Die Straßenverkehrsbehörden können die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen beschränken (§ 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StVO). Bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine spezielle Verkehrsregelung aus immissionsschutzrechtlichen Gründen. Es geht um die Abwehr verkehrsbezogener Gefahren, allgemeine umweltpolitische Zielsetzungen dürfen mit der Vorschrift nicht verfolgt werden.[6] Die Grenze, ab der ein Einschreiten der Straßenverkehrsbehörde geboten ist, lässt sich nicht abstrakt durch Grenzwerte festlegen. Voraussetzung ist vielmehr die Überschreitung des ortsüblich Zumutbaren. Anhaltspunkte hierfür sind gegeben, wenn die Grenzwerte der 16. BImSchV nicht nur unwesentlich überschritten werden.[7]

In einem vom VG Bremen[8] entschiedenen Fall ordnete die zuständige Behörde für einen bestimmten Straßenabschnitt eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h an. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die durch die Maßnahme zu erzielende Lärmminderung von ca. 3 dB zum Schutz der Bewohner der betroffenen Straßen erfolge. Diese Straßen stellten keine direkte Verbindung zu den überörtlichen Straßenverbindungen dar, sondern nähmen hauptsächlich innerstädtischen Verkehr auf. Aufgrund der Lage der Straßen im Stadtgebiet würden durch eine Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit Verkehrsverlagerungen nicht in Betracht kommen. Auch der öffentliche Personennahverkehr finde auf den genannten Straßen nicht statt. Im Gebiet befänden sich auch Schulen, so dass eine Geschwindigkeitsbeschränkung auch dem Schutz der Schüler/innen diene. Bei Abwägung der Interessen der Wohnbevölkerung in den betroffenen Straßen an einer Lärmminderung überstiegen diese die Interessen des fließenden Verkehrs an der Beibehaltung der bisherigen Geschwindigkeitsbeschränkung. Die Auswirkungen der Geschwindigkeitsbeschränkungen seien geringfügig. Das Durchfahren der Straßen mit nur 30 km/h erhöhe die Fahrzeit im Sekundenbereich. Die durch die Geschwindigkeitsbeschränkung zu erzielende Lärmminderung für die Bewohner habe dabei mehr Gewicht. Eine Verdrängung der Verkehre in umliegende Wohnstraßen sei nicht zu erwarten.

Ein Anlieger wandte sich gegen die Geschwindigkeitsbeschränkung und unterlag mit seiner Klage. Das Gericht entschied, dass die § 1 Abs. 2 der 16. BImSchV zugrunde liegende Wertung, dass ein Beurteilungspegel von 70 dB(A) oder mehr am Tage bzw. 60 dB(A) oder mehr in der Nacht eine unzumutbare Lärmbeeinträchtigung darstellt, auch für das Straßenverkehrsrecht Beachtung beanspruche. Nach dem einschlägigen Schallimmissionsplan lägen die Werte für den streitgegenständlichen Straßenabschnitt über den in § 1 Abs. 2 der 16. BImSchV genannten Werten. Lägen damit die Voraussetzungen für ein Einschreiten nach § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StVO vor, sei die Anordnung von Verkehrsbeschränkungen zum Lärmschutz in das pflichtgemäße Ermessen der zuständigen Behörde gestellt. Diese habe dabei nicht nur auf die Schutzwürdigkeit der Anlieger abzustellen, sie müsse vielmehr auch die Belange des Straßenverkehrs und der Verkehrsteilnehmer würdigen. Auch bei erheblichen Lärmbeeinträchtigungen habe die Behörde abzuwägen, ob sie mit Rücksicht auf die damit verbundenen Nachteile von verkehrsbeschränkenden Maßnahmen absehen oder weniger einschneidende Maßnahmen ergreifen wolle. Nachdem das Gericht bei der Nachprüfung der Ermessenserwägungen der Behörde keinen Fehler finden konnte, hielt es die Geschwindigkeitsbeschränkung für rechtmäßig.

[6] BayVGH zfs 2007, 263.
[7] BVerwG NJW 1986, 2655.
[8] Beschl. v. 22.10.2015 – 5 V 1236/15.

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