Zusammenfassung

Die bei einem Squeeze-Out den Minderheitsaktionären zu gewährende Barabfindung errechnet sich aus dem Ertragswert des Unternehmens. Auch in Fällen, in denen aufgrund eines bestehenden Unternehmensvertrages eine fortlaufende Verpflichtung der Gesellschaft zur Gewinnabführung besteht, ist nicht der Barwert des Ausgleichs aus dem Unternehmensvertrag entscheidend. Der gewichtete Dreimonats-Durchschnitt des Aktienkurses bildet im Regelfall weiterhin die Untergrenze.

Hintergrund

Die KERAMAG Keramische Werke AG ist ein traditionsreicher deutscher Hersteller von Sanitärkeramik. Seit 1968 gehört das Unternehmen zum französischen Allia Konzern, der seinerseits seit Anfang der 1990er Jahre Teil der Geberit Gruppe ist. Hauptaktionärin der KERAMAG AG ist die Allia Holding GmbH, mit der im November 2005 ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen wurde. Aufgrund des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags war die Allia Holding GmbH verpflichtet, den außenstehenden Aktionären der KERAMAG AG eine Ausgleichszahlung in Höhe von 4,15 EUR pro Aktie und Geschäftsjahr zu bezahlen.

Im August 2007 beschloss die Hauptversammlung der KERAMAG AG schließlich die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf die Allia Holding GmbH, die mittlerweile 95,54 % der Aktien hielt (sog. Squeeze-out). Da der von den Bewertungsgutachtern und dem gerichtlich bestellten sachverständigen Prüfer ermittelte Ertragswert je Aktie deutlich unterhalb des Börsenkurses lag, sah der Beschluss eine Barabfindung zum Börsenkurs vor, also in Höhe von 66,36 EUR je Aktie.

Einige Minderheitsaktionäre stellten einen Antrag auf gerichtliche Bestimmung einer angemessenen Barabfindung im Wege des sog. Spruchverfahrens. Die Anträge wurden vom Landgericht Düsseldorf als unbegründet zurückgewiesen. Das OLG Düsseldorf hatte somit über die sofortige Beschwerde der Antragsteller gegen die Entscheidung des Landgerichts zu entscheiden.

Die Antragsteller machten unter anderem geltend, dass vorliegend die Barabfindung nicht anhand des Ertragswertes zu bestimmen sei, sondern allein anhand des Barwertes der im Unternehmensvertrag vorgesehenen Ausgleichszahlungen. Diese "kapitalisierte Ausgleichszahlung" liege über dem Börsenwert; daher komme sie als Untergrenze zum Tragen.

OLG Düsseldorf, Beschluss v. 11.5.2015, I-26 W 2/13

Die Einwendungen der Antragsteller blieben ohne Erfolg. Das OLG Düsseldorf hat entscheiden, dass sich die den Minderheitsaktionären zu gewährende Abfindung auch in den Fällen, in denen ein Squeeze-out einem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag nachfolgt, regelmäßig nicht auf Basis des Barwerts des Ausgleichs aus dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag berechnet. Das gelte grundsätzlich selbst dann, wenn die kapitalisierte Ausgleichszahlung zu einem höheren Wert führen würde. Vielmehr sei der Unternehmenswert zum Zeitpunkt des Squeeze-out-Beschlusses Grundlage der Barabfindung. Dieser sei anhand der Ertragswertmethode zu bestimmen. Sei der so ermittelte Wert niedriger als der nach Umsatz gewichtete Durchschnittskurs innerhalb einer dreimonatigen Referenzperiode vor Bekanntgabe des beabsichtigten Squeeze-out, gelte letzterer.

Anmerkung

Die Frage, wie die Abfindungszahlung zu berechnen ist, wenn infolge eines bestehenden Unternehmensvertrages eine fortlaufende Verpflichtung der Gesellschaft zur Gewinnabführung besteht, ist sowohl in der deutschen Rechtslehre als auch zwischen den deutschen Obergerichten umstritten. Das OLG Düsseldorf positioniert sich mit seiner Entscheidung auf einer Linie mit dem OLG München und entlang der (knapp) herrschenden Meinung in der Literatur.

Anderer Ansicht war jüngst das OLG Frankfurt (Beschluss vom 15.10.2014, Az. 21 W 64/13). Dieses argumentierte, es sei das Ziel, den Grenzpreis zu ermitteln, zu dem der außenstehende Aktionär ohne Nachteil aus der Gesellschaft ausscheiden könne. Dieses Ziel lasse sich aber nicht damit erreichen, dass auf einen Unternehmensertrag abgestellt werde, auf den der Aktionär wegen einer fortgeltenden Gewinnabführungsverpflichtung keinen Anspruch (mehr) habe. Erforderlich sei vielmehr, dass die tatsächlich dem Aktionär zufließenden Zahlungen in die Bewertung einflössen.

Das OLG Frankfurt hat die Frage nunmehr dem BGH zur Entscheidung vorgelegt. Das Verfahren wird dort unter dem Aktenzeichen II ZB 25/14 geführt. Mit einer Entscheidung in diesem Jahr ist allerdings nicht zu rechnen. Aus Sicht der Praxis bleibt zu hoffen, dass der BGH die Gelegenheit ergreift, klare Regelungen zur Berechnung der Barabfindung bei laufenden Unternehmensverträgen aufzustellen.

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