[10] "… Die Berufungen der Kl. sind zulässig; jedoch ist nur die Berufung der Kl. im Hinblick auf die Höhe des vom LG ausgeurteilten Schmerzensgelds begründet."

[11] Das LG ist nach Abwägung der jeweiligen Verursachungsbeiträge nachvollziehbar von einer Haftungsverteilung von 70 % zu Lasten der Kl. und zu 30 % zu Lasten der Bekl. ausgegangen. Ein unfallursächliches Verschulden des Bekl. zu 1) vermögen die Kl. auch nach Auffassung des Senats nicht nachzuweisen. Auch ist die Betriebsgefahr auf Seiten der Bekl. für ein vor dem Unfall ca. 200 km/h fahrendes Fahrzeug nicht so hoch zu veranschlagen, als dass eine Abänderung des landgerichtlichen Urteils vorzunehmen wäre. Lediglich das Schmerzensgeld hat das LG mit 240 EUR auch unter Berücksichtigung des erheblichen Mitverschuldens der Kl. etwas zu gering bemessen.

[12] 1. Dem Kl. steht auf der Grundlage einer Haftungsquote i.H.v. 30 % gegenüber den gesamtschuldnerisch haftenden Bekl. unverändert der ausgeurteilte Zahlungsanspruch i.H.v. 1.177,23 EUR gem. §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG zu.

[13] a. Grds. haben die Bekl. nach den genannten Vorschriften für die Schäden einzustehen, die bei dem Betrieb des von ihnen geführten, gehaltenen und versicherten Pkw entstanden sind. Da auch der Kl. an dem Unfall mit seinem Kfz beteiligt und der Unfall für keinen der Beteiligten ein unabwendbares Ereignis war, sind die jeweiligen Verursachungsbeiträge der Beteiligten gem. §§ 17, 18 Abs. 3 StVG gegeneinander abzuwägen. Bei dieser Abwägung kommt es insb. darauf an, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist. In jedem Fall sind in ihrem Rahmen unstreitige bzw. zugestandene oder bewiesene Umstände zu berücksichtigen (vgl. nur BGH, Urt. v. 10.1.1995 – VI ZR 247/94, juris; Senat, Urt. v. 8.10.2011 – I-1 U 17/11). Jeder Halter hat dabei die Umstände zu beweisen, die dem anderen zum Verschulden gereichen und aus denen er die nach der Abwägung für sich günstigen Rechtsfolgen herleiten will (BGH, Urt. v. 15.11.1960 – VI ZR 30/60, VersR 1961, 249, 250; v. 8.1.1963 – VI ZR 35/62, VersR 1963, 285, 286; v. 23.11.1965 a.a.O., S. 165; v. 29.11.1977 – VI ZR 51/76, VersR 1978, 183, 185).

[14] b. Ein unfallursächliches Verschulden des Bekl. zu 1) an der Unfallentstehung können die Kl. weder im Hinblick auf eine unangepasste Geschwindigkeit gem. § 3 Abs. 1 StVO noch im Hinblick auf ein Verschulden nach § 1 Abs. 2 StVO nachweisen.

[15] aa. Eine unangepasste Geschwindigkeit des Bekl. zu 1) deswegen, weil er im Berufsverkehr bei dicht aufeinanderfolgenden Fahrzeugen eine unangepasst hohe Geschwindigkeit gefahren wäre, lässt sich nicht feststellen. So kann auf einer stark befahrenen Autobahn stets mit Stocken und Bremsnotwendigkeit zu rechnen sein, sodass schon das Abstandsgebot zu einer erforderlichen Anpassung der Geschwindigkeit an die Verkehrsverhältnisse nach § 3 Abs. 1 S. 2 StVO führen kann (vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl, § 3 StVO Rn 29). Es kann jedoch dahinstehen, ob darüber hinaus gehend ein dicht befahrener rechter Fahrstreifen auf der Autobahn zur Folge hat, dass sich der auf dem linken Fahrstreifen befindliche Fahrer grds. auf ein Ausscheren von rechtsseitigem Verkehr unter Einschränkung des Vertrauensgrundsatzes einstellen muss und er daher mit einer angepassten Geschwindigkeit fahren muss, die jedenfalls deutlich unter 200 km/h liegt. Denn die Angaben der Beteiligten zur Frage des Verkehrsaufkommens zum Unfallzeitpunkt sind widersprüchlich und lassen keine eindeutige Festlegung zu. In der polizeilichen Unfallanzeige wird ein reger Berufsverkehr zum Unfallzeitpunkt gegen 16:10 Uhr beschrieben und auch die Kl. spricht davon, dass im Berufsverkehr hinter ihr durchgehender Verkehr gewesen sei. Der Bekl. zu 1) gibt demgegenüber jedoch an, durchgängig die linke Fahrbahn ungehindert befahren zu haben. Auch der Zeuge P schilderte keine stark befahrene Autobahn, sodass die gefahrene Geschwindigkeit des Bekl. zu 1) von ca. 200 km/h nicht schon deswegen als unangepasst angesehen werden kann.

[16] bb. Die von den Kl. mit der Berufung geltend gemachte verzögerte Reaktion des Bekl. zu 1) und ein hieraus folgender Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO lassen sich nicht mit der erforderlichen Gewissheit gem. § 286 ZPO feststellen. Die Kl. führen aus, dass dem Bekl. zu 1) seinen eigenen Angaben zufolge ein Zeitraum von jedenfalls vier Sekunden zur Verfügung gestanden habe, um auf das Ausscheren der Kl. von der rechten auf die linke Fahrspur unfallverhütend zu reagieren. Denn der Bekl. zu 1) habe geschildert, dass er den Spurwechsel der Kl. wahrgenommen und er daraufhin mit Bremsen und Ausweichen nach rechts reagiert habe. Da die Kl. aber auch nach rechts ausgewichen sei, sei es auf dem rechten Fahrstreifen zur Kollision gekommen. Da ein Fahrstreifenwechsel dem SV N zur Folge ca. zwei Sekunden erfordere, sei bei einem zweimaligen Fahrstreifenwechsel von einem Zeitraum von jedenfalls vier Sekunden auszugehen. Hätte der Bekl. z...

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