" … II.3.a) Die unterliegende Partei hat die dem Prozessgegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Insoweit ist (wie bei sonstigen aufgewendeten Prozesskosten) maßgeblich darauf abzustellen, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die die Kosten auslösende Maßnahme – die Einholung eines Privatgutachtens – objektiv als sachdienlich ansehen durfte. Für diese Beurteilung der Notwendigkeit ist auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem die Kosten auslösende Maßnahme veranlasst wurde, mithin ex ante auf den Zeitpunkt der Erteilung des Gutachtensauftrags. Unerheblich ist, ob das Privatgutachten im Rahmen einer ex-post-Betrachtung tatsächlich die Entscheidung des Gerichts beeinflusst hat (vgl., auch zum Folgenden: BGH RVGreport 2013, 236 (Hansens) = zfs 2013, 346 m. Anm. Hansens; BGH RVGreport 2012,303 (Ders.); BGH RVGreport 2012, 229 (Ders.) = zfs 2012, 285 m. Anm. Hansens; BGH RVGreport 2007, 279 (Ders.); BGH BRAGOreport 2003, 296 (Ders.) = AGS 2003, 178 m. Anm. Leupertz; OLG Koblenz JurBüro 2016, 149; Zöller/Herget, ZPO, 31. Aufl., a.a.O. § 91 Rn 12, Rn 13 Stichwort “Privatgutachten’; jeweils m.w.N.)."

Grds. sind die Kosten derartiger Gutachten nicht erstattungsfähig, da eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die Einholung eines Privatgutachtens – schon im Hinblick auf dessen mangelnde Verwertbarkeit in einem gerichtlichen Verfahren – ex ante nicht als sachdienlich ansehen darf.

Hinsichtlich der in Ausnahmefällen zu bejahenden Erstattungsfähigkeit der durch die Einholung eines Privatgutachtens entstandenen Kosten ist zu differenzieren:

Die Kosten eines bereits vor dem Rechtsstreit eingeholten Privatgutachtens sind grds. mangels unmittelbarer Prozessbezogenheit keine Kosten des nachfolgenden Rechtsstreits i.S.d. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Insoweit genügt es nicht, wenn das Gutachten irgendwann in einem Rechtsstreit verwendet wird, sondern das Gutachten muss sich auf den konkreten Rechtsstreit beziehen und gerade mit Rücksicht auf den konkreten Prozess in Auftrag gegeben worden sein. Deshalb sind diejenigen Aufwendungen, die veranlasst werden, bevor sich der Rechtsstreit einigermaßen konkret abzeichnet, nicht erstattungsfähig. Hingegen sind im Hinblick auf ein konkretes Verfahren entstandene Kosten eines Privatgutachtens ausnahmsweise dann erstattungsfähig, wenn eine ausreichende Klagegrundlage (bzw. Verteidigungsgrundlage bzw. Rechtsmittelgrundlage) nur durch einen Sachverständigen beschafft werden konnte, das Gutachten damit zur Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung erforderlich – und in diesem Sinne zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig – war, vorausgesetzt, dass die Sachkunde der Partei hierzu nicht ausreichte. Dient das Privatgutachten dagegen lediglich der Beurteilung der Prozessaussichten, sind hierfür entstandene Kosten nicht erstattungsfähig.

Die Kosten eines erst während des Rechtsstreits eingeholten (“prozessbegleitenden’) Privatgutachtens sind ausnahmsweise dann erstattungsfähig, wenn dies unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit geboten ist, wenn der Partei andernfalls eine gerichtlich geforderte Substantiierung nicht möglich wäre oder wenn die Partei andernfalls ein gerichtlich eingeholtes Gutachten nicht (zum Zwecke der Erschütterung oder Widerlegung) überprüfen, insb. diesbezüglich Fragen an den gerichtlichen Sachverständigen nicht formulieren könnte (was wiederum jeweils voraussetzt, dass die Sachkunde der Partei hierzu nicht ausreicht, die Partei also ohne die Einholung eines Privatgutachtens zu diesbezüglichem sachgerechten Vortrag nicht in der Lage war).

b) Bei Ansatz dieser Maßstäbe sind die im Kostenfestsetzungsverfahren entstandenen Sachverständigenkosten des Privatgutachtens G. nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig i.S.d. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO zu werten, bleiben mithin ohne Berücksichtigung.

Insoweit handelt es sich um vor dem Rechtsstreit entstandene Kosten, nachdem der Gutachtensauftrag bereits vor Klageerhebung erteilt worden war. Selbst bei Annahme einer diesbezüglichen unmittelbaren Prozessbezogenheit (für die der nahe zeitliche Zusammenhang zur Klageerhebung spricht) ist die Notwendigkeit eines entsprechenden Gutachtensauftrags nicht ersichtlich. Vielmehr durfte eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei diese Kosten auslösende Maßnahme im Zeitpunkt der Beauftragung des Privatgutachters nicht objektiv als sachdienlich ansehen.

Die Einholung eines Privatgutachtens seitens des Kl. war weder zur Entscheidung, ob im Hinblick auf die Zahlungsverweigerung der Bekl. Klage erhoben wird, noch zur Ausformulierung der Klageschrift erforderlich; dies zeigt bereits der Umstand, dass das Privatgutachten erst nach Klageerhebung erstattet wurde, der Kl. mithin dieses Gutachten nicht abgewartet hat. Es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass – und warum – der Kl. eine ausreichende Klagegrundlage nur durch einen (privaten) Sachverständigen hätte besch...

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