BGB § 323 Abs. 5 S. 2

Leitsatz

1. Die Beurteilung der Frage, ob eine Pflichtverletzung unerheblich i.S.d. § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ist, erfordert eine umfassende Interessenabwägung auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls (Bestätigung der Senatsurt. v. 17.2.2010 – VIII ZR 70/07, NJW-RR 2010, 1289 Rn 23; v. 6.2.2013 – VIII ZR 374/11, NJW 2013, 1365 Rn 16).

2. Bei einem behebbaren Mangel ist im Rahmen dieser Interessenabwägung von einer Geringfügigkeit des Mangels und damit von einer Unerheblichkeit der Pflichtverletzung gem. § 323 Abs. 5 S. 2 BGB jedenfalls i.d.R. nicht mehr auszugehen, wenn der Mangelbeseitigungsaufwand einen Betrag von fünf Prozent des Kaufpreises übersteigt.

BGH, Urt. v. 28.5.2014 – VIII ZR 94/13

Sachverhalt

Der Kl. verfolgt die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen Neuwagen. Der Kl. kaufte von dem beklagten Autohaus einen Pkw zum Preis von 29.953 EUR. Nach der Übergabe des Pkw machte der Kl. mehrere Mängel des Fahrzeugs, unter anderem eine Mangelhaftigkeit der Einparkhilfe (einen Fehler der akustischen Warnfunktion aufgrund falschen Einbaus der Sensoren sowie Fehlen einer zusätzlichen optischen Warnfunktion), geltend und suchte deshalb wiederholt das Autohaus der Bekl. und die Werkstatt eines anderen Autohauses auf. Der Kl. rügte unter anderem die Mangelhaftigkeit der Einparkhilfe und setzte erfolglos eine Frist zur Mängelbeseitigung. Die Bekl. teilte dem Kl. mit, die Einparkhilfe funktioniere nach einem vorangegangenen Nachbesserungsversuch und entspreche dem Stand der Technik. Daraufhin erklärte der Kl. den Rücktritt vom Kaufvertrag. Das LG hat die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zu den behaupteten Mängeln abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Kl. hatte keinen Erfolg. Das BG ging davon aus, dass das gekaufte Fahrzeug nur insoweit mangelhaft sei, als die Sensoren der Einparkhilfe in falscher Höhe und mit falschem Abstand zueinander eingebaut gewesen seien. Da die Mangelbeseitigungskosten nach den Feststellungen des Sachverständigen sich lediglich auf 6,5 % des Kaufpreises beliefen, sei die Pflichtverletzung der Bekl. unerheblich. Die Erheblichkeitsschwelle des § 323 Abs. 5 S. 2 BGB werde erst bei einem Mangelbeseitigungsaufwand von mehr als 10 % des Kaufpreises überschritten. Dem folgte der BGH nicht.

2 Aus den Gründen:

[12] "… Zu Unrecht hat das BG einen Anspruch des Kl. auf Rückgewähr des Kaufpreises nach § 437 Nr. 2, §§ 440, 323 Abs. 1, § 346 Abs. 1, § 348 BGB verneint, weil es rechtsfehlerhaft die in den festgestellten Mängeln der Einparkhilfe zum Ausdruck kommende Pflichtverletzung der Bekl. für unerheblich und den Rücktritt deshalb gem. § 323 Abs. 5 S. 2 BGB für ausgeschlossen erachtet hat. Entgegen der Auffassung des BG ist bei einem behebbaren Sachmangel die in der Mangelhaftigkeit der Kaufsache liegende Pflichtverletzung nicht erst dann als erheblich i.S.d. § 323 Abs. 5 S. 2 BGB anzusehen, wenn der Mangelbeseitigungsaufwand zehn Prozent des Kaufpreises übersteigt. Vielmehr ist bei einem behebbaren Sachmangel die Erheblichkeitsschwelle des § 323 Abs. 5 S. 2 BGB im Rahmen der insoweit auf der Grundlage der Einzelfallumstände vorzunehmenden Interessenabwägung jedenfalls i.d.R. bereits dann als erreicht anzusehen, wenn der Mangelbeseitigungsaufwand einen Betrag von fünf Prozent des Kaufpreises überschreitet."

[13] 1. Rechtsfehlerfrei hat das BG allerdings angenommen, dass das Fahrzeug mit einem Sachmangel i.S.d. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB behaftet ist, weil die Sensoren der Einparkhilfe in falscher Höhe und mit falschem Abstand zueinander eingebaut sind und deshalb die Einparkhilfe immer wieder akustische Warnsignale ohne erkennbares Hindernis abgibt. Auch die Würdigung des BG, der Kl. habe der Bekl. diesbezüglich – erfolglos – eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden und wird von der Revision, da ihr günstig, auch nicht angegriffen.

[14] 2. Es kann dahin stehen, ob das BG, wie die Revision unter Hinweis auf von ihr als vom BG übergangen gerügten Vortrag des Kl. annimmt, eine erhebliche Pflichtverletzung bereits deshalb zu Unrecht verneint hat, weil die Parteien hinsichtlich der Ausstattung des Fahrzeugs mit einer optischen Warnfunktion der Einparkhilfe sowie hinsichtlich der Anschlussmöglichkeit eines iPod über die auf der Mittelkonsole vorhandene Anschlussbuchse jeweils Beschaffenheitsvereinbarungen nach § 434 Abs. 1 S. 1 BGB getroffen haben, welche im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung die Erheblichkeit der Pflichtverletzung indizieren (vgl. Senatsurt. v. 17.2.2010 – VIII ZR 70/07, NJW-RR 2010, 1289 Rn 23 m.w.N.; v. 6.2.2013 – VIII ZR 374/11, NJW 2013, 1365 Rn 16).

[15] Denn die Revision wendet sich jedenfalls mit Erfolg gegen die Auffassung des BG, im Streitfall scheitere die Rückabwicklung des Kaufvertrags an der Unerheblichkeit der Pflichtverletzung gem. § 323 Abs. 5 S. 2 BGB.

[16] a) § 437 Nr. 2 Alt. 1 BGB verweist bei Vorliegen eines Sachmangels auf die den Rücktritt von gegenseitigen Verträgen betreffende Vorschrift ...

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