"I. Der Betr. ist Angestellter eines mittelständischen Unternehmens mit sechs Mitarbeitern, das Fenster, Türen und andere Bauelemente vertreibt. Er arbeitet dort als Kundenberater und Projektbetreuer. Das vom Betr. erzielte Einkommen ist nicht bekannt."

Der Betr. ist verkehrsrechtlich vorbelastet. Unter dem 12.1.2015 erging durch den zuständigen Kreis H. wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes außerhalb geschlossener Ortschaften um 22 km/h ein bestandskräftiger Bußgeldbescheid über 70 EUR.

II. Nachdem der Betr. seinen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid des Polizeipräsidenten in Berlin vom 18.9.2015 auf die Rechtsfolge beschränkt hatte, war nur noch insoweit zu entscheiden.

Die Rechtsfolge für den qualifizierten Rotlichtverstoß hat das Gericht der Bußgeldkatalogverordnung nebst Anlage entnommen. Im Bußgeldkatalog ist unter Nr. 132.3 neben einer Geldbuße von 200 EUR ein einmonatiges Fahrverbot vorgesehen. Da der Rotlichtverstoß keinerlei Besonderheiten aufweist, demgegenüber aber der Betr. ausweislich des verlesenen Auszugs aus dem Fahreignungsregister des Kraftfahrt-Bundesamtes einschlägig vorbelastet ist, hat das Gericht die Geldbuße angemessen auf 220 EUR erhöht. Daneben hat es das gesetzlich vorgesehen Fahrverbot von einem Monat verhängt. Soweit der Betr. vorgetragen hat, das Fahrverbot stelle für ihn eine unzumutbare wirtschaftliche Härte dar, weil er befürchten müsse, wegen des zu vollstreckenden Fahrverbots seinen Arbeitsplatz zu verlieren, kann dem nicht gefolgt werden. Bei der insoweit gebotenen besonders kritischen Prüfung des Vortrags des Betr. (vgl. OLG Koblenz, Beschl. v. 23.4.2014 – 2 SsBs 14/14) ist in den Blick zu nehmen, dass ohnehin nur dann von einem Fahrverbot abgesehen werden kann, wenn das Gericht davon überzeugt ist, dass der behauptete Arbeitsplatzverlust die unausweichliche Folge des Fahrverbots ist (OLG Hamm, Beschl. v. 29.4.2004 – 4 Ss OWi 256/04, juris; OLG Koblenz a.a.O.). Daran fehlt es, wenn dem Betr. zuzumuten ist, durch eine Kombination von verschiedenen Maßnahmen (Urlaub, Benutzung anderer Verkehrsmittel usw.) die Zeit eines Fahrverbots zu überbrücken und für die dadurch entstehenden finanziellen Belastungen notfalls einen Kredit aufzunehmen (KG VRS 127, S. 259–261; Beschl. v. 4.12.1996 – 3 Ws (B) 503/96, juris). Dazu, ob der Betr. in der Lage wäre, das Fahrverbot durch entsprechende Maßnahmen wie insb. Urlaub abzufangen, hat er indes nichts vorgetragen. Schon deswegen begegnet die Behauptung des Betr., der Arbeitgeber werde ihm, sollte das Fahrverbot vollstreckt werden müssen, durchgreifenden Bedenken.

Hinzu tritt, dass von einem Arbeitsplatzverlust als sichere Folge des Fahrverbots nur dann gesprochen werden kann, wenn die drohende Kündigung nicht nur behauptet wird, sondern zumindest rechtlich nicht völlig aussichtslos erscheint. Es ist dem Betr. zumutbar, sich gegen eine offenkundig unberechtigte arbeitsrechtliche Kündigung gerichtlich zu wehren (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 10.3.2006 – 2 Ss – Owi 86/06, juris; OLG Koblenz a.a.O.). Im vorliegenden Fall erscheint die Kündigung des Betr. auf der Grundlage des von ihm Vorgetragenen als von vorneherein aussichtslos.

Der Betrieb des Betr. verfügt ausweislich seines eigenen Vortrags über sechs Mitarbeiter und unterliegt damit gem. § 23 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 des KSchG der sog. Sozialklausel. Unter Berücksichtigung der dadurch verschärften Anforderungen an eine Kündigung des Arbeitgebers ist zwar anerkannt, dass bei einem Berufskraftfahrer der Entzug der Fahrerlaubnis als Grund für eine Kündigung ausreichend ist. Denn in diesem Fall ist der Arbeitnehmer auf unabsehbare Zeit nicht mehr in der Lage, seine vertragliche Arbeitsleistung zu erbringen (BAG DB 2009, 123). Davon kann bei einer lediglich befristeten Hinderung des Arbeitnehmers indes nicht die Rede sein. Ist das Fahrverbot – wie hier – auf einen Monat beschränkt und könnte der Arbeitnehmer diesen Monat weitgehend durch Inanspruchnahme von Urlaub überbrücken, kommt eine Kündigung regelmäßig nicht in Betracht (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 16.8.2011 – 5 Sa 295/10, juris). Selbst wenn dem Arbeitnehmer lediglich der durch § 7 Abs. 2 S. 2 des Bundesurlaubsgesetzes eingeräumte mindestens zusammenhängende Urlaub von 12 Werktagen gewährt wird, vermag die verbleibende Zeit der personenbedingten Verhinderung des Beschäftigten von zwei Wochen eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen (OLG Frankfurt a.a.O.). Ohnehin wäre der Arbeitgeber während dieser Zeit von der Lohnzahlungspflicht entbunden (Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 8. Aufl., Rn 750 f.). Eine (personenbedingte) Kündigung könnte allenfalls dann zu rechtfertigen sein, wenn der Arbeitnehmer wegen vergleichbarer Verstöße zuvor arbeitsrechtlich abgemahnt wurde (LAG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 4.9.2006 – 14 Sa 635/16, juris). Ansonsten hätte es der Betr., der dazu nichts vorgetragen hat, (im Zusammenwirken mit seinem Arbeitgeber) in der Hand, nach eigenem Gutdünken ...

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