Leitsatz

Der Antragsteller begehrte das alleinige - hilfsweise das gemeinsame - Sorgerecht für seinen im Jahre 2007 geborenen Sohn, der seit seiner Geburt mit Einverständnis der allein sorgeberechtigten Mutter bei Pflegeeltern lebte. Die Eltern waren nicht miteinander verheiratet. Gemeinsame Sorgeerklärungen waren nicht abgegeben worden.

Das OLG Karlsruhe hat sich in dieser Entscheidung im Hinblick auf die Entscheidung des BVerfG vom 21.7.2010 mit den Kriterien für die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf den nichtehelichen Vater auseinandergesetzt.

 

Sachverhalt

Der im Jahre 2007 geborene Sohn S. war das gemeinsame Kind des Antragstellers und der Antragsgegnerin. Beide waren nicht miteinander verheiratet und hatten gemeinsame Sorgeerklärungen nicht abgegeben. Der Sohn der Beteiligten lebte seit seiner Geburt mit Einverständnis der Mutter, die an einer psychischen Erkrankung litt, bei Pflegeeltern. Der Antragsteller war mit dieser Lösung nicht einverstanden. Er hatte regelmäßigen Umgang mit seinem Sohn. Zwischen Vater und Kind war eine vertrauensvolle Beziehung aufgebaut worden. Das OLG hatte mit Beschluss vom 23.2.2010 noch nach alter Rechtslage einen Wechsel des Kindes in den väterlichen Haushalt abgelehnt, weil die Mutter nicht gemäß § 1678 Abs. 1 BGB an der Ausübung ihrer Sorge gehindert sei und Maßnahmen nach § 1666 BGB nicht geboten seien.

Im August 2010 stellte der Vater beim Familiengericht erneut einen Antrag auf Übertragung der alleinigen Sorge für seinen Sohn, hilfsweise auf Anordnung der gemeinsamen elterlichen Sorge. Das Familiengericht hat die Sorgerechtsanträge des Vaters abgewiesen und dies damit begründet, aufgrund der tief greifenden Zerwürfnisse der Kindeseltern komme die Anordnung der gemeinsamen elterlichen Sorge nicht in Betracht. Die Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf den Vater entspreche dem Kindeswohl nicht am besten, da der Vater das Kind in seinen Haushalt aufnehmen wolle. Dies sei ohne die Mitwirkung der Pflegeeltern und der Mutter ohne Kindeswohlgefährdung nicht möglich.

Gegen den erstinstanzlichen Beschluss hat der Kindesvater Beschwerde eingelegt. Mit seinem Rechtsmittel verfolgte er weiterhin das Ziel der alleinigen elterlichen Sorge für seinen Sohn, hilfsweise die Anordnung der gemeinsamen elterlichen Sorge.

Das Rechtsmittel des Antragstellers erwies sich als begründet.

 

Entscheidung

Das OLG hat dem Vater aufgrund der Übergangsregelung des BVerfG die alleinige elterliche Sorge übertragen sowie einen befristeten Verbleib des Kindes bei den Pflegeeltern und eine schrittweise Ausweitung des Umgangs zwischen Vater und Sohn angeordnet.

Eine gemeinsame Sorge kam nach Auffassung des OLG nicht in Betracht, weil es zwischen den Eltern an einer objektiven Kooperationsfähigkeit und subjektiven Kooperationsbereitschaft fehle. Beide Faktoren seien unverzichtbare Grundvoraussetzung für die Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge (so bereits KG FamRZ 1999, 616; Johannsen/Henrich, Familienrecht, 5. Aufl. 2010, § 1671 Rz. 36).

Es entspreche dem Kindeswohl am besten, der Mutter die elterliche Sorge zu entziehen und diese auf den Vater zu übertragen (zu den Kriterien vgl. BGH in FamRZ 2010, 1060).

Der dort formulierte Kindeswohlmaßstab sei auch für die vorliegende Fallkonstellation gerechtfertigt. Während dem Vater in Adoptionspflegefällen, in denen die alleinige elterliche Sorge der Mutter gemäß § 1751 Abs. 1 BGB ruhe, die elterliche Sorge bereits dann übertragen werden könne, wenn dies dem Kindeswohl nicht widerspreche, sei die Mutter hier Inhaberin der Sorge, so dass ihre Grundrechtsposition aus Art. 6 Abs. 2 GG zu beachten sei. Nach dem Förderungsprinzip sei die elterliche Sorge hier dem Vater zu übertragen, weil er Bereitschaft zeige, das Kind in seinem Haushalt persönlich zu betreuen und es nicht wie die Mutter in die Obhut Dritter belassen wolle. Das Kind habe auch eine ausgeprägtere Beziehung zu seinem Vater, der über mehr Bindungstoleranz verfüge als die Mutter. Die Kontinuität der Betreuung des Kindes durch die Pflegeeltern stehe ebenfalls nicht entgegen, da der Staat gemäß Art. 6 Abs. 2 GG und Art. 8 EMRK verpflichtet sei, einen Elternteil mit seinem Kind zusammenzuführen. Anderes gelte nur dann, wenn die Trennung des Kindes von den Pflegeeltern bei dem Kind mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu psychischen und physischen Schädigungen führen würde (BVerfG in NJW 2011, 3355).

Im vorliegenden Fall sei die positive Beziehung des Sohnes zu seinem Vater maßgebliche Voraussetzung für den mittelfristig bevorstehenden Wechsel in seinen Haushalt, der nach den Feststellungen des Sachverständigen, dessen Ausführungen sich das OLG anschloss, nicht zu einer Schädigung des Kindes führen würde. Ein Abbruch der Beziehung des Kindes zu den Pflegeeltern sei nicht zu erwarten. Seine Bindungen an den "Pflegebruder" könnten durch Umgangskontakte aufrechterhalten werden. Das zwischen den Beteiligten bestehende Konfliktniveau stehe ebenfalls nicht entgegen, weil ein Wechsel ansonsten typisc...

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