BGB § 123 § 278 § 323 Abs. 1 § 346 Abs. 1 § 434 Abs. 1 S. 1 § 437 Nr. 2 § 440 S. 1 § 446

Leitsatz

1. Den Gebrauchtwagenhändler trifft keine generelle, anlassunabhängige Obliegenheit, das Fahrzeug vor dem Verkauf umfassend zu untersuchen. Vielmehr kann er zu einer Überprüfung des Fahrzeugs nur aufgrund besonderer Umstände, die für ihn einen konkreten Verdacht auf Mängel begründen, gehalten sein. Abgesehen von diesen Fällen ist der Händler grds. nur zu einer fachmännischen äußeren Besichtigung ("Sichtprüfung") verpflichtet.

2. Die im Kaufvertrag enthaltene Eintragung "HU neu" beinhaltet bei interessengerechter Auslegung die stillschweigende Vereinbarung, dass sich das verkaufte Fahrzeug im Zeitpunkt der Übergabe in einem für die Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO geeigneten verkehrssicheren Zustand befinde und die Hauptuntersuchung durchgeführt sei.

3. Für die Beurteilung, ob die Nacherfüllung für den Käufer gem. § 440 S. 1 Alt. 3 BGB unzumutbar ist, sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insb. die Zuverlässigkeit des Verkäufers, diesem vorzuwerfende Nebenpflichtverletzungen oder der Umstand, dass der Verkäufer bereits bei dem ersten Erfüllungsversuch, also bei Übergabe, einen erheblichen Mangel an fachlicher Kompetenz hat erkennen lassen und das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien nachhaltig gestört ist.

BGH, Urt. v. 15.4.2015 – VIII ZR 80/14

Sachverhalt

Die Kl. kaufte von der Bekl. einen gebrauchten Pkw. In dem Kaufvertrag enthielt die Rubrik "Zubehör/Sonderausstattung" den Eintrag "HU neu". Am Tage des Fahrzeugkaufs hatte der TÜV die Hauptuntersuchung durchgeführt und das Fahrzeug beanstandungsfrei mit einer TÜV-Plankette versehen. Am nächsten Tag fuhr die Kl. mit dem gekauften Fahrzeug zu ihrem rund 900 km entfernten Wohnort. Auf der Fahrt dorthin versagte der Motor aufgrund eines defekten Kraftstoffrelais mehrfach. Der Kl. entstanden Kosten für Pannenhilfe und Reparatur von 315,99 EUR. Die anschließende, von der Kl. veranlasste Untersuchung des Fahrzeuges ergab eine starke Korrosion an den Bremsleitungen, den Längsträgern, den Querlenkern, den Achsträgern und dem Unterboden sowie an sämtlichen Zuleitung zum Motor. Die Kl. erklärte daraufhin die Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung, hilfsweise den Rücktritt vom Kaufvertrag. Der Bekl. behauptete, das Fahrzeug vor dem Verkauf durchgesehen und nur vordergründigen Rost festgestellt zu haben; außerdem habe er sich auf den Untersuchungsbefund des TÜV verlassen.

Die Kl. hat die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Kfz und den Ersatz der Kosten der Pannenhilfe und Reparatur verfolgt. Das LG hat der Klage stattgeben. Die Berufung der Bekl. war erfolglos. Mit der Revision verfolgt der Bekl. Seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Die Revision hatte keinen Erfolg.

2 Aus den Gründen:

[13] "… 1. Die Auffassung des BG, der Kl. stehe aufgrund erfolgreicher Arglistanfechtung ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB zu, ist allerdings von Rechtsfehlern beeinflusst. Die Annahme des BG, der Bekl. habe den Kaufvertrag arglistig herbeigeführt, weil er die Kl. nicht über die unterbliebene Fahrzeuguntersuchung aufgeklärt habe, ist bereits im Ansatz verfehlt, weil eine allgemeine Untersuchungspflicht des Gebrauchtwagenhändlers – entgegen der Annahme des BG – nicht besteht."

[14] a) Nach st. Rspr. des Senats trifft den Gebrauchtwagenhändler keine generelle, anlassunabhängige Obliegenheit, das Fahrzeug vor dem Verkauf umfassend zu untersuchen (Senatsurt. v. 19.6.2013 – VIII ZR 183/12, NJW 2014, 211 Rn 24; v. 7.6.2006 – VIII ZR 209/05, BGHZ 168, 64 Rn 15; v. 3.11.1982 – VIII ZR 282/81, NJW 1983, 217 unter II 2 b; v. 21.1.1981 – VIII ZR 10/80, WM 1981, 323 unter II 3 b aa; v. 11.6.1979 – VIII ZR 224/78, BGHZ 74, 383, 388 f.; v. 16.3.1977 – VIII ZR 283/75, NJW 1977, 1055 unter III 1 a m.w.N.). Vielmehr kann er zu einer Überprüfung des Fahrzeugs nur aufgrund besonderer Umstände, die für ihn einen konkreten Verdacht auf Mängel begründen, gehalten sein (Senatsurt. v. 21.1.1981 – VIII ZR 10/80, a.a.O.; v. 3.11.1982 – VIII ZR 282/81, a.a.O.; v. 21.1.1975 – VIII ZR 101/73, BGHZ 63, 382, 386 f.; v. 11.6.1979 – VIII ZR 224/78, a.a.O.), etwa dann, wenn er die Vorschädigung eines zu veräußernden Fahrzeugs kennt (Senatsurt. v. 14.4.2010 – VIII ZR 145/09, NJW 2010, 2426 Rn 29 m.w.N.). Abgesehen von diesen Fällen ist der Händler grds. nur zu einer fachmännischen äußeren Besichtigung (“Sichtprüfung’) verpflichtet (Senatsurt. v. 19.6.2013 – VIII ZR 183/12, a.a.O. m.w.N.).

[15] b) Zudem hat das BG versäumt, Feststellungen zu dem erforderlichen Ursachenzusammenhang zwischen der vermeintlichen arglistigen Täuschung und dem Abschluss des Kaufvertrags zu treffen. Denn angesichts der am Tag des Kaufvertrags durchgeführten, erfolgreichen Vorführung des Fahrzeugs zur Hauptuntersuchung versteht es sich nicht von selbst, dass der vom BG für erforderlich gehaltene Hinweis des Bekl., das Fahrzeug nicht selbst untersucht zu haben, am Kaufentschluss der Kl. etwas geä...

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