Pro Jahr sind in Deutschland etwa 2.500.000 Verkehrsunfälle, davon ca. 300.000 mit Personenschaden, zu beklagen[1] – und damit auch von Haftpflichtversicherungen zu regulieren. Die juristische Aufarbeitung erfolgt in bewährten, aber auch eingefahrenen Bahnen: Der Geschädigte wendet sich – häufig mit Hilfe eines Rechtsanwalts – direkt an den Versicherer des Schädigers. Dort werden die Ansprüche geprüft und von Seiten der Versicherungen wird berichtet, dass die meisten Fälle in zweiseitigen Verhandlungen reguliert oder von den Geschädigten nicht weiter verfolgt werden. Die Prozessquote lag in den Jahren 2009 bis 2011 durchschnittlich bei 2,9 % für alle Schäden in der Kfz-Haftpflichtversicherung und 6 % für die Fälle mit Personenschaden.[2]

Wo eine Einigung nicht erzielt werden kann, bleibt dem Geschädigten der Weg zu den Gerichten. Im Jahr 2015 haben alleine die Landgerichte bundesweit 22.798 Verkehrsunfallsachen erledigt,[3] wobei diese Zahl in etwa der der Eingänge entsprechen wird. Die Verfahren sind geprägt von schwierigen Tatsachenfeststellungen und Beweisproblemen. Diese betreffen zunächst die Frage der Haftung (Haftungsquote). Hier ist die Beweislastverteilung für den Geschädigten nach §§ 7, 18 StVG günstiger als in anderen Bereichen des Schadensrechts, wie z.B. in der Arzthaftung. Sodann stellt sich die Frage, welche Schäden unfallbedingt sind. Die Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen liegt insoweit beim Geschädigten, wobei hinsichtlich des Sekundärschadens das reduzierte Beweismaß des § 287 ZPO gilt. Die Verfahren können lange dauern, da regelmäßig die Begutachtung durch Sachverständige erfolgen muss; oft genug sind dann sogar Gutachten aus mehreren Fachrichtungen notwendig.

Die Unabhängigkeit der Richter, die formale Ausgestaltung des Gerichtsverfahrens und die Möglichkeit, ein Urteil durch Obergerichte überprüfen zu lassen, gewährleisten einen hohen Standard. Der Rechtsstreit an sich, seine lange Dauer und die damit verbundene Unsicherheit werden aber auf beiden Seiten häufig als belastend wahrgenommen. Oft wäre für den Geschädigten eine schnelle Hilfe wichtiger als ein Prozesserfolg in großem zeitlichem Abstand. Zugleich vergrößert sich aus Sicht der Versicherung der wirtschaftliche Schaden, je länger die Regulierung dauert.

So wichtig ein zuverlässiger und guter Rechtsschutz ist, stellt sich doch die Frage, ob nicht wenigstens in einzelnen Fällen alternative Methoden der Streitbeilegung das erprobte Instrumentarium sinnvoll ergänzen können.[4]

[1] https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Wirtschaftsbereiche/TransportVerkehr/Verkehrsunfaelle/Verkehrsunfaelle.html (2015 – mit Veränderungen gegenüber dem Vorjahr):

Polizeilich erfasste Unfälle: 2.516.831 (+4,6 %)

mit ausschl. Sachschaden: 2.211.172 (+5,1 %)

mit Personenschaden: 305.659 (+1,1 %)

Verunglückte: 396.891 (+1,0 %)

Verkehrstote: 3.459 (+2,4 %)

Schwerverletzte: 67.706 (-0,03 %)

Leichtverletzte: 325.726 (+1,2 %).

[2] Auskunft des GDV vom 9.1.2017.
[3] Statistisches Bundesamt Wiesbaden, DeStatis, 2016, Fachserie 10, Reihe 2.1 (Artikelnummer: 210021015700). Das sind also nicht nur Fälle mit Personenschaden; über deren Anteil trifft die Justizstatistik keine Aussage.
[4] Scholten, DAR 2016, 631 ff., 641.

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