen habe. Die Entziehungsklage betreffe aber im Kern das Gemeinschaftsverhältnis. Denn die Entziehung des Wohnungseigentums stelle eine Sanktion für schwerste Verstöße gegen die in dem Gemeinschaftsverhältnis wurzelnden Pflichten dar; die darauf gerichtete Klage diene vornehmlich der Entfernung des störenden Eigentümers aus der Gemeinschaft als "ultima ratio".
  6. Ob sich die Einordnung als Wohnungseigentumssache aus § 43 Nr. 1 WEG ergäbe, weil die Wohnungseigentümer Inhaber des Entziehungsrechts sind (so Elzer, in BeckOK WEG, Edition 18, § 43 Rn. 131; Abramenko, in Riecke/Schmid, WEG, 3. Aufl. 2010, § 43 Rn. 5 und 12), oder ob aufgrund der Ausübung des Entziehungsrechts durch die Gemeinschaft vielmehr § 43 Nr. 2 WEG einschlägig ist (Hinweis unter anderem auf Klein, in Bärmann, WEG, 12. Aufl. 2013, § 43 Rn. 74), sei für die Anwendbarkeit von § 62 Abs. 2 WEG belanglos.
  7. Die Entziehungsklage sei auch dann Wohnungseigentumssache, wenn die Gemeinschaft wie hier nur aus 2 Wohnungseigentümern besteht. Zwar werde das Entziehungsrecht in Zweiergemeinschaften gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 WEG nicht durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ausgeübt (§ 19 Abs. 1 Satz 2 WEG); auch sei ein Entziehungsbeschluss entbehrlich (BGH v. 22.1.2010, V ZR 75/09, ZWE 2010 S. 179). Die Einordnung als Wohnungseigentumssache ergäbe sich aber ohne Weiteres aus § 43 Nr. 1 WEG. Obwohl das Recht nicht durch die Gemeinschaft ausgeübt werde, liege der Schwerpunkt der Entziehungsklage ebenso wie in größeren Gemeinschaften in...

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