1) Eine psychische Einwirkung kann eine Gesundheitsverletzung mit Krankheitswert hervorrufen, die nach § 823 Abs. 1 BGB haftungsbegründend ist (Urteil, Rn 10). Neben den ersatzfähigen Schockschäden (vgl. BGH zfs 2015, 382 m. Anm. Diehl; OLG Frankfurt zfs 2017, 677 m. Anm. Diehl) stehen im Mittelpunkt des Interesses die Konstellationen, in denen Polzisten und Lehrer entweder direkt in Auseinandersetzungen verwickelt wurden, die sie psychisch nicht verarbeiten konnten, oder bei denen sie nach einem Schadensereignis – unfähig zur Hilfe – mit erheblichen Gesundheitsverletzungen den Todeskampf der Unfallverletzten miterlebten. Da es für die rechtliche Bewertung auf die Details der Gesundheitsbeeinträchtigung ankommt, sollen die der Bewertung zugrunde zu legenden Sachverhalte eingehend dargestellt werden (OLG Koblenz, Urt. v. 8.3.2010 – 1 U 1137/06, VersR 2011, 938). Der Kl. verlangte die Zahlung von Schmerzensgeld und Feststellung der Einstandspflicht der Bekl. für weitere materielle und immaterielle Schäden.

Zugrunde lag ein Polizeieinsatz des Kl. und seines Kollegen in einer Gaststätte, in der es zu einem Streit der alkoholisierten Bekl. mit dem Wirtsehepaar und zu körperlichen Übergriffen gekommen war. Die Beamten trafen etwa 15–25 teilweise stark alkoholisierte und aggressive Personen an. Den Polizeibeamten gelang es nicht, die aufgeheizte Stimmung zu entschärfen und die Auseinandersetzung zu beenden. Vielmehr wurden sie selbst in die Auseinandersetzung einbezogen. Beide Polizeibeamte waren, nachdem es zu einem Schusswechsel gekommen war, bis Januar 2000 im Dienst. Der Kl. war ab dem 4.2.2000 dienstunfähig und wurde stationär und ambulant behandelt, schließlich ab 1.7.2001 in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Die Bekl. wurden wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zu Freiheitsstrafen verurteilt.

Der Senat bejahte bestehende Schadensersatzansprüche, rechnete insb. die nach der Beweisaufnahme erwiesenen psychischen Schäden der Polizeibeamten den Bekl. zu. Das eingehend gewürdigte Gesamtgeschehen sei auch ursächlich für die bei dem Kl. sich ausbildende chronische posttraumatische Belastungsstörung gewesen. Insbesondere sei eine Zurechnung nicht deshalb ausgeschlossen, weil sich bei den beiden eingesetzten Polizeibeamten deren Lebens-Berufswahlrisiko realisiert hätte. Ein Polizeibeamter, der von einem Angreifer geschlagen, getreten und hierdurch körperlich verletzt werde, habe einen entsprechenden Ersatzanspruch, insb. sei der Schädiger unter dem Gesichtspunkt der Verwirklichung des Berufswahlrisikos nicht von einer Haftung freigestellt. Es habe sich auch nicht ein lediglich allgemeines Lebensrisiko verwirklicht, sondern vorsätzlich und rechtswidrig sei ein erhöhtes Risiko für die Polizeibeamten durch die Bekl. geschaffen worden.

Die Entscheidung wendet sich gegen den vielfach in der Rspr. zu beobachtenden Trend, Schadensersatzansprüche gerade im Bereich psychischer Schäden zu verneinen. Bestimmte Berufsgruppen, wie etwa Lehrer (vgl. OLG Köln NJW 2007, 1757) und Polizeibeamte erhalten vielfach keinen Schadensersatzanspruch, wenn sich Risiken des Berufs verwirklichen. Der Kontakt mit renitenten Schülern und der Kontakt von Polizisten mit Straftätern werden vielfach nicht als haftungsbegründend angesehen. In diese Richtung deutete auch eine Entscheidung des BGH vom 22.5.2007 (Versicherungsrecht 2007, 1093), die in einem Fall, in dem Polizeibeamte Augenzeugen eines Unfalls geworden waren und mitansehen mussten, wie die Pkw Feuer fingen und alle Insassen verbrannten, unter Hinweis darauf, dass sich lediglich ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht hatte, einen Schadensersatzanspruch verneint (zustimmend Stöhr NZV 2009, 161 [164]).

2) Unterstellt wird in beiden zur Schädigung der Polizeibeamten führenden Fällen, dass unter Heranziehung des anerkannten Diagnoseschlüssels – sei es nach ICD-10 der WHO, sei es nach dem Schlüssel der Amerikanischen psychiatrischen Assoziation, Beeinträchtigungen mit Krankheitswert bei den betroffenen Polizeibeamten vorliegen (vgl. zur Methode der Feststellung auch BGH zfs 2015, 435; Verf., Anm. zu OLG Frankfurt zfs 2017, 677).

Als Einschränkungsgründe für eine Haftung des Schädigers für psychisch vermittelte Gesundheitsbeeinträchtigungen von Polizeibeamten und Lehrern als besonders gefährdeten Berufsgruppen werden die Berufswahl und das allgemeine Lebensrisiko angeführt.

Dass aus dem gewählten und ausgeübten Beruf von Rettungshelfern (Polizeibeamten Feuerwehrleuten und Notärzten) die psychische Fehlverarbeitung durch Ausbilungsmaßnahmen der Dienststellen verhindert werden kann (vgl. Stöhr NZV 2009, 161 [164]) ist für Extremfälle nicht gesichert. Bei dem Miterleben eines Amoklaufs erscheint dem BGH jedenfalls eine Haftungsbeschränkung aufgrund der Berufswahl nicht vertretbar (Urteil, Rn 20).

Was das Lebensrisiko als Einschränkungsgrund der Zurechnung betrifft, sind die Konstellationen Überreaktion und Fehlen direkter Beteiligung anzufü...

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