"Die zulässige und gem. § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde der StA hat auf die Sachrüge hin Erfolg, weil das AG sich mit nicht zutreffenden Erwägungen gehindert gesehen hat, das Abstandsmessverfahren VKS anzuwenden."

1. Bei dem Abstandsmessverfahren VKS (Verkehrskontrollsystem) der Herstellerfirma Vidit Systems GmbH handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren (OLG Dresden DAR 2005, 637; vgl. auch Krumm, DAR 2007, 129, 131). Dem steht nicht entgegen, dass durch das Anklicken der Aufstandspunkte der linken Vorderräder durch den Auswerter “menschliche Unsicherheitsfaktoren’ zum Tragen kommen können (vgl. Löhle, DAR 2016, 161, 163). Standardisiertes Messverfahren bedeutet nämlich nicht, dass die Messung in einem voll automatisierten Verfahren stattfinden muss. Vielmehr ist hierunter ein durch Normen vereinheitlichtes (technisches) Verfahren zu verstehen, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind (BGHSt 43, 277). Diesen Anforderungen wird das vorliegende Messverfahren gerecht, bei denen die Abstandsmessung von besonders geschultem Messpersonal unter Beachtung der Betriebsanleitung des Geräteherstellers und der Zulassungsbedingungen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt durchgeführt wird. Hinzu kommt, dass bei konkreten Einwänden (z.B. gegen die Anlegung einer Messlinie) die Videoaufzeichnung zur Verfügung steht, anhand derer der Auswertungsvorgang im Nachhinein nochmals exakt nachvollzogen und überprüft werden kann (OLG Dresden, a.a.O.). Soweit das AG bemängelt, dass “ausschließlich die Herstellerfirma Zugriff auf die Rohdaten’ habe, weshalb die “Gefahr von Missdeutungen, Fehlinterpretationen und Manipulationen’ bestehe, ist anzumerken, dass der Umstand, dass ein Sachverständiger – mangels Zugangs zu patent- und urheberrechtlich geschützten Herstellerinformationen – die genaue Funktionsweise des Gerätes anhand hierfür relevanter Daten der Messwertermittlung nicht im Einzelnen nachvollziehen kann, an der Verwertbarkeit der Messungen des von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt zugelassenen Messsystems nichts ändert (vgl. zu PoliScan Speed OLG Karlsruhe VRS 127, 241; vgl. auch zur quantitativen Fehleranalyse mit Präzisions-GPS-Inertialsystem: http://www.vidit-systems.de/index.php). Die amtliche Zulassung von Geräten und Methoden verfolgt – ebenso wie die Berücksichtigung eines Toleranzabzugs für etwaige systemimmanente Messfehler – gerade den Zweck, Ermittlungsbehörden und Gerichte von der Sachverständigenbegutachtung und Erörterung des Regelfalles freizustellen (BGHSt 39, 291, 297).

Soweit das AG die Annahme eines standardisierten Messverfahrens durch die Erwägung in Frage stellen will, bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten der Fahrzeuge des Betr. und des Vorausfahrenden werde in jedem Fall ein Sachverständigengutachten benötigt, führt dies zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. Zum Einen werden zwei hintereinander fahrende Fahrzeuge über eine bestimmte Messstrecke nur selten die exakt gleiche (mittlere) Geschwindigkeit einhalten, zum Anderen wirkt sich eine im Nahbereich ermittelte, höhere Geschwindigkeit des Betr. – wie im vorliegenden Fall – im Hinblick auf den längeren – allerdings nicht entscheidungserheblichen – Anhalte- bzw. Bremsweg sogar “zugunsten des Betr.’ (Löhle, DAR 2016, 161, 164) aus. Aber auch soweit eine höhere (mittlere) Geschwindigkeit des vorausfahrenden Fahrzeuges festgestellt werden würde (in nicht wenigen Fällen möglicherweise veranlasst durch ein “Vom-Gas-Gehen’ des Betr. beim Erkennen der Messstelle), wirkt sich das Messsystem nicht zum Nachteil des Betr. aus, weil immer der größere der beiden (am Anfang und am Ende der Messstrecke) gemessenen Abstände der Berechnung zugrunde gelegt wird und der Bußgeldtatbestand nicht auf die im Einzelfall vorliegenden konkreten Anhalte- und Bremswege (so Löhle, DAR 2016, 161, 164), sondern auf den Abstand in Bezug auf einen Bruchteil der festgestellten gefahrenen Geschwindigkeit (des Betr.) abstellt.

2. Der Beschl. ist somit aufzuheben und die Sache ist zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das AG zurückzuverweisen.

Der Senat weist darauf hin, dass die vom AG vertretene Auffassung, eine nicht nur ganz vorübergehende und deshalb vorwerfbare Abstandsunterschreitung sei nur dann zu bejahen, wenn diese über einen Zeitraum von mindestens drei Sekunden gemessen wird, dem vom AG zitierten Beschl. des OLG Rostock (Beschl. v. 18.8.2014 – 21 Ss OWi 144/14, bei juris) nicht zu entnehmen ist. Anderenfalls hätte das OLG Rostock den im dortigen Fall Betr. freisprechen müssen, denn angesichts einer von der Vorinstanz festgestellten Messstrecke von nur 100 m und der Geschwindigkeit des Fahrzeugs des Betr. von mindestens 141 km/h konnte eine abstandsunterschreitende Fahrt von mehr als drei Sekunden keinesfalls gemessen worden sein (in drei Sekunden hätte der Betr. mit seinem Fahrzeug 117,5 m zurückgelegt). Das OLG R...

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