" … Die Klage ist zulässig und begründet, weil dem Kl. ein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags nach Anfechtung wegen arglistiger Täuschung zusteht, §§ 812 Abs. 1, 123 Abs. 1, 142 Abs. 1 BGB, nebst Anspruch auf Ersatz der weiteren Schäden nach §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 282 BGB. Darauf, dass der Kl. auch einen nachrangigen Anspruch wegen wirksamen Rücktritts vom Kaufvertrag hat, kommt es daher bereits nicht mehr an."

I. 1. Der Kl. hat den Kaufvertrag mit Schriftsatz v. 2.3.2016 wirksam angefochten wegen arglistiger Täuschung der Bekl. Die Bekl. hat selbst eingeräumt, dass ihre Angaben zum Schadstoffausstoß objektiv unrichtig waren. Jedenfalls für die Stickoxidwerte (NOx) steht aufgrund des Herstellerschreibens v. 15.2.2016 fest, dass sie durch eine Software im Vergleich zwischen Prüfstandlauf und realem Fahrbetrieb verschlechtert werden. Auch die Bekl. hat lediglich in Abrede gestellt, dass Abweichungen bei den CO2-Werten bestehen würden. Ob die Angaben hierzu ebenso unrichtig waren, kann insofern dahingestellt bleiben, weil jedenfalls der Ausstoß von Stickoxidwerten unrichtig angegeben wurde.

Arglist erfordert dabei wenigstens bedingten Vorsatz, jedoch keine Absicht oder Schädigungsvorsatz. Der Bekl. ist dabei nach der freien Überzeugung des Gerichts das Wissen der V AG zuzurechnen. Soweit die Bekl. vorträgt, die V AG sei nur indirekt an ihr über mehrere zwischengeschaltete Gesellschaften beteiligt, steht dies im Widerspruch zu ihrer Unternehmensbeschreibung im Internet. Danach gehört die Bekl. zur österreichischen P als Mitglied des V-Konzerns. Letztlich kann dies aber dahinstehen, weil die Bekl. jedenfalls über eine durchgehende Beteiligungskette zum V-Konzern gehört, über die das Wissen zuzurechnen ist.

Jedenfalls muss sich die Bekl. aber aus Gründen des Rechtsscheins als 100 %-ige Konzerntochter behandeln und das Wissen der V AG zurechnen lassen. Die Bekl. hat durch ihr Auftreten besonderes Vertrauen als Konzerntochter in Anspruch genommen. Dabei kann dahinstehen, ob hierfür der Auftritt als S-Vertragshändler mit prominenter Verwendung des V Logos im Auftritt ihrer Geschäftsräume ausreicht. Jedenfalls aber wirbt die Bekl. in ihrem Internetauftritt unter der Überschrift “Gemeinsame Wurzeln' wie folgt: “Seit 1.3.2011 ist die P eine 100 %-Tochter der V AG und somit Teil des erfolgreichsten europäischen Automobilherstellers.' Damit hat die Bekl. bewusst nach außen werbend besonderes Vertrauen als 100 %-ige V-Tochter in Anspruch genommen. Daran muss sie sich nun auch festhalten lassen, soweit die V AG bewusst unrichtige Angaben zu Schadstoffemissionen des streitgegenständlichen Motors gemacht hat, die unstreitig Gegenstand der Anpreisungen des Verkaufsmitarbeiters der Bekl. waren. Diese waren auch unstreitig mitursächlich für die Kaufentscheidung des Kl. Dies gilt umso mehr, als der Verkäufer der Bekl. unbestritten als seit Jahren von V erprobt beworben hat. Nach dem objektiven Empfängerhorizont lag damit keine bloße Bezugnahme auf Herstellerangaben vor, deren Richtigkeit sich der Kenntnis der Bekl. entzog, sondern die Bekl. machte die Herstellerangaben als 100 %-ige V-Tochter und damit Mitglied des “Unternehmens V' bzw. des “V-Konzerns'.

2. Der Anfechtung steht auch nicht das Ausmaß des Mangels entgegen. Unabhängig davon, dass der Mangel nicht unerheblich ist, kommt es für die Anfechtung nur auf die Täuschung und deren Ursächlichkeit bei der Willensbildung an. Im Übrigen wäre es treuwidrig von der Bekl., zunächst die Schadstoffemissionen des Fahrzeugs als besonderes Verkaufsargument heranzuziehen, und dann der Anfechtung entgegenzuhalten, dass die ihr zurechenbare gezielte Manipulation der gemessenen Schadstoffwerte unerheblich wäre.

3. Als Folge der Anfechtung hat der Kl. zunächst Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs unter Abzug des von ihm gezogenen Gebrauchsvorteils. Letzteren schätzt das Gericht angesichts der erfolgten Laufleistung von 27.359 km bei einer nach Schätzung des Gerichts aufgrund der allgemein bekannten grundsätzlichen Langlebigkeit von Dieselmotoren zu erwartenden Laufleistung von 300.000 km auf 1.594,89 EUR.

4. Der Kl. hat auch Anspruch auf Ersatz der weitergehenden Schäden einschließlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 282 BGB aufgrund der arglistigen Täuschung der Bekl. Insofern ist zu berücksichtigen, dass die von dem Kl. geltend gemachten weiteren Schadenspositionen ihm nicht entstanden wären, wenn er den Vertrag in Kenntnis der wahren Umstände nicht abgeschlossen hätte. Soweit der Kl. Kraftfahrzeugsteuer und Haftpflichtversicherungsbeiträge geltend macht, sind auch diese zu ersetzen, nachdem der Gebrauchsvorteil bereits im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung berücksichtigt wurde.

II. Im Übrigen hätte der Kl. auch einen nachrangigen Anspruch auf Ersatz in gleicher Höhe, weil er wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten ist, §§ 434 Abs. 1 S. 1, ...

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