BGB § 323 § 326 Abs. 5 § 434 § 437 Nr. 2 § 440

Leitsatz

1. Der Rücktritt vom Kauf wegen eines Mangels der Kaufsache setzt eine gesetzte Frist zur Nacherfüllung voraus.

2.a) Entbehrlich ist die Fristsetzung, wenn die Voraussetzungen des § 323 Abs. 2 BGB vorliegen.

b) Eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung liegt nur dann vor, wenn die Weigerung das letzte Wort des Verkäufers ist.

c) Besondere Umstände, die einen sofortigen Rücktritt ohne Nacherfüllungsversuch rechtfertigen, liegen vor, wenn ein arglistiges Verschweigen des Mangels durch den Verkäufer gegeben ist.

3. Die fehlende Zulassungskonformität des verkauften Kfz beseitigt die Nutzung des Fahrzeuges nicht, da das Kraftfahrtbundesamt von einer Fahrzeugstilllegung bis zur Durchführung der Rückrufaktion absieht.

(Leitsätze der Schriftleitung)

LG Düsseldorf, Urt. v. 23.8.2016 – 6 O 413/15

Sachverhalt

Der Kl. erwarb von der Bekl. zu 1), einer Vertragshändlerin, ein von der Bekl. zu 2) hergestelltes Neufahrzeug, das am 19.4.2012 ausgeliefert wurde. Die Laufleistung betrug am 29.10.2015 44.655 km. Der zu dem Pkw gehörende Dieselmotor EA 189 ist von dem Abgasskandal betroffen. Er verfügt über eine sog. Manipulations- und Schummelsoftware, die den Stickstoffausstoß im Testfall auf bis zu 1/40 herunterregelt.

Ohne Nachfristsetzung zur Nacherfüllung forderte der Kl. die Bekl. zu 1) auf, den Kaufvertrag binnen 17 Tagen rückabzuwickeln. Weiterhin erklärte er die Anfechtung des Kaufvertrages und lehnte zugleich die Nachbesserung ab. Nachdem die mit dem Kraftfahrtbundesamt abgesprochenen Maßnahmen zur Nachbesserung im Januar 2016 angelaufen waren, sicherte die Bekl. zu 1) dem Kl. ohne Anerkennung einer Rechtspflicht zu, dessen Fahrzeug nachzubessern. Das lehnte der Kl. ab, forderte vielmehr die Bekl. zu 1) auf, ihm einen Vorschlag zu unterbreiten, zu welchem Preis sie das manipulierte Fahrzeug im Rahmen eines etwaigen Neukaufs in Zahlung nimmt. Darauf ging die Bekl. zu 1) nicht ein.

Mit der Klage macht der Kl. die Rückgängigmachung des Kaufs und die Erstattung von Vorhaltekosten für das Fahrzeug geltend. Er meint, dass das Fahrzeug wegen der Manipulationssoftware unter einem erheblichen Mangel litte.

Nach der Durchführung der Rückrufaktion werde ein von dem derzeitigen Vorstandsvorsitzenden der Bekl. zu 2) bestätigter Leistungsverlust von 3–5 km/h eintreten. Weiterhin bestehe die Gefahr eines Kraftstoffmehrverbrauchs, darauf beruhend erhöhte Kraftfahrzeugsteuern und ein ungünstiger Einfluss auf die Zulassung in Umweltzonen. Auch der Wiederbeschaffungswert werde gemindert. Aufgrund des langen Zeitraumes, bis sein Fahrzeug nachgebessert hätte werden können, liegt auch eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung vor. Da er über die Manipulationssoftware getäuscht worden sei, sei ihm auch deshalb ein Eingehen auf das Nachbesserungsangebot nicht zuzumuten gewesen.

Die Bekl. haben zur Begründung ihres Klageabweisungsantrages das Vorliegen eines Mangels – jedenfalls eines erheblichen Mangels – in Abrede gestellt. Immerhin sei die Fahrbereitschaft des Kfz nicht eingeschränkt. Das Update zur Überarbeitung der Software erfordere einen Zeitaufwand von einer halben Stunde und koste weniger als 100 EUR. Die Bekl. habe keine Kenntnis von der Manipulationssoftware gehabt; etwaige Kenntnisse der Bekl. zu 2) müsse sie sich nicht zurechnen lassen. Die Frage des Stickstoffausstoßes sei für den Kaufentschluss des Kl. nicht entscheidend gewesen.

Abzuweisen sei die Klage jedenfalls deshalb, weil der Kl. keine Frist zur Nacherfüllung gesetzt habe.

Die Klage wurde abgewiesen.

2 Aus den Gründen:

" … Die Bekl. zu 1) ist dem Kl. nicht aus §§ 434, 437 Nr. 2, 440, 323, 326 Abs. 5 BGB zur Kaufpreisrückzahlung verpflichtet. Hierbei kann es dahingestellt bleiben, ob und inwieweit der Kaufgegenstand infolge der implementierten Manipulations-Software fehlerhaft i.S.v. § 434 BGB ist. Denn in jedem Fall setzt der Rücktritt vom Kaufvertrag wegen Mängeln am Kaufgegenstand nach § 323 Abs. 1 BGB eine Frist zur Nacherfüllung voraus. Eine solche Frist hat der Kl. der Bekl. zu 1) nicht gesetzt."

Gründe, nach denen eine Fristsetzung ausnahmsweise entbehrlich sein könnte, lassen sich in dem vorliegenden Fall nicht einsehen.

Nach § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist die Fristsetzung entbehrlich, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert. An das Vorliegen einer Erfüllungsverweigerung sind strenge Anforderungen zu stellen. Die Weigerung des Schuldners muss als sein letztes Wort aufzufassen sein (BGH, Urt. v. 29.6.2011 – VIII ZR 202/10, NJW 2011, 2872; BGH, Urt. v. 1.7.2015 – VIII ZR 226/14, WM 2015, 1591). Zu einer so verstandenen Erfüllungsverweigerung durch die Bekl. zu 1) ist es hier nicht gekommen. Diese hat dem Kl. vielmehr in ihrem anwaltlichen Schreiben v. 20.10.2015 (Anlage K9) angekündigt, das Fahrzeug technisch nachzubessern.

Gem. § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB ist eine Fristsetzung gleichfalls im Falle einer nicht vertragsgemäß erbrachten Leistung entbehrlich, wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitig...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge