VVG § 5a

Leitsatz

Der Begriff der "Textform" in einer Widerspruchsbelehrung nach § 5a VVG a.F. ist nicht erläuterungsbedürftig.

BGH, Urt. v. 10.6.2015 – IV ZR 105/13

Sachverhalt

Die VN begehrt von dem beklagten VR Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge zweier Rentenversicherungen. Diese wurden zum 1.12.2004 nach dem sog. Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung abgeschlossen. Nach den Feststellungen des BG erhielt der VN mit Schreiben des VR v. 1.11.2004 mit den Versicherungsscheinen die Versicherungsbedingungen, die Verbraucherinformationen nach § 10a des VAG und jeweils eine schriftliche Belehrung über ihr Widerspruchsrecht in drucktechnisch deutlicher Form gem. § 5a Abs. 2 S. 1 VVG a.F.

Der VN zahlte in der Folge Prämien i.H.v. insgesamt 5.380 EUR. Mit Schreiben vom Mai 2008 kündigte er die Verträge und der VR zahlte den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom September und November 2008 erklärte er den Widerspruch nach § 5a VVG a.F. Mit der Klage verlangt er Rückzahlung aller auf die Verträge geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich der bereits gezahlten Rückkaufswerte.

2 Aus den Gründen:

[10] "… Der VN kann nicht gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB Rückzahlung der Prämien verlangen."

[11] 1. Die Voraussetzungen für ein Zustandekommen der Versicherungsverträge sind hier erfüllt. Nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen des BG erhielt der VN mit den Policenbegleitschreiben die Versicherungsscheine, die Versicherungsbedingungen, die Verbraucherinformationen und jeweils eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung. Die Revision macht ohne Erfolg geltend, der Begriff der “Textform’ in den Widerspruchsbelehrungen der Policenbegleitschreiben sei erläuterungsbedürftig. Ohne die gesetzliche Erläuterung in § 126b BGB kennen zu müssen, kann der VN diesem Begriff ohne Weiteres entnehmen, dass er den Widerspruch in letztlich lesbarer Form dem VR übermitteln und als Urheber erkennbar sein muss. Er kann ersehen, dass er seine Erklärung in Schriftzeichen und einer zur dauerhaften Wiedergabe geeigneten Weise festhalten muss und eine lediglich mündliche Erklärung nicht genügt. In diesem Verständnis wird er durch den in der Belehrung enthaltenen Hinweis bestärkt, dass zur Wahrung der Frist die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs genüge. Auch der Klammerzusatz “schriftlich oder in anderer lesbarer Form’ ist entgegen der Ansicht der Revision nicht geeignet, die VN von der Einlegung des Widerspruchs abzuhalten. Ein durchschnittlicher VN wird den Klammerzusatz zutreffend so verstehen, dass es genügt, wenn die Erklärung in Textform lesbar gemacht werden kann. Bis zum Ablauf der damit in Gang gesetzten 14-tägigen Widerspruchsfrist erklärte der VN den Widerspruch nicht.

2. Ob solchermaßen nach dem Policenmodell geschlossene Versicherungsverträge wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a VVG a.F. Wirksamkeitszweifeln unterliegen (vgl. dazu Senat BGHZ 202, 102 Rn 16 ff.; BVerfG WM 2015, 514 Rn 30 ff.), kann im Streitfall dahinstehen. Die von der Revision begehrte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union scheidet bereits deshalb aus, weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den genannten Richtlinien unvereinbar ist, hier nicht entscheidungserheblich ankommt. Dem VN ist es auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrags auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten. Die Treuwidrigkeit liegt darin, dass der VN nach ordnungsgemäßer Belehrung über die Möglichkeit, den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, diesen jahrelang unter regelmäßiger Prämienzahlung durchführte und erst dann von dem VR, der auf den Bestand des Vertrags vertrauen durfte, unter Berufung auf die behauptete Unwirksamkeit des Vertrags Rückzahlung aller Prämien verlangte (vgl. im Einzelnen zu den Maßstäben Senat a.a.O. Rn 32–42 … ). Der VN verhielt sich objektiv widersprüchlich. Die vertraglich eingeräumte und bekannt gemachte Widerspruchsfrist blieb bei Vertragsschluss 2004 ungenutzt. Der VN zahlte bis zur Kündigung im Mai 2008 dreieinhalb Jahre die Versicherungsprämien und ließ danach nochmals einige Monate bis zur Erklärung des Widerspruchs vergehen. Die jahrelangen Prämienzahlungen der bereits im November 2004 über die Möglichkeit, die Verträge nicht zustande kommen zu lassen, belehrten VN und ihre trotz dieser Belehrung zunächst nur für die Zukunft ausgesprochene Beendigung im Mai 2008 haben bei dem VR ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand der Verträge für die Vergangenheit begründet, was für die VN auch erkennbar war. Auch insoweit ist entgegen der Auffassung der Revision eine Vorlage an den EuGH nicht erforderlich. Die Maßstäbe für die Berücksichtigung der Gesichtspunkte von Treu und Glauben sind in der Rspr. des EuGH geklärt (s. Senat BGHZ 202, 102 Rn 41 f.; BVerfG, Beschl. v. 4.3.2015 – 1 BvR 3280/14) und die Annahme rechtsmissbräuch...

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