– Deutsche Akademie für Verkehrswissenschaft – e.V. (Hrsg): Festschrift zum 50. Deutschen Verkehrsgerichtstag 2012, Luchterhand, 278 Seiten, zu bestellen beim Verein Deutscher Verkehrsgerichtstag, service@deutscher-verkehrsgerichtstag.de, gegen eine Schutzgebühr von 15 EUR, ISBN 978-3-472-08331-3

In seinem Überblick über einige organisatorische Fixpunkte kann Präsident Nehm gelassen festhalten, dass in den 50 Verkehrsgerichtstagen (VGT) "kaum ein Rechtsproblem des Verkehrsrechts unberaten blieb". Daran trägt der Vorbereitungsausschuss, der die Themen auswählt, große Verdienste. Engagierte Fachleute inspizieren und bewerten die Bandbreite aller Verkehrsrechtssparten, auch des Verfassungs-, Unions- und Schifffahrtsrechts, nebst verflochtener Nachbardisziplinen wie Verkehrsmedizin und Verkehrsunfallforschung.

So beleuchtet Steffen die zivilrechtlichen Perspektiven des VGT. Er honoriert u.a. wichtige Beiträge des VGT zu Anspruchs- und Schadenspositionen wie: Verbesserung des Schutzes für Kinder, Haftungsrisiken des Arbeitnehmers, Dispositionsfreiheit des Geschädigten, Abrechnung von Mietwagenkosten, Rehabilitationsmanagement beim Personenschaden und Haushaltsführungsschaden in der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, wobei er jeweils den Kern des Rechtsproblems herausarbeitet. Dencker, vor Nehm sechs Jahre Präsident des VGT, untersucht im Rahmen des Ordnungswidrigkeitenrechts u.a. die Kennzeichen-Anzeigen. Er stellt die mitunter schillernde Kommunikation zwischen mehreren Arbeitskreisen dar. Es ging dabei darum, die Halterhaftung aus dem ruhenden Verkehr heraus auf (geringfügige) Geschwindigkeitsüberschreitungen auszudehnen. Dabei stand man vor dem Problem, das Verhältnismäßigkeitsprinzip einzuhalten. Dencker hält von Halbherzigkeiten bei einer Ausweitung der Halterhaftung auf den fließenden Verkehr nichts. Er schließt sich der Empfehlung des 39. VGT an: keine Ausdehnung der Halterhaftung. Via Brüssel warnt er zu Recht davor, bewährte nationale Traditionen im Verkehrsrecht aufzugeben.

Geiger durchforstet die MPU im Spiegel des VGT. Er erläutert die Rechtsgrundlagen für die MPU, speziell die §§ 11 Abs. 3, 13 und 14 FeV. Diese Tatbestände im Rahmen der Kodifikation ernten vom Autor kein uneingeschränktes Lob. Die Einstellung mehrerer Arbeitskreise zu Rechtsbehelfen gegen die Anforderung eines Fahreignungsgutachtens hat Unzufriedenheit mit der geltenden Regelung hinterlassen, wie Geiger zutreffend registriert. Geppert schaut auf die strafrechtlichen Empfehlungen des VGT. Ein heißes Thema war die Reform des Fahrverbotes. Sollte die Nebenstrafe zu einer Hauptstrafe verändert werden, womöglich ohne Bezug auf Verkehrsdelikte? Geppert stellt die unterschiedlichen Positionen mehrerer Arbeitskreise einander gegenüber. Schließlich empfahl der 39. VGT lediglich eine Verlängerung auf sechs Monate. Eine endgültige Entscheidung des Gesetzgebers steht noch aus. Der VGT hat auch Vorschläge für eine pragmatische Verbesserung der Rechtsfigur der tätigen Reue – § 142 Abs. 4 StGB – unterbreitet. Nach Einschätzung des Verfassers werden solche Empfehlungen aber wohl in der Schublade bleiben.

Lesenswert ist der Bericht von Eisenmenger/Hell. Man erkennt in dieser Darstellung, wie wichtig der VGT Verkehrsmedizin und Verkehrsunfallforschung eingestuft hat. Des Öfteren hat sich der VGT mit altersbedingten Einschränkungen der Eignung befasst. Die Autoren heben hervor, dass der VGT eine periodische Untersuchung älterer Fahrer nicht geboten sieht. Auf der Tagesordnung habe auch der befristete Führerschein gestanden. Nach dem aktuellen Stand, so sehen es die Autoren, werde der befristete Führerschein abgesegnet, aber in Deutschland ohne generelle Anordnung einer MPU im Zuge der Neuerteilung. Interesse wird auch die Abhandlung Schulzes zu Alkohol, Drogen und Medikamenten im Straßenverkehr hervorrufen. Anhand von Tabellen belegt er, dass sich das Trink-Fahrverhalten in Deutschland kontinuierlich verbessert hat. Der Verfasser weist aber auch darauf hin, dass die Prävalenz von Alkohol deutlich höher als die von Drogen ausfällt. Die übrigen, ebenfalls lesenswerten, Beiträge können aus Platzgründen nicht angesprochen werden.

Die Unausgewogenheit in der Zusammensetzung der Teilnehmer bleibt, wie Nehm einräumt, ein gewisses Problem. Mögen auch in manchen Erörterungen konfligierende Interessen hart aufeinander stoßen, kann der VGT jedenfalls nicht als "parteipolitische Kampfarena" (Steffen) diagnostiziert werden. Der VGT bleibt ein wertvoller Seismograph für Lagermentalitäten. Das alles spiegelt sich auch in dieser Festschrift wider.

Autor: Ulrich Ziegert

Rechtsanwalt und Notar a.D. Ulrich Ziegert

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