Die Entscheidung des BGH ist zu begrüßen. Positiv festzuhalten ist zunächst, dass der BGH, auch wenn zum Zeitpunkt dieser Ausführungen das Urteil in vollständig abgefasster Form noch nicht vorlag, offensichtlich den Umständen des Beweisinteresses und der funktionierenden Zivilrechtspflege ein wesentliches Gewicht beimisst. Dem Beweissicherungsinteresse kommt in Unfallsachen ein wesentliches Gewicht zu. Ungeachtet der Tatsache, dass der Dashcam-Filmende die Kamera ja grade angeschafft hat, um in kritischen Situationen einen zusätzlichen Beweis an der Hand zu haben, ist zu berücksichtigen, dass die Rechtsprechung bei Verneinung einer Beweisverwertung gezwungen wäre, sehenden Auges eine von der materiellen Wahrheit abweichende Entscheidungen zu treffen.

Nahezu ein Klassiker in den Haftpflichtprozessen nach Verkehrsunfällen ist das Bestehen einer Beweisnot auf Seiten einer der Parteien. Gerade im Zusammenhang mit Unfällen beim Spurwechsel inkl. Reißverschlussverfahren, dem wechselseitigen Rückwärtsfahren und bei bestehenden Anscheinsbeweiskonstellationen wird die Beweisnot der Partei vom Gegner ausgenutzt. Zahlreiche Klageverfahren, wie sie aktuell geführt werden, ließen sich bei einem verbreiteten Einsatz von Dashcams vermeiden. Das diente sicherlich auch der Förderung des individuellen Gerechtigkeitsempfindens des ansonsten unterlegenen Verkehrsteilnehmers und eröffnet den Versicherern zudem einen breiten Spielraum bei der Betrugsabwehr und der Tarifgestaltung, wie z.B. in Großbritannien.

Die ursprünglich auch vertretene Annahme, Dashcam-Aufnahmen könnten wegen einer dauerhaften Überwachung des Verkehrsraumes unabhängig von datenschutzrechtlichen Fragestellungen als Beweis schon wegen Verletzungen des Persönlichkeitsrechtes des Betroffenen nicht verwertet werden, liegt eigentlich fern. In aller Regel gelangt der Unfallgegner ja erst wenige Sekunden vor dem Zusammenstoß der Fahrzeuge ins Bild der Kamera; die ggf. im Vorfeld erfolgte, dauerhafte Aufnahme der Kamera betrifft die Rechte des Gefilmten also zunächst gar nicht.

Als Folgeargument hieraus wird zu berücksichtigen sein – und auch das gewichtet der BGH in seiner Entscheidung – dass sich der Gefilmte ja zunächst freiwillig in den öffentlichen Straßenverkehr begeben und sich so der Wahrnehmung und Beobachtung durch andere Verkehrsteilnehmer ausgesetzt hat. In der Regel wird er sich auch erst dann auf seine Persönlichkeitsrechte und die fehlende Verwertbarkeit der Dashcam-Aufnahme berufen, wenn sie seinen Verkehrsverstoß ans Licht bringt und er ohne die Verwertung der Aufnahme besser stünde. Noch absurder wird der Gedanke, wenn die Dashcam den Vortrag des Unfallgegners bestätigen sollte. Keinesfalls wird sich dieser in einem solchen Fall auf eine Verletzung seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts und die Unverwertbarkeit der Aufnahme berufen. Dass ein Dritter, der nicht Unfallbeteiligter geworden ist, sich gegen ein "Gefilmtwerden" mittels einer Dashcam gewehrt hätte, ist nicht bekannt.

Mehr in einem Nebensatz seiner bisweilen erst vorliegenden Presseerklärung, aber dennoch ausdrücklich bestätigt der BGH die nur kurzzeitige, anlassbezogene Aufzeichnung einer Dashcam als zulässig. Diese, so liest sich die Anmerkung des BGH hierzu, stelle nicht einmal einen datenschutzrechtlichen Verstoß dar, was zugunsten des Filmenden wohl ebenfalls positiv bzw. jedenfalls nicht negativ in die Interessenabwägung einzustellen wäre.

Die Entscheidung des BGH verhallt allerdings auch nicht kritiklos.

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