VV RVG Nr. 7004, 7005; ZPO § 91; GG Art. 34; BGB § 839

Leitsatz

Zur Geltendmachung von Aufwendungen bei amtspflichtwidrig nicht rechtzeitiger Mitteilung einer Terminsaufhebung im Wege der Amtshaftungsklage.

OLG Dresden, Urt. v. 18.4.2018 – 1 U 1509/17

Sachverhalt

Der Kl., der Insolvenzverwalter über das Vermögen einer GmbH war, klagte in dieser Eigenschaft vor dem LG Dresden Ansprüche gegen den Freistaat Sachsen ein. Dabei ließ er sich durch Anwälte mit Kanzlei in Hamburg vertreten. Der Vorsitzende der Prozesskammer des LG Dresden verfügte die Aufhebung des auf den 7.4.2016 angesetzten Verhandlungstermins am 31.3.2016. Die Geschäftsstellenbedienstete verfügte die Übersendung der Mitteilung auf dem Postweg am 4.4.2016. Eine Unterrichtung der Prozessbevollmächtigten des Kl. über die Terminsaufhebung per Telefax oder per Telefonat unterblieb hingegen. Die postalisch übersandte Mitteilung über die Terminsaufhebung erreichte das Büro der Prozessbevollmächtigten des Kl. erst im Laufe des 7.4.2016. Bereits in den Morgenstunden dieses Tages war der Prozessbevollmächtigte des Kl. jedoch mit der Bahn von Hamburg nach Dresden abgereist. Die Fahrkarte hatte der Rechtsanwalt schon am 5.4.2016 erworben.

Die somit vergeblich aufgewandten Terminsreisekosten machte der Kl. aufgrund der zu seinen Gunsten im Ausgangsprozess ergangenen Kostengrundentscheidung gegen den Bekl. im Kostenfestsetzungsverfahren nicht geltend. Stattdessen erhob der Kl. aus eigenem und abgetretenem Recht gegen den Freistaat Sachsen eine Amtshaftungsklage, in der er folgende Ansprüche geltend machte:

 
1. Terminsreisekosten, Nr. 7004 VV RVG 289,50 EUR
2. Tage- und Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 Nr. 3 VV RVG 70,00 EUR
3. Verdienstausfall seines Prozessbevollmächtigten: 8 Stunden zu je 220,00 EUR 1.760,00 EUR
  Summe: 2.119,50 EUR

Das LG Dresden hat die Amtshaftungsklage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Kl. hatte nur zum geringen Teil Erfolg.

2 Aus den Gründen:

"… B. I. 1. Dem Kl. steht aus § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG ein Anspruch zu, dass er vom Bekl. bzgl. der seinen Prozessbevollmächtigten im Rahmen der Terminswahrnehmung am 7.4.2016 entstandenen Reisekosten i.H.v. 289,50 EUR und deren Anspruch auf Tagesgeldpauschale gemäß Nr. 7005 VV RVG i.H.v. 70 EUR freigestellt wird. (…)"

1.2 Dem Anspruch des Kl. auf Freistellung von der seinen Prozessbevollmächtigten geschuldeten Erstattung der Fahrtkosten und Auslagenpauschale fehlt nicht das Rechtsschutzbedürfnis, weil es sich um notwendige Kosten des vor dem LG Dresden geführten Ausgangsverfahrens handelt mit der Folge, dass diese im dortigen Kostenfestsetzungsverfahren geltend zu machen wären.

Allerdings ist anerkannt, dass es an einem Rechtsschutzbedürfnis fehlen kann, wenn ein Titel auf einfacherem Weg zu erlangen ist, z.B. im Kostenfestsetzungsverfahren (Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., vor § 253 Rn 18b).

a) (…) Der Geschädigte kann seinen materiell-rechtlichen Anspruch auf Erstattung der aufgewandten Prozesskosten dann regelmäßig wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses nicht im Wege einer Leistungsklage geltend machen, weil ihm mit dem Kostenfestsetzungsverfahren ein schnellerer und einfacherer Weg zur Verfügung steht (BGH BGHZ 190, 353, 360).

b) Es liegen aber vorliegend besondere Umstände vor, die es ausnahmsweise als gerechtfertigt erscheinen lassen, das Rechtsschutzbedürfnis der Amtshaftungsklage zu bejahen.

aa) [] So macht der Kl. neben der Erstattung der Reisekosten und des Tagegeldes auch als Schadensersatzanspruch aus abgetretenem Recht den Honorarausfall seines Prozessbevollmächtigten geltend. Bei diesem Anspruch handelt es sich nicht um einen prozessualen Kostenerstattungsanspruch. Folge hiervon ist, dass er zur Geltendmachung dieses Anspruchs auf jeden Fall Leistungsklage erheben muss. Insoweit erscheint es nicht geboten, den Kl. wegen ein und derselben Amtspflichtverletzung auf zwei verschiedene Verfahren zu verweisen.

bb) Zudem ist es äußerst fraglich, ob es sich bei den Reisekosten und dem Tages- und Abwesenheitsgeld um notwendige Kosten des Ausgangsverfahrens i.S.v. § 91 Abs. 1 ZPO handelt, die der Kl. im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahren ersetzt verlangen kann.

(1) Gem. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO hat die unterliegende Partei dem Gegner die diesem erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig waren. Notwendig i.S.d. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO sind (nur) Kosten für solche Maßnahmen, die im Zeitpunkt ihrer Vornahme objektiv erforderlich und geeignet zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung erscheinen. Das ist vom Standpunkt einer verständigen und wirtschaftlich vernünftigen Partei aus zu beurteilen (BGH zfs 2016, 285 m. Anm. Hansens = RVGreport 2016, 186 [Hansens]; BGH RVGreport 2018, 143 [ders.] = AGS 2018, 154). Zu berücksichtigen ist dabei, dass es bzgl. der Frage der objektiven Erforderlichkeit nach der Rspr. des BGH grds. auf den Zeitpunkt der Vornahme der Kosten verursachenden Handlung abzustellen ist (BGH a.a.O.).

So hat der BGH entschieden, die Einreichun...

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