Leitsatz

Streitigkeiten aus einem Kaufvertrag über Wohnungseigentum stellen keine Streitigkeit der Wohnungseigentümer untereinander dar

 

Normenkette

§ 43 Nr. 1 WEG; § 72 Abs. 2 GVG

 

Das Problem

  1. K veräußert sein Wohnungseigentum an B. Der Kaufvertrag enthält eine Vereinbarung, nach der sich B verpflichtet, unter gewissen Voraussetzungen eine von K gezahlte Sonderumlage an diesen auszuzahlen oder bei Auszahlung an ihn freizugeben. Im Kaufvertrag versichert K, dass ihm keine Umstände bekannt sind, die nach Lastenübergang zu einer B treffenden Sonderumlage führen könnten.
  2. Mit der Klage nimmt K den B wegen Auszahlung einer Sonderumlage an ihn auf Zahlung der 1.460 EUR in Anspruch. Widerklagend begehrt B, K wegen einer anderen Sonderumlage zu verurteilen, an ihn 2.044,50 EUR nebst Zinsen zu zahlen.
  3. Das Amtsgericht gibt der Klage statt und weist die Widerklage ab. Gegen dieses Urteil legt die Beklagte zunächst Berufung beim Landgericht Kassel ein. Nach einem Hinweis des Vorsitzenden, dass es sich hier um eine Binnenstreitigkeit nach § 43 Nr. 1 WEG handeln könnte, nimmt die Beklagte ihre Berufung vor dem Landgericht Kassel zurück und legt beim Landgericht Frankfurt a.M. Berufung ein.
 

Entscheidung

  1. Die Berufung ist unzulässig. Es handle sich nicht um einen Rechtsstreit nach § 43 Nr. 1 WEG.
  2. Nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG sei das Wohnungseigentumsgericht – ausschließlich – nur zur Entscheidung von Streitigkeiten über die sich aus der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und aus der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums ergebenden Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander berufen. Um eine derartige Streitigkeit handle es sich ersichtlich nicht. Zwar sei § 43 Nr. 1 WEG grundsätzlich weit auszulegen. Er erfasse allerdings lediglich gemeinschaftsbezogene Streitigkeiten der Wohnungseigentümer untereinander. Bereits an dieser Voraussetzung fehle es. Die Parteien seien nie gleichzeitig Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft gewesen.
  3. Streitigkeiten aus einem Kaufvertrag über Wohnungseigentum stellten jedoch keine Streitigkeit der Wohnungseigentümer untereinander dar und seien daher auch nicht vom § 43 Nr. 1 WEG erfasst. Dass die Parteien sachlich um die Frage der Auswirkungen von Beschlüssen auf die Abreden in dem zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag streiten würden, mache die Sache nicht zu einer Streitigkeit nach § 43 Nr. 1 WEG. Etwas anderes ergäbe sich auch nicht daraus, dass, wie die Beklagte zutreffend ausführe, die Zuständigkeitszuweisung des § 43 WEG weit auszulegen sei. Denn die Parteien stritten in der Sache gleichwohl um einen Kaufvertrag. Kaufrechtliche Fragen seien aber auch dann, wenn Gegenstand des Kaufvertrags eine Eigentumswohnung ist, keine Streitigkeiten im Sinne von § 43 Nr. 1 WEG.
  4. Dem von K hilfsweise gestellten Antrag auf Verweisung an das Landgericht Kassel sei nicht zu entsprechen gewesen. Der Bundesgerichtshof habe wiederholt entschieden, dass eine Berufung fristwahrend nur beim zuständigen Berufungsgericht eingelegt werden könne. Vor diesem Hintergrund könne eine bei dem falschen Berufungsgericht eingelegte Berufung, die nicht rechtzeitig in die Verfügungsgewalt des richtigen Berufungsgerichts gelange, grundsätzlich auch nicht in entsprechender Anwendung von § 281 ZPO an dieses Gericht verwiesen werden. Vielmehr sei die Berufung als unzulässig zu verwerfen (BGH v. 10.12.2009, V ZB 67/09, NZM 2010 S. 166; BGH v. 19.2.2009, V ZB 188/08, NJW 2009 S. 1282).
  5. Zwar habe der Bundesgerichtshof als Ausnahme von diesem Grundsatz anerkannt, wenn die für die Abgrenzung der Berufungszuständigkeit maßgebliche Anknüpfungsnorm – hier: § 43 WEG – keine zweifelsfreie Bestimmung des für das Rechtsmittel zuständigen Gerichts ermögliche, weil "die Frage, ob eine Streitigkeit im Sinne dieser Regelung vorliegt, für bestimmte Fallgruppen noch nicht höchstrichterlich geklärt ist und man über deren Beantwortung mit guten Gründen unterschiedlicher Auffassung sein kann" (BGH v. 10.12.2009, V ZB 67/09, NZM 2010 S. 166). Diese Voraussetzungen seien aber nicht gegeben.
 

Kommentar

Anmerkung
  1. Streiten Käufer und Verkäufer eines Wohnungseigentumsrechts darum, ob das Wohnungseigentumsrecht mangelhaft war oder – wie hier – um eine Bedingung des Kaufvertrags, sind nach ganz herrschender Meinung die allgemeinen Abteilungen des Amtsgerichts oder – bei einem entsprechenden Streitwert – die Landgerichte zuständig. Soweit ist der Entscheidung zuzustimmen.
  2. Schlecht ist hingegen, dass das Landgericht nicht auswertet, dass das Landgericht Kassel dem Berufungsführer den (falschen) Weg zu ihm gewiesen hatte. Macht ein Gericht einen Fehler bei der Zuordnung einer Sache und folgt die Partei diesem Rat, sollte das aber nicht der Partei "auf die Füße fallen" (siehe auch BGH v. 8.2.1989, IV b ZB 185/88, NJW-RR 1989 S. 825, 826).

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