"… II. Die zulässige Revision der Kl. ist begründet. Das Urteil des OVG verletzt Bundesrecht (1.). Zutreffend und in Übereinstimmung mit den Vorgaben der StVO hat das BG zwar entschieden, dass mit der ordnungsgemäßen Aufstellung der Verkehrszeichen das Haltverbot auch gegenüber der abwesenden Kl. wirksam geworden ist und die Abschleppmaßnahme auch im Übrigen rechtmäßig war (2.). Die Auffassung, der Verantwortliche müsse die Kosten des Abschleppens bereits dann tragen, wenn das Haltverbotsschild mit einem Vorlauf von 48 Stunden aufgestellt wurde, verstößt aber gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (3.)."

1. Das Berufungsurteil unterliegt sowohl hinsichtlich der Abschleppmaßnahme als auch in Bezug auf die Kostenerstattung im nachfolgend dargelegten Umfang revisionsgerichtlicher Überprüfung.

a) Der Rechtsstreit betrifft eine auf landesrechtliche Gebühren- und Verwaltungsvollstreckungsvorschriften gestützte Zahlungspflicht für eine auf Grundlage des Landespolizeirechts durchgeführte Abschleppmaßnahme. Der Prüfungsmaßstab revisionsgerichtlicher Kontrolle ist daher eingeschränkt.

Neben den auf Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) beruhenden Fragen zur Aufstellung des mobilen Zeichens 283 (Nr. 62 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO) kann die Revision auch auf die Verletzung der Vorschriften zu Bekanntgabe und Wirksamkeit von Verwaltungsakten nach §§ 41, 43 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen – VwVfG NW gestützt werden, weil diese mit dem Wortlaut des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes übereinstimmen (§ 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO). Ebenfalls revisibel ist der bundesverfassungsrechtliche Maßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, der im Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG verankert ist und als “unübersteigbare bundesrechtliche Grenze' auch das auf Landesrecht beruhende Verwaltungshandeln bindet (Eichberger/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Band 2, Stand: Juni 2017, § 137 Rn 70; BVerwG, Beschl. v. 18.2.2002 – 3 B 149.01, [zfs 2002, 503 =] Buchholz 442.151 § 12 StVO Nr. 10 S. 1 für die Kostenerstattung nach einer Abschleppmaßnahme).

b) Nach den Feststellungen des BG zum maßgeblichen Landesrecht sieht § 77 Abs. 1 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen – VwVG NW i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 7 Verordnung zur Ausführung des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes (Ausführungsverordnung VwVG – VO VwVG NW) eine Ermächtigung für die Erhebung einer Verwaltungsgebühr für das Abschleppen eines zugelassenen Kfz vor. Entsprechendes gilt nach § 43 Nr. 1, § 46 Abs. 3 PolG NW i.V.m. § 77 Abs. 1 VwVG NW, § 20 Abs. 2 S. 2 Nr. 7 bzw. 8 VO VwVG NW für den Anspruch auf Auslagenerstattung der an den Abschleppunternehmer gezahlten Kosten.

Als Fortführung der materiellen Polizeipflicht setzt die Kostentragungspflicht ein rechtmäßiges Polizeihandeln voraus. Hiervon ist auch das Berufungsurteil zutreffend ausgegangen. Sofern die der Kostenerstattung oder Gebührenerhebung zugrunde liegende Maßnahme nicht auf einem bestandskräftigen Bescheid oder auf einem rechtskräftigen Urteil beruht, muss bei der gegen die Kostentragung gerichteten Klage gem. Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG daher auch die Rechtmäßigkeit der Amtshandlung überprüft werden.

2. Bundesrechtliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Abschleppmaßnahme bestehen nicht.

a) Voraussetzung für das Abschleppen des Fahrzeugs aus einer Haltverbotszone und der daran anknüpfenden Gebührenerhebung und Kostenerstattung ist zunächst, dass das durch die Abschleppmaßnahme vollstreckte Haltverbot wirksam bekannt gemacht worden ist (BVerwG, Urt. v. 6.4.2016 – 3 C 10.15, [zfs 2016, 474 =] BVerwGE 154, 365 Rn 10).

Nach der Rspr. des BVerwG ist das mobile Haltverbotsschild nach Zeichen 283 (Nr. 62 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO) wie jedes andere Verkehrszeichen ein Verwaltungsakt in der Form der Allgemeinverfügung i.S.d. § 35 S. 2 VwVfG. Es enthält nicht nur das Verbot, an der gekennzeichneten Stelle zu halten, sondern zugleich ein – entsprechend § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VwGO sofort vollziehbares – Wegfahrgebot für unerlaubt haltende Fahrzeuge (BVerwG, Urt. v. 23.6.1993 – 11 C 32.92, zfs 1994, 189 = Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 255 S. 87 f.).

Die Bekanntgabe erfolgt nach den bundesrechtlichen Vorschriften der StVO durch Aufstellung des Verkehrszeichens (vgl. § 39 Abs. 1, § 45 Abs. 4 StVO); dies ist eine besondere Form der öffentlichen Bekanntgabe (BVerwG, Urt. v. 6.4.2016 – 3 C 10.15, [zfs 2016, 474 =] BVerwGE 154, 365 Rn 16). Sind Verkehrszeichen so aufgestellt oder angebracht, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer bei Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt schon “mit einem raschen und beiläufigen Blick' erfassen kann, so äußern sie ihre Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht. Sie entfalten ihre Rechtswirkungen für den Halter deshalb auch dann, wenn die Verkehrsregelung in dem Zeitpunkt noch nicht bestand, als das ...

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