"… II. Die gem. § 4 Abs. 3 Var. 2 JVEG zulässige Beschwerde gegen die Festsetzung der Vergütung ist unbegründet und daher zurückzuweisen. Dem Sachverständigen steht ein Anspruch auf Vergütung in Höhe der geltend gemachten Kosten der Fremdrechnung für die Nutzung des Auswertetools der Firma ESO gem. § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 JVEG zu, da es sich um notwendige besondere Kosten zur Vorbereitung und Erstattung des Gutachtens handelt – wie bereits das AG überzeugend begründet hat."

1. Wem die Messdaten (zivilrechtlich) gehören und wer aus einer Nutzung der Daten deshalb Rechte herleiten kann – die Firma ESO als Hersteller der Geschwindigkeitsmessanlage oder die die Messung veranlassende Behörde –, spielt für die Frage der Vergütungsfähigkeit der Aufwendungen des Sachverständigen für die Softwarenutzung entgegen des Beschwerdevorbringens keine Rolle. Es ist zwar freilich zutreffend, dass berechtigt hinsichtlich der Messdaten die Polizeibehörde als die die Daten erhebende Stelle ist und nicht die Firma ESO (so OLG Naumburg DAR 2015, 17 = VersR 2015, 1525). Der Umstand, dass deshalb die Firma ESO mangels Berechtigung an den Daten einem Sachverständigen oder einem Betroffenen einen Zugriff auf diese nicht verwehren kann, der Sachverständige die Daten also nutzen “darf', sagt über die Frage, wie der Sachverständige die Daten für eine pflichtgemäße Gutachtenerstattung nutzen “muss' und welche Kosten ggf. für die Auswertung der Daten zur pflichtgemäßen Gutachtenerstattung notwendig sind, nichts aus. Auch dann, wenn der Sachverständige auf die Rohmessdaten (z.B. zum Zwecke der Auswertung) zugreifen darf, ist hiermit die Erhebung einer Gebühr für die Nutzung eines Online-Tools der Firma ESO zur Auswertung der Daten nicht ausgeschlossen.

2. Gegenständlich ist vielmehr einerseits, welche Anforderungen durch das Gericht im Gutachtenauftrag an den Sachverständigen gestellt werden und welche Tätigkeiten und Schritte seitens des Sachverständigen notwendig sind, um diesem Gutachtenauftrag unter Wahrung seiner Pflichten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen gerecht zu werden. Andererseits, ob durch eine solche Wahrnehmung des Gutachtenauftrags im konkreten Einzelfall und losgelöst von den üblichen Gemeinkosten der Erbringung entsprechender Sachverständigendienstleistungen besondere Kosten entstehen.

3. Der Gutachtenauftrag des AG Tübingen vom 23.2.2017 ging dahin, ob die Messstelle entsprechend den Vorgaben der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt aufgebaut wurde. Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt ist das nationale Metrologieinstitut Deutschlands und eine wissenschaftlich-technische Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Die metrologischen Vorgaben zur Geschwindigkeitsmessung werden im Bundesgebiet von ihr bestimmt, auf der Grundlage dieser Vorgaben werden Messgeräte seitens der Hersteller z.B. der Firma ESO hergestellt, welche behördenseits zur Geschwindigkeitsmessung im Straßenverkehr benutzt werden.

Nach § 8 Abs. 3 der Sachverständigenordnung der IHK hat der Sachverständige seine Aufträge unter Berücksichtigung des aktuellen Standes von Wissenschaft, Technik und Erfahrung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Sachverständigen zu erledigen.

4. Bei den Kosten für die Nutzung des Online-Auswertetools der Firma ESO, welches der Sachverständige zur Auswertung der Rohdaten herangezogen hat, handelt es sich um besondere Kosten i.S.d. § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 JVEG. Die Auswertung der Rohdaten war für die Vorbereitung und Erstattung des Gutachtens vorzunehmen. Der Sachverständige hat hierzu einen Antrag auf Nutzung des Online-Auswertetools für den konkreten Einzelfall und die dortigen Rohdaten an die das Tool zur Verfügung stellende Firma ESO gestellt, ihm wurde hierauf der Zugriff auf das Auswertetool gewährt und die Firma ESO stellte ihm hierfür eine Nutzungsgebühr in Rechnung. Der Zugriff wie auch die Entstehung der Gebühr hierdurch wurde durch den konkreten Gutachtenauftrag veranlasst. Es ist dem Sachverständigen auch nicht möglich, eine Lizenz zur wiederholten und einzelfallunabhängigen Nutzung des Auswertetools bei der Firma ESO zu erwerben, weil diese im Rahmen ihrer unternehmerischen Freiheit sich gegen eine solche Vermarktung ihres Programms entschieden hat. Daher ist es dem Sachverständigen a priori verwehrt, sich das digitale Hilfsmittel zur Vorbereitung und Erstattung des Gutachtens einzelfallunabhängig zu verschaffen und vorrätig zu halten. Dass die genannte Firma – wie die Physikalisch-Technische Bundesanstalt in ihrer Auskunft anführt – das Online-Auswertetool Gerichten sowie Eigentümern und Verwendern des Geschwindigkeitsmessgeräts ESO ES 3.0 zur Einzelfallnutzung kostenlos zur Verfügung stellt, führt auch nicht dazu, dass der vom Gericht beauftragte Sachverständige einen Anspruch auf kostenlose Nutzung hätte. Vielmehr unterfällt er nicht den von der Firma im Rahmen ihrer freien unternehmerischen Entscheidung von der Gebührenpflicht freigestellten Gru...

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