BGB § 249 Abs. 2 S. 1; VV RVG Nr. 2300

Leitsatz

Der Gegenstandswert, welcher der Bemessung der vom Schädiger zu erstattenden Rechtsanwaltskosten zugrunde zu legen ist, bestimmt sich unter Abzug des Restwerts des Unfallfahrzeugs, wie er letztlich festgestellt oder unstreitig geworden ist (Fortführung von BGH RVGreport 2017, 424 [Hansens] = zfs 2017, 646 mit Anm. Hansens = AGS 2017, 365).

BGH, Beschl. v. 19.4.2018 – IX ZR 187/17

Sachverhalt

Die Kl. hatte vor dem AG Erdingen als Schadensersatz restliches Anwaltshonorar, das ihr für die außergerichtliche Regulierung eines Verkehrsunfalls entstanden war, geltend gemacht, für dessen Folgen der Bekl. dem Grunde nach zu 100 % einzustehen hat. Der von der Kl. beauftragte Sachverständige hat einen Wiederbeschaffungswert i.H.v. 9.682,93 EUR und einen Restwert des Fahrzeugs von 2.500 EUR ermittelt. Die Haftpflichtversicherung des Bekl. hat einen Käufer für das beschädigte Fahrzeug gefunden, der einen Kaufpreis von sogar 5.400 EUR gezahlt hat.

Ihren Schaden hatte die Kl. auf Gutachtenbasis abgerechnet und danach den materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch in Höhe einer 1,3 Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von 10.854,16 EUR zzgl. Auslagen und Umsatzsteuer, i.H.v. 958,19 EUR insgesamt berechnet. Dabei hat die Kl. den Gegenstandswert für die Geschäftsgebühr auf der Grundlage des Wiederbeschaffungswerts ohne Abzug des Restwertes berechnet und als weitere Schadenspositionen Gutachtenkosten, 25 EUR Unkostenpauschale und 602 EUR Nutzungsausfall hinzugesetzt, der zwischen den Parteien streitig blieb und von der Versicherung nicht gezahlt wurde.

Die Haftpflichtversicherung der Bekl. hat den Gegenstandswert für die zu erstattenden Anwaltskosten anders ermittelt. Sie ist von dem vom Sachverständigen ermittelten Wiederbeschaffungswert von 9.682,93 EUR ausgegangen und hat davon den Betrag i.H.v. 5.400 EUR (Kaufpreis für das beschädigte Fahrzeug) abgezogen. Der Differenz von (9.682,93 EUR – 5.400 EUR =) 4.282,93 EUR hat die Versicherung die Sachverständigenkosten i.H.v. 904,16 EUR und eine Kostenpauschale i.H.v. 30 EUR hinzugerechnet und hat einen Gegenstandswert von 5.217,03 EUR ermittelt. Die Haftpflichtversicherung hat den Unfallschaden in Höhe dieses Betrages i.H.v. 5.217,03 EUR reguliert und nach diesem Gegenstandswert eine 1,3 Geschäftsgebühr nebst Postentgeltpauschale und Umsatzsteuer i.H.v. insgesamt 571,44 EUR gezahlt.

Den sich aus den unterschiedlichen Berechnungsweisen ergebenden Differenzbetrag der vorgerichtlichen Anwaltskosten i.H.v. 386,75 EUR hat die Kl. vor dem AG Erdingen eingeklagt. Das AG hat der Klage stattgegeben und die Berufung zugelassen. Das LG Landshut (AGS 2017, 367) hat die Berufung des Bekl. hiergegen zurückgewiesen und die Revision gegen seine Entscheidung zugelassen. Die Revision des Bekl. hatte beim BGH Erfolg.

2 Aus den Gründen:

"… [6] II. (…) … . Entgegen der Ansicht des BG bestimmt sich der Gegenstandswert, welcher der Bemessung der vom Schädiger zu erstattenden Rechtsanwaltskosten zugrunde zu legen ist, unter Abzug des Restwerts des Unfallfahrzeugs, wie er letztlich festgestellt oder unstreitig geworden ist."

[7] 1. Der dem Geschädigten zustehende Schadensersatzanspruch umfasst grds. auch den Ersatz der durch das Schadensereignis erforderlich gewordenen Rechtsverfolgungskosten, § 249 Abs. 2 S. 1 BGB. Nach der st. Rspr. des BGH hat der Schädiger allerdings nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis adäquat verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (BGH zfs 2017, 646 m. Anm. Hansens = RVGreport 2017, 424 [Hansens] = AGS 2017, 365 m.w.N.).

[8] Beauftragt der Geschädigte einen Rechtsanwalt mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber dem Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer, so ist der Umfang des Ersatzverlangens nur für die Abrechnung zwischen dem Geschädigten und seinem Anwalt maßgebend (Innenverhältnis). Kostenerstattung aufgrund des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs kann der Geschädigte vom Schädiger dagegen grds. nur insoweit verlangen, als seine Forderung diesem gegenüber auch objektiv berechtigt ist. Die von einem – einsichtigen – Geschädigten für vertretbar gehaltenen Schadensbeträge sind nicht maßgeblich. Denn Kosten, die dadurch entstehen, dass dieser einen Anwalt zur Durchsetzung eines im Ergebnis unbegründeten Anspruchs beauftragt, können dem Schädiger nicht mehr als Folge seines Verhaltens zugerechnet werden. Damit ist dem Anspruch des Geschädigten auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten im Verhältnis zum Schädiger grds. der Gegenstandswert zugrunde zu legen, welcher der berechtigten Schadensersatzforderung entspricht (BGH zfs 2017, 646 m. Anm. Hansens = RVGreport 2017, 424 [Hansens] = AGS 2017, 365 m.w.N.).

[9] 2. Die von der Kl. gegenüber dem Bekl. zumindest zuletzt nur in diesem Umfang noch geltend gemachte Forderung auf Ersatz des Wiederbeschaffungsaufwands (Wiederbeschaffungswert abzüglich d...

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