Dem Verfasser sind keine veröffentlichten Entscheidungen bekannt geworden, bei denen die Problematik des Zeichens 205 bei § 10 StVO im Ordnungswidrigkeitenrecht behandelt wurden.

Im Hinblick auf die Einordnung der Straße, ob es ein Fall des § 10 StVO oder des § 8 StVO ist, hat das LG Kiel[19] ausgeführt: "1. Die Abgrenzung zwischen einem anderen Straßenteil i.S.d. § 10 StVO und einer Einmündung i.S.d. § 8 StVO ist für einen Verkehrsteilnehmer anhand der folgenden äußerlich erkennbaren Merkmale vorzunehmen:"

Gleich- bzw. Andersartigkeit der Oberflächenbeschaffenheit bzw. des Straßenbelages der einzuordnenden Verkehrsfläche im Verhältnis zur kreuzenden Hauptverkehrsstraße,
Fortführung des Straßenbegrenzungsstreifens der Hauptverkehrsstraße über die einzuordnenden Verkehrsfläche hinweg,
Einfriedung der einzuordnenden Verkehrsfläche durch ein Tor,
Breite und Erkennbarkeit der einzuordnenden Verkehrsfläche,
Vorhandensein eines Straßennamens und Straßenschildes für die einzuordnende Verkehrsfläche,
Beschilderung/Verkehrszeichen sowie
das (Nicht-)Vorliegen eines Höhenunterschiedes im Übergangsbereich der einzuordnenden Verkehrsfläche zur Hauptverkehrsstraße, z.B. durch einen Bordstein (BGH, Urt. v. 23.6.1987 – VI ZR 296/86).“

Das LG Mönchengladbach[20] stellt fest: Der Fahrer, der aus einer zu mehreren Hausgrundstücken führenden Stichstraße in eine Durchgangsstraße einbiegt, kann sich trotz fehlender Beschilderung nicht auf die "rechts vor links"-Regelung des § 8 Abs. 2 S. 1 StVO berufen, wenn die Stichstraße aufgrund ihrer baulichen Ausgestaltung offenkundig lediglich der Anschließung der Hausgrundstücke an den öffentlichen Verkehr dient und damit als anderer Straßenteil i.S.v. § 10 Abs. 1 StVO anzusehen ist.

Auch der BGH[21] äußerte sich im Jahr 2007 dahingehend, dass es auf den äußeren Anschein ankommt. Ausgesagt wurde im Leitsatz: Die besonderen Pflichten des § 10 S. 1 StVO gelten für den Fahrer, der einen verkehrsberuhigten Bereich verlässt, auch dann, wenn das Zeichen 326 (Ende) nicht unmittelbar im Bereich der Einmündung oder Kreuzung, sondern einige Meter davor aufgestellt ist. Entscheidend ist, ob das Einfahren in eine andere Straße bei objektiver Betrachtung noch als Verlassen des verkehrsberuhigten Bereichs i.S.d. § 10 StVO erscheint. Dies ist in der Regel zu bejahen, wenn das Zeichen 326 nicht mehr als 30 m vor der Einmündung oder Kreuzung aufgestellt ist und keine konkreten Anhaltspunkte eine abweichende Beurteilung rechtfertigen.

Interessant ist, was das Gericht dazu in Rn 9 ausführt: "Bezogen auf die Verhaltensanforderungen des § 10 StVO hat das Zeichen 326 eine die Vorfahrt regelnde Bedeutung. Die sich aus dieser Regelung ergebenden Verpflichtungen enden nicht generell auf der Höhe des Verkehrsschildes. Sie enden vielmehr in der Regel erst dann, wenn sich das Gebot aktualisiert, beim Einfahren aus einem verkehrsberuhigten Bereich in eine andere Straße eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen. Dies ist regelmäßig an der nächsten Einmündung oder Kreuzung nach Ende des verkehrsberuhigten Bereichs der Fall. Weiter stellt das Gericht fest: Die abweichende Ansicht berücksichtigt nicht ausreichend, dass im vorliegenden Zusammenhang nicht der Begrenzung des verkehrsberuhigten Bereichs, sondern der vorfahrtregelnden Wirkung des Zeichens 326 entscheidende Bedeutung zukommt. Diese Wirkung kann nicht davon abhängen, ob das Zeichen unmittelbar im Einmündungs- bzw. Kreuzungsbereich steht oder einige Meter davor. Dass es unmittelbar im Einmündungs- oder Kreuzungsbereich aufgestellt ist, wird eher selten sein. Häufig wird es sich einige Meter vor der Kreuzung oder Einmündung befinden. Es erschiene aber verfehlt, in diesen Fällen von der Geltung des § 8 Abs. 1 S. 1 StVO auszugehen, insbesondere wenn der Querverkehr aufgrund der für ihn sichtbaren Beschilderung oder der Gestaltung des Straßenverlaufs oder der Straßenflächen annehmen darf, der Fahrer des einfahrenden Fahrzeugs habe die Verhaltensanforderungen des § 10 StVO zu beachten."

Wenn selbst bei einer Entfernung von 30 m nach Aufstellung des Zeichens 325.2 (früher Zeichen 326) noch die Regelung des § 10 StVO gilt, dürfte sich nach dieser Darstellung nichts ändern, selbst wenn zur Klarstellung Zeichen 205 nun aufgestellt wird.

Aktuell soll auch auf eine Entscheidung des LG Dortmund[22] hingewiesen werden. Es ging auch hier um eine Haftungsfrage und die Bedeutung von § 10 StVO und der Kenntnis dieser Vorschrift. Darin war der Pressemeldung zu entnehmen: "(…) Die Beklagte sei, so der Senat, aus einem Grundstück auf eine öffentliche Straße gefahren. Dabei habe sie gem. § 10 StVO höchste Sorgfalt walten lassen und eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausschließen müssen. Dem klägerischen Fahrzeug gegenüber sei sie daher wartepflichtig gewesen. Die von ihr befahrene Abzweigung mit einer Länge von ca. 10 m führe allein zu der nur wenige Meter von der Straßenfront zurückliegenden Sporthalle. Sie diene deren Erreichbarkeit und nicht dem fli...

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