Die überwiegend praktizierte außergerichtliche Schadenregulierung erfolgt beim Schmerzensgeldanspruch dergestalt, dass zur Vorbereitung der Bezifferung des sachgerechten Schmerzensgeldanspruchs i.d.R. durch den Versicherer – besser durch den Geschädigten selbst – bei den behandelnden Ärzten Arztberichte angefordert werden. Diese werden dann von dem Rechtsanwalt als Grundlage der außergerichtlichen Bezifferung verwandt. Diese Vorgehensweise führt jedenfalls zu Haftungsrisiken beim tätigen Rechtsanwalt, die u.a. auf der Rechtsprechung des BGH zur Einheitlichkeit des Schmerzensgeldanspruchs beruhen. Nach der Rechtsprechung des BGH gebietet es der Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldanspruchs, dass die Höhe des dem Geschädigten zustehenden Schmerzensgeldanspruchs aufgrund einer ganzheitlichen Betrachtung der den Schadenfall prägenden Umstände unter Einbeziehung der absehbaren künftigen Entwicklung des Schadensbildes bemessen wird.[3] Wenn nun im Rahmen eines Prozesses nicht ausdrücklich nur ein Teilschmerzensgeld geltend gemacht wird,[4] wird bei der Bemessung die künftige Entwicklung des Schadensbildes miteinbezogen. Dies bedeutet, dass sämtliche – auch zukünftige Entwicklungen – miteinbezogen werden, soweit diese objektiv absehbar sind.

Diese Einschätzung ist freilich für den Nichtmediziner nur schwer vorhersehbar. Schon aufgrund dessen ist die Einschaltung eines medizinischen Sachverständigen geboten, weil nur dieser Hinweise zu absehbaren weiteren Verschlechterungen des Gesundheitszustandes geben kann. Nicht zu unterschätzen ist auch die "Beweissicherung" der unfallbedingten Verletzungen für den Fall nachfolgender unfallfremder Verletzungen oder Erkrankungen sowie des Todes des Unfallgeschädigten.

Die forensische Erfahrung des Verfassers belegt, dass vorgelegten ärztlichen Berichten der Behandler im Prozess kein nennenswerter Beweiswert zukommt. Die Gerichte beauftragen regelmäßig gerichtliche Sachverständige, die dann – meist Jahre nach dem Unfallgeschehen – die Geschädigten untersuchen und diese Ergebnisse in ihre Gutachten einfließen lassen. Ein solches gerichtliches Gutachten wird sodann an die Prozessparteien mit der Bitte um Stellungnahme übersandt.[5] Während der Haftpflichtversicherer dann regelmäßig seine Vertrags- und Beratungsärzte konsultiert, steht dem Unfallgeschädigten dieser "Erfahrungsschatz" regelmäßig nicht zur Verfügung. Das ist gänzlich anders, wenn der Unfallgeschädigte schon frühzeitig einen Sachverständigen seines Vertrauens eingeschaltet hat. Er kann dann nämlich das gerichtliche Gutachten an seinen Sachverständigen mit der Bitte um Überprüfung weiterleiten und damit ggf. Angriffspunkte gegen das gerichtliche Gutachten aufgezeigt werden.

Entscheidend ist indes, dass bei frühzeitiger Einschaltung eines Sachverständigen in weit größerem Maße eine außergerichtliche Regulierung herbeizuführen ist, wie die Erfahrungen des Verfassers belegen. Dies dürfte vermutlich auf der geschaffenen besseren Tatsachengrundlage beruhen und im Übrigen auf der Erkenntnis der leistungspflichtigen Versicherung, dass bei Abwägung der Kosten eines Rechtsstreites die außergerichtliche Erledigung zu bevorzugen ist. Es ist demgemäß als Zwischenergebnis festzuhalten, dass die frühzeitige Einschaltung eines medizinischen Sachverständigen regelmäßig geboten ist. Es stellt sich dann die weitere Frage, wer als Sachverständiger hinzugezogen werden sollte.

Grundsätzlich sollten öffentlich bestellte und allgemein vereidigte Sachverständige beauftragt werden.[6] Da Ärzte nicht zu den Personen zählen, die nach § 36 GewO öffentlich bestellt werden können, gibt es grundsätzlich keine öffentlich bestellten medizinischen Sachverständigen.[7] Gleichwohl sind alle Ärzte gem. § 407 ZPO, § 75 StPO zur Erstellung von Gutachten verpflichtet.[8] Eine Beauftragung der behandelnden Ärzte empfiehlt sich grundsätzlich nicht, weil zwischen Arzt und Patient in der Regel ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht, was dem Arzt ggf. objektive Ausführungen erschwert.[9] Im Übrigen wird bei nicht optimal verlaufenden Operationen und Behandlungen nicht auszuschließen sein, dass gewisse Beschwerden als schicksalhaft angegeben werden. Der Verfasser beauftragt regelmäßig niedergelassene Fachärzte, meist Unfallchirurgen oder Orthopäden, mit der Erstellung entsprechender Gutachten. Es wird dabei darauf geachtet, dass diese zuvor nicht in die Behandlung eingebunden waren. Ihnen werden sämtliche Ergebnisse bildgebender Verfahren ebenso zur Verfügung gestellt wie die vorliegenden Arztberichte. Die Beauftragung erfolgt im Übrigen zu einem Zeitpunkt, zu dem die Beschwerden (noch) dokumentiert werden können.

[4] Zur Zulässigkeit vgl. BGH, Urt. v. 20.1.2004 – VI ZR 70/03, a.a.O.
[7] Vgl. Bayerlein, Praxishandbuch Sachverständigenrecht, 4. Aufl., Rn 18 zu § 13.
[8] Vgl. Bayerlein, Praxishandbuch Sachverständigenrecht, 4. ...

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