AKB 2013 2.2.3

Leitsatz

Von einer Überschwemmung ist auch auszugehen, wenn eine Straße durch einen Wolkenbruch überflutet wird. Von ihrer unmittelbaren Einwirkung ist auszugehen, wenn sich der VN ihr nicht mehr durch geeignete Gegenmaßnahmen entziehen kann.

(Leitsatz der Schriftleitung)

LG Bochum, Urt. v. 21.4.2015 – 9 S 204/14

Sachverhalt

Am 6.1.2014 befuhr der Sohn der Kl., der Zeuge L, mit dem versicherten Fahrzeug gegen 23 Uhr die A 40 in Richtung B, wobei es zu einem Überschwemmungsschaden gekommen sein soll, für den er die Teilkaskoversicherung in Anspruch nimmt.

Die Kl. hat behauptet, dass zum Zeitpunkt des Unfalls Starkregen geherrscht habe. Der Zeuge sei deswegen lediglich 40 km/h schnell gefahren. Zwischen der Einfädelung der A 52 und der A 40 habe er links in der Leitplanke ein anderes Fahrzeug bemerkt und sei gleichzeitig mit seinem Fahrzeug in eine für ihn nicht erkennbare, sich über die gesamte Fahrbahnbreite der A 40 erstreckende tiefe Wasserfläche geraten. Durch das in den Motorraum und in den Bereich der Scheinwerfer eindringende Wasser seien Kurzschlüsse verursacht sowie zwei Steuergeräte zerstört worden. Dadurch sei der rechte Scheinwerfer ausgefallen, sowie der linke Scheinwerfer zerstört worden. Beide Blinker seien außer Funktion; außerdem würde die Leuchtweitenregulierung nicht mehr funktionieren.

Das AG hat die Klage abgewiesen.

2 Aus den Gründen:

" … II. Die zulässige Berufung hat Erfolg. Die Kl. hat gegen die Bekl. einen Anspruch auf Ersatz des Fahrzeugschadens in der beantragten Höhe."

Ein solcher Anspruch folgt aus dem abgeschlossenen Versicherungsvertrag, weil der von der Kl. behauptete Schadensverlauf als Teilkasko-Schaden unter das versicherte Risiko fällt (unter 1.) und ein Schaden entstanden ist (unter 2.). Die Aktivlegitimation der Kl., die eine Versicherung für fremde Rechnung i.S.d. §§ 43 ff. VVG abgeschlossen hat, ist darüber hinaus in der Berufungsinstanz unstreitig gestellt worden.

1. Haftung dem Grunde nach

Nach Ziff. A 2.2.3 der AKB ist die unmittelbare Einwirkung von Sturm, Hagel, Schneelawinen, Blitzschlag oder Überschwemmung auf das Fahrzeug versichert.

b) Vorliegen einer Überschwemmung

Im streitgegenständlichen Fall lag eine Überschwemmung vor. Nach einer jüngeren Entscheidung des BGH aus dem Jahre 2006 kommt es für die Auslegung des Begriffs “Überschwemmung’ auf das Verständnis des durchschnittlichen VN an, das sich an dem Wortlaut der Klausel sowie an deren Sinn und Zweck orientiert. Dieser wird die Klausel dahin verstehen, dass ihm das aus dem täglichen Leben bekannte Risiko eines Überschwemmungsschadens abgenommen werden soll. Vor diesem Hintergrund erschließt sich der Begriff der Überschwemmung für ihn unter Rückgriff auf den allgemeinen Sprachgebrauch. Danach liegt eine Überschwemmung i.S.d. Klausel vor, wenn Wasser in erheblichem Umfang meist mit schädlichen Wirkungen nicht auf normalem Weg abfließt, sondern auf sonst nicht in Anspruch genommenem Gelände in Erscheinung tritt und dieses überflutet. Dagegen setzt eine Überschwemmung nicht voraus, dass ein Gewässer über die Ufer tritt. … Von ihr ist auch auszugehen, wenn eine Straße durch Wolkenbruch überschwemmt wird. (Knappmann, in: Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl. 2015, AKB 2008 A 2.2.2 Rn 37) Denn eine Überschwemmung liegt auch vor, wenn starker Regen in dem Maße niedergeht, dass er weder vollständig versickert, noch sonst geordnet über natürliche Wege abfließen kann. (vgl. BGH a.a.O.)

Vor diesem Hintergrund hat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur sicheren Überzeugung der Kammer (§ 286 ZPO) eine Überschwemmung i.S.d. AKB vorgelegen. Denn der Zeuge L hat detailreich geschildert, dass auf der von ihm befahrenen Autobahn A 40 nach dem Tunnel nach der Ausfahrt E, an der Stelle, wo die A 52 in die A 40 mündet, sehr starker Regen geherrscht habe. Dies habe ihn veranlasst, trotz geringen Verkehrsaufkommens lediglich 40 km/h bis 50 km/h schnell zu fahren. Er habe auf der linken Seite ein anderes Fahrzeug bemerkt, das in die Leitplanke gefahren sei, als sich plötzlich vor ihm eine Wasserlache, die sich über beide Fahrspuren erstreckt habe, aufgetan habe. Diese habe nicht besonders tief ausgesehen; sei aber doch so tief gewesen, dass es, als er durchgefahren sei, an den Seiten hochgespritzt habe.

Gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage oder die Glaubwürdigkeit des Zeugen bestehen keine Bedenken. Insb. steht die Schilderung nicht im Widerspruch zu seiner telefonische Schadensanzeige, seiner schriftlichen Schadensanzeige v. 17.1.2014 oder seiner ergänzenden schriftlichen Mitteilung v. 23.1.2014. Denn durchgängig hat der Zeuge starke Regenfälle und dass er durch ungewöhnlich hohes Wasser gefahren sei, worauf die Scheinwerfer ausfielen, geschildert.

Der Einholung eines Wettergutachtens bedarf es nach Auffassung der Kammer daher nicht.

c) Unmittelbare Einwirkung der Überschwemmung

Die Überschwemmung hat zudem unmittelbar auf das Fahrzeug eingewirkt.

aa) Definition der Unmittelbarkeit

Die Auslegung des Begriffs “unmittelbare Einwirkung’ ist zwischen den Parteien höchst streitig u...

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